Offenkundig irritiert vom imponierenden Kampfgeist Rockys und erschöpft von der Kondition wie der puren Willensstärke des Italian Stallion, der ihn unerwartet bis über seine Grenzen hinaus gefordert hat, verlässt Champion Apollo Creed (Carl Weathers) den Ring. Die Menge jubelt euphorisiert, doch sie jubelt nicht für den Sieger nach Punkten, sie jubelt für den Sieger der Herzen, der mit seinem grün und blau geschlagenen und mit Schweißperlen übersäten Gesicht den Namen seiner geliebten Adrian mit letzter Kraft brüllt. Es sind die letzten Sekunde von „Rocky“, in denen man Zeuge davon werden durfte, wie man einem Film und seinem Helden mit Sicherheit einen echten Legendenstatus vermachen kann. Die Rechnung ging nicht nur aus kommerzieller Sicht mit enormen Erfolg auf, auch die Kritikerfront überschwemmte John G. Avildsens Charakter- und Milieustudie mit überschwänglichen Lobeshymnen: Die Weichen für ein Sequel waren gestellt, für das Sylvester Stallone zum bis dahin zweiten Mal in seiner Karriere höchstpersönlich die Regie übernahm.
War der liebenswerte, aber alles andere als intelligente Rocky Balboa 1976 noch der aus Philadelphias Unterschicht entsprungene Gossenlumpi, der sich mit vielen kleinen Jobs irgendwie über Wasser zu halten versuchte, wird er in „Rocky II“ mit der anderen Seite des sozialen Lebens konfrontiert. Rocky steht nun das Geld zur Verfügung, welches er sonst nie hatte und durch seine öffentliche Beliebtheit soll er schon bald Werbespots sein Gesicht leihen. Aber Rocky weiß nicht, wie man richtig mit Finanzen umgeht und handelt überschnellt aus seiner typischen Naivität heraus: Schicke Uhren, ein schnelles Auto und für seine Frau wird noch ein dicker Pelzmantel angeschafft. Da er sich aber dafür entschieden hat, dem Rampenlicht, sowohl aus sportlicher, aber auch aus medialer Sicht, sicherheitshalber den Rücken zu kehren, muss er sich einen „normalen“ Beruf aussuchen, um seine bald dreiköpfige Familie irgendwie versorgen zu können. Und da sein Intellekt für eine Arbeit im Büro nicht ausreicht, müssen im Schlachthof wieder Rinderhälften geschleppt werden.
„Rocky II“ arbeitet sich im Grunde genau an den dramaturgischen Stützpfosten entlang, die sich schon „Rocky“ 3 Jahre zuvor zu eigen machte - Mit dem wichtigen Unterschied, dass er die Geschichte auf eine ganz andere Ebene verlagert und Rocky nicht mehr der Underdog ist, der aus dem Nichts kommt und durch die nötige Portion Glück die Chance bekommt, sich zu beweisen. Hier MUSS Rocky etwas tun, denn er ist nicht mehr nur für sich allein verantwortlich, sondern auch für seine Familie. Das Schema des Handlungsverlaufs lässt sich dabei immer an den Reaktionen der vom Drehbuch deutlich vernachlässigten Adrian ablesen, die Rocky erst mal aus Angst nicht erneut gegen Apollo Creed antreten lassen möchte, nach seinen Provokationen im Fernsehen und dem überstandenen Schock im Privaten ihren Mann logischerweise von der Leine lässt und in den Kampf mit dem in seinem Stolz verletzten Creed schickt. Packend ist dabei nicht der eigentliche Verlauf, der ist vorhersehbar. Es sind die verschiedenen Stadien von Drucksituationen, die Rocky gezwungen ist zu durchwandern.
Tritt Rocky an, so muss er um sein Augenlicht fürchten, tritt er nicht an, hat er einen Ruf zu verlieren und damit auch kein Hintertürchen mehr offen, welches ihm vielleicht in einer richtigen Notlage noch einmal helfen könnte. Wenn Rocky sich aber nun entscheiden sollte, gegen Creed anzutreten, dann muss er das auch gewissenhaft tun und im Training nicht nur halbherzig die Boxbirne streicheln. Wenn er sich nicht konzentriert vorbereitet, wird er, wie sein Trainer Mickey (Burgess Meredith) richtig feststellt, vor laufenden Kamera vom schwarzen Hünen totgeschlagen. Die Angst schwingt hier immer mit, und diese Angst ist eine existentielle, die im Aufeinandertreffen, der finale Herausforderung, noch tiefere Schächte in die Seele gräbt. Wie der Kampf ausgeht, ist kein großes Geheimnis, wie dynamisch Stallone diesen Fight inszeniert, ist ein brillant geschnittener Wechsel aus donnernden Dampfhammerschlägen und präziser Antizipation, die für den Profisport einzig ausschlaggebend ist. „Rocky II“ macht dem Erstling keine Schande, er vollendet ihn in seinem Pathos seriös, in dem er seinen Geist weiteratmen und lässt ein in sich geschlossenes Werk entstehen, das emotional wirkt und ebenso zu unterhalten weiß.