Eigentlich hatte Roman Polanski (Ekel) mit den Staaten abgeschlossen, eigentlich wollte er dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten und unendlichen Perspektiven doch für immer den Rücken kehren und seine Karriere ausschließlich in Europa fortsetzen: Kein Blick zurück über die kalte Schulter sollte es geben, obwohl Amerika doch eigentlich seine Zukunft bedeutete. Die memorablen Bilder der menschlichen Tragödie um das bestialische Verbrechen an seiner Frau Sharon Tate (Tanz der Vampire) und dem gemeinsamen, ungeborenen Kind, verfolgten Roman Polanski Schritt und Tritt und hetzten ihn in einen ohnmächtigen Zustand, in dem jede einzelne Träne tief verwurzelt in unbändigen Schuldgefühlen war. Jedes Blinzeln wurde zur intuitiven Rekapitulation der unwiderruflichen Vorfälle, als wäre sein Leben bis dahin nicht schon von genügend Schmerz, Kummer und Trauer gezeichnet gewesen.
Aber Amerika wollte nicht locker lassen und konnte den ambitionierten wie aufstrebenden Filmemacher mit den polnischen Wurzeln nicht von jetzt auf gleich aus seinem verheißungsvollen Schoß verabschieden. Und auch wenn viel innere Kraft gebündelt werden musste und die Überwindung, zurück in das Land seines persönlichen Horrors zurückzukehren, einen erneuten emotionalen Zusammenbruch nach sich ziehen sollte, war es nicht nur für Roman Polanski als Künstler die beste Entscheidung. Sein Chinatown lässt sich auch als intime Konfrontation mit der quälenden Vergangenheit lesen und funktioniert somit blendend als bittere Bewältigungsmaßnahme – Und das sieht man dem Film in seinem unterkühlten Frust an, denn in Roman Polanskis Brust pochte ein zerdrücktes Herz, müde von der Frage nach Gerechtigkeit und wutentbrannt aufgrund der deutlichen Antwort darauf, was menschliche, fanatische Verrohung bedeuten kann.
Der Ausgangspunkt ist inzwischen weitreichend bekannt und der ausgeführte Mord von Charles Manson anhand einer obskuren Todesliste ging in seiner irrationalen Wucht in die Geschichte ein. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Roman Polanski und sein mit dem Oscar prämierter Drehbuchautor Robert Towne genau diese individuellen Referenzen in Chinatown einbauen und einen klassischen, handwerklich natürlich hervorragenden Film Noir (re-)konstruieren, der sich eindeutig als Gleichnis auf die amoralischen Verkettungen im tobenden Los Angeles verstehen lässt. Die Stadt der Engel faucht und bebt, weil ihr die maroden Schattengestalten aus dem Sumpf der Korruption hinterrücks die Flügel abgetrennt haben. In einer Zeit, in der sich die Fugen aufgrund der wirtschaftliche Depression langsam wieder geglättet haben, herrscht die Zuchtlosigkeit und es wird Gang und Gäbe, seinen Kontrahenten hinterhältig ein Messer in den ungedeckten Rücken zu rammen, anstatt einen fairen Kampf anzuordnen.
Chinatown ist daher auch kein Film, der sich mit Idealisten und Optimisten unter seinen Anhängern auszeichnet, dafür ist die Narration und das gesamte Szenario einfach zu dreckig, durchzogen von mannigfachen Abgründen, zu konsequent und hoffnungslos in seiner alles verschlingenden Düsternis. Dabei bekommt Chinatown einen Protagonisten zugesprochen, der noch aus guten Absichten handelt, der sich zwar zum Sinnspruch gemacht hat, seine Nase aus verstrickten Angelegenheiten rauszuhalten, um sich in seinem Stuhl zurückzulehnen und eine filterlose Zigarette nach der anderen zu konsumieren, diese Leitlinie aber aus dem Fokus drängt, wenn es wirklich von Nöten ist. Jake Gittes (Gewohnt brillant: Jack Nicholson) nämlich ist ein Privatdetektiv, ein opportuner Schnüffler und leitender Kopf einer blühenden Detektei. Mit seinem neusten Fall, rundum die wohlhabende Evelyn Mulwray (Faye Dunaway), die ihrem Mann des Fremdgehens bezichtigt, rutscht Gittes langsam hinein, in die erwähnten Abgründe, die ihm schnell das Leben und die moralische Instanz nehmen könnten.
Roman Polanski porträtiert konzentriert eine Welt, in der nicht nur der gute Wille ein nutzloses Gedenken darstellt, auch die Wahrheit ist nur ein übergangenes Anhängsel schrecklicher Verbrechen. Während Los Angeles zum symbolischen Metronom des Abscheulichen wird und den Takt des Inneren, Chinatown, vorgibt, bahnt sich ein Krater durch diese Stadt, der nicht nur politische und wirtschaftliche Schandtaten abdeckt, auch die Familien zerbrechen, stürzen in die desillusionierende Leere und werden im Zweifelsfall noch mit dem unehrenhaften Tod entlohnt. Eine Welt ohne Helden, aber mit Menschen, die zu unmenschlichen Taten in der Lage sind; mit Herzen, die nicht der Liebe wegen schlagen, sondern darauf warten, endlich gebrochen zu werden. Roman Polanski hat vollkommen Recht: Wenn man einen Film über gravierende Missstände inszenieren möchte, dann muss man diese auch siegen lassen, jeder Unzufriedenheit und Enttäuschung zum Trotz.