Erwähnungen
Türchen 18 - Anti-Weihnachtsfilme
Von Zustel in Der Moviebreak-Adventskalender
am Sonntag, 30 November 2014, 23:00 Uhr
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Christmas, fuck off! Es gibt verschiedene Arten dem Fest gepflegt die antipathische Meinung zu geigen. Man kann es süffisant oder auch wild kreischend tun, oder man macht das Weihnachtsfest zur Bühne für etwas Unchristliches. Souli und Stu haben zehn Filme zusammengetragen, die für sie eines gemeinsam haben: eine Botschaft, die besagt, dass Weihnachten nicht nur schön und besinnlich, sondern auch anstrengend, chaotisch, grausam und furchtbar sein kann.
Loriot – Weihnachten bei den Hoppenstedts
Perfekt pointiert, bis zur kleinsten Silbe. So kennt und liebt man Loriot. 1978 zeigte er seinen Zuschauern in knackigen wie köstlichen 30 Minuten wie der Spießbürger das Fest begeht, mit allem was dazu gehört: der Kauf des richtigen Geschenks fürs Kind („Wir bauen uns ein Atomkraftwerk“), die Vorbereitung für Heiligabend inklusive Vertreterbesuch („Sie müssen unbedingt die Oberföhringer Vogelspinne probieren“) und das große Finale unterm Tannenbaum mit anschließender Abendplanung („…und dann machen wir es uns gemütlich“). Nicht zu vergessen die legendären Trickfilmeinspieler, von denen wohl vor allem das Adventsgedicht mit Sankt Nikolaus und der Försterin in Erinnerung bleibt. Gewiss, Ende der 1970er war das Kleinbürgertum ein anderes wie heute, doch trotzdem findet wohl auch der jüngste Zuschauer immer noch Facetten bei Loriots Weihnachtsschmaus wieder, die auch heute noch dem gesellschaftliche Trubel rund ums Fest den komischen Spiegel vorhalten. Die bissige aber niemals bösartige Botschaft: Der Drang nach weihnachtlicher Besinnlichkeit ist das reinste Chaos. Eine klarere, bessere, komischere aber auch liebenswertere Anti-Weihnachtsbotschaft gibt es nicht.
Last Christmas
Es sind nur wenige Minuten, aber danach hat man schon keinen Bock mehr aus das Fest der Feste. Was das New Wave-Duo Wham! da 1984 auf die Menschheit los ließ ist die Essenz des perfekten Weihnachtsfests. Ohne bucklige Verwandtschaft in der Nähe, umgeben von einer traumhasten Winterkulisse sang George Michael den Pop-Evergreen rund um eine gescheiterte Beziehung. Hach, das ist alles so toll, so durchgestylt und harmonisch, dass man nicht daran vorbei kommt das im Musikvideo zelebrierte Weihnachten mit dem zu vergleichen, welches man selbst Jahr für Jahr feiert. Natürlich, während George, die singende FCKW-Schleuder, tolle Weihnachten feiert, muss man selbst Omas harte Kekse und feuchte Wangenschmatzer sowie Mutters trockenen Festtagsbraten überstehen. Unfair! Da will man doch am liebsten auch dabei sein, wenn George Michael und seine Kumpels vorm Kamin flanieren und sei es nur um ihnen vor die Füße zu kotzen
Bad Santa
Klar, „Bad Santa“ darf hier nicht fehlen. Billy Bob Thornton („The Man who wasn’t there“) in einer seiner Paraderollen als versoffener Gangster und Versager in Personalunion, der eine Vorliebe für Bier, Geld und Analverkehr hat und sich in der luxuriösen Behausung eines dicken, naiven Jungen einquartiert. Regisseur Terry Zwigoff („Art School Confidential“) macht daraus eine kurzweilige, böse Abrechnung mit dem Weihnachtstrubel und zerstört das an den Festtagen elendig oft zitierte Sittenbild einer heilen Welt mit dem Vorschlaghammer. Direkter hat wohl noch keine Hollywood-Produktion Weihnachten den Stinkefinger entgegen gestreckt.
Rare Exports
Recht schrullig-skandinavisch, mit einer bösen Note im Witz ausgestattet und mit einer zum Weihnachtsfest sehr passenden, da konternden Stimmung, die genau das richtige ist, wenn man von Schokoladennikoläusen, "White Christmas" und Kerzen anzünden so richtig genervt ist. Zu einer anderen Jahreszeit steht der Film schon etwas auf verlorenen Posten, kann seine gruselige Atmosphäre aber trotzdem gut transportieren. Dennoch funktioniert "Rare Exports" wirklich am besten wenn es schon um 16:30 dunkel wird, das Thermometer nur selten wirklich ausschlägt und alle anderen wieder davon reden, dass sie nächstes Jahr vor dem ganzen Stress fliehen werden, was sie selbstredend nicht tun - wie man selbst übrigens auch. Auch wenn das mit der Temperatur aktuell noch nicht zutrifft, passt dieses böse Märchen perfekt zur aktuellen Zeit. auch weil es klar macht, dass der Weihnachtsmann grausam ist. Hier weil der Kinder frisst, bei uns, weil er uns jedes Jahr ins Chaos stürzt.
Meine Schöne Bescherung
Familienzusammenkünfte bieten immer viel Zündstoff vor allem im Film. Wenn dann auch noch das Fest der Liebe dazu kommt bietet des den Filmemachern immer wieder große Zielscheiben für humoristische Angriffe. Bei "Meine schöne Bescherung" ist dies nicht anders. Der schwungvolle Ensemble-Film bietet jede Menge Chaos, Gekeife, ein paar Tränen, zugeschlagenen Türen und alles was ein lange geplantes Fest noch so versauen kann. Dabei macht der Film ordentlich Tempo und das Drehbuch lässt so viele Figuren in Fettnäpfchen trampeln dass man sie gar nicht alle aufzählen kann. Klar, bei dieser hohen Anzahl hin und wieder einige müde Vertreter der inszenierten Schadenfreude auftreten aber kurz bevor man es richtig bemerkt platziert der Film wieder einen herrlichen Treffer und das Zwerchfell wird fürs kurze warten belohnt.
Single Bells
Die Anzahl von Filmen die auf Weihnachten abziehen ist lang. Einige verkitschen das Fest bis zur Sacharin-Schmerzgrenze, andere erzählen einfach nur alte Märchen nach und wieder andere nehmen sich die besinnliche Zeit, stopfen sie in einen Nussknacker und... machen nichts mehr. Filme die Weihnachten wirklich bis zum Schluss durch den Kakao ziehen, bzw. die Schattenseiten des Festes genüsslich auf die Spitze bringen, ist höchst selten. Umso erfreulicher ist es da, dass es wirklich ein deutscher TV-Spielfilm wagt den Nussknacker zu betätigen. Klar, das Ergebnis ist gewiss nicht so scharfzüngig und boshaft wie es hätte sein können, aber es reicht locker aus um einen höchstvergnüglichen Blick auf das Fest der Liebe zu werfen. Genau deshalb hat sich "Single Bells" als (Anti)-Weihnachtsfilm etabliert. Auch deshalb weil er seine Anti-Haltung gegen das Fest bis zum Ende konsequent durchzieht.
Gremlins
Joe Dante versteht es, ab dem ersten Moment die Neugierde des Zuschauers zu wecken und direkt Spannung zu erzeugen – Ganz zu schweigen von dem wunderbar weihnachtlichen Flair! Wir sehen Gizmo nicht, wir hören ihn nur und die Vorstellungskraft schlägt Purzelbäume. Wenn wir dem knuffigen Kerlchen aber zum ersten Mal in die Kulleräuglein blicken, möchten wir ihn am liebsten drücken und gleich einen eigenen Gizmo haben. Doch der arme Bursche muss noch so einiges durchmachen und als Zuschauer tut er einem einfach unendlich leid, wenn die neuen, bösen Gremlins auf ihm herumhacken. Wir sind direkt bereit uns mit Billy und Gimzo in den Kampf gegen die ekelhaften Biester zu stürzen. Vielleicht kein Weihnachtsfilm für die ganze Familie, aber ein Film, der das Herz am rechten Fleck trägt!
Eyes Wide Shut
Stanley Kubrick führt uns die Problematik der Sexualität vor. Nicht als Gesellschaftskritik, sondern als Verwirklichung der vertrauten Fremde. Der Film verschließt die Augen und sieht gleichzeitig klarer denn je. Genau wie wir als Zuschauer, die zwar immer die Augen offen haben, aber zu jeder Sekunde diesen Zustand aus Realität und Traum, Wahrheit und Lüge voll und ganz auskosten. Ob wir dabei schlussendlich die Augen vor uns selbst verschließen, oder gar durch die Augen eines Fremden blicken wollen, das kann nur jeder für sich selbst beantworten. Dieses Gefühl der Wahrheit ist einfach unvergesslich und unverfälschbar, genau wie „Eyes Wide Shut“. Intellektuelles Kontrastprogramm zum Fest.
Kiss Kiss Bang Bang
Sicher nicht komplett vom Dunstschleier der tarantinoesken Reminiszenzen des (post-)modernen Standards gelöst, weiß Shane Black im Gegensatz zu den unzähligen pseudo-coolen Epigonen und den muffigen Mitläufern etwas mit der ausgelutschten Thematik anzufangen und sie nicht in den Gedanken an alte Klassenschlager abermals durch den Fleischwolf zu drehen. Was zu Anfang noch als spritzig-ungezwungener Tratsch über die Zufälle und Missgeschicke im Leben des sympathischen Kleinkriminellen Harry beginnt, konvertiert zunehmend zur nonchalanten Hommage an genau die nostalgischen Groschenromandetektive, die die heimliche Jugendliebe Harrys immer so verehrt hat. Während unser argloser Protagonist die vierte Wand in seiner ganzen Torheit durchbricht und die Distanz zwischen dem Zuschauer und dem eigenen Handeln auf beschwingte Weise auf einen Nenner bringt, wird sich auch „Kiss Kiss Bang Bang“ seiner eigenen Ägide immer deutlicher bewusst: Herrlich kurzweiliger Meta-Neo-Noir, wenn man so will. Unfassbar treffsicher in Sachen Dialog-und Situationskomik skizziert und mit zwei Hauptdarstellern bestückt (Robert Downey Jr. & Val Kilmer), die in ihrer konträren Liebenswürdigkeit einfach Laune an dem ganzen Schlamassel machen. Toller Film.
Lilja 4 ever
Plattenbau. Eine verranzte Bruchbude reiht sich an die nächste. Grau frisst Grau, die Tapeten rollen sich von den papierdünnen Wänden, das Wasser klatscht als braungefärbte Soße in das Waschbecken, die Zukunftsperspektiven liegen brach, die Herzen werden zerquetscht. Immer wenn die 16-jährige Lilja einen Funken Hoffnung schöpfen darf, erinnert sie die Welt einige Minuten später schon wieder daran, dass es in ihrem Leben einfach keine Hoffnung gibt. Das Elend der ehemaligen Sowjetunion ist ihr Schicksal und gleichzeitig das Schicksal unzähliger anderer Mädchen. Mama verzieht sich kurzerhand nach Amerika, Wolodja schluckt eine Handvoll Tabletten und Lilja wird ihrem aussichtslosen Dasein zum Fraß vorgeworfen. Auch wenn es einer abgedroschenen Phrase gleichkommt: „Lilja 4-ever“ ist einer dieser 'Schläge in die Magengrube', von denen man sich nicht so schnell erholen kann. Jeder positive Gedanke entpuppt sich als Chimäre, Liljas einzige Fügung scheint es zu sein, als Produkt im kapitalistischen Gebaren zu bestehen: Beine breit machen, ansonsten wartet nur noch der Tod. Eines Menschen unwürdig existieren oder kläglich verrecken? Willkommen in der Realität. Engel sterben einsam.
Um am Gewinnspiel teilzunehmen, beantwortet folgende Frage in einem Kommentar: Wann und warum nerven euch die Feiertage und was tut ihr dann dagegen?
Teilnahme: Zum Gewinnspiel
Autoren: Sebastian Groß & Pascal Reis
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