„When you're young, not much matters. When you find something that you care about, then that's all you got. When you go to sleep at night you dream of pussy. When you wake up it's the same thing. It's there in your face. You can't escape it. Sometimes when you're young the only place to go is inside. That's just it - fucking is what I love. Take that away from me and I really got nothing.“
Seiner Zeit wanderte die Videokassette unter den Schulbänken durch die Reihen: „Kids“, das war noch einer der Filme, denen man sich in jenen Tagen wohl oder übel stellen musste. Nicht nur, weil sich jeder über Larry Clarks skandalösen Einstand in der Filmwelt genüsslich das Maul zerriss, sondern gerade auch, weil „Kids“ noch diesen unverkennbaren Reiz des Verbotenen mit sich herumtrug, den man sich inzwischen gar nicht mehr vorstellen kann, wo man doch heutzutage ohne größere Schwierigkeit Zugriff auf jeden noch so pikanten Streifen aus aller Herrenländer gewährleistet bekommt. Dazumal aber war „Kids“ auch als eine Art Mutprobe zu verstehen und wenn man als (prä-)pubertärer Zeitgenossen irgendetwas austesten möchte, dann sind es wohl primär die eigenen Grenzen. Im Gegensatz zu den x-beliebigen Splatter-Movies, in denen es nur darum geht, mit dem roten Lebenssaft die Wände überzustreichen, besitzt „Kids“ eine schier unbegrenzte Halbwertszeit und rüttelt genauso auf, wie er es bereits vor 20 Jahren getan hat.
Dass Larry Clark seit „Kids“ vor allem in Verbindung mit einer gewissen pädo- respektive hebephilen Tendenz gebracht wird, erklärt sich dahingehend, dass man „Kids“ von Beginn an falsch verstanden hat – oder unbedingt falsch wahrnehmen wollte, weil der gesellschaftliche Abwehrreflex sich mal wieder in ganzer Kraft aufgeplustert hat. Selbstverständlich labt sich Larry Clark nicht an den Körpern seiner Darstellern, auch dann nicht, wenn – und davon gibt es natürlich einige – er die Formen der Sexualität porträtiert (dass Geschlechtsverkehr gerne mal relativ unbekleidet vonstattengeht, sollte man diesen Menschen vielleicht noch mit auf den Weg geben). Dabei geht es Larry Clark und Drehbuchautor Harmony Korine („Gummo“) weniger darum, den Sex als reinen, triebhaften Akt zu verdinglichen, sondern ihn ganz symbolisch in den hiesigen zeitlichen Kontext einzuordnen. Wenn hier zwei Menschen miteinander schlafen, dann hat das nichts mit Liebe zu tun, vielmehr steht der Sex einen in Relation mit einem überdeutlichen Hilferuf, dem sich nur niemand annehmen möchte.
Hier wird nicht „Liebe gemacht“, die Teenager um Telly (Leo Fitzpatrick), Casper (Justin Pierce) und Ruby (Rosario Dawson), hier wird ohne jeden emotionalen Bezug zueinander gefickt. Und das impliziert, dass der Sex jeden Ausdruck von Intimität eingebüßt hat – Das mag paradox klingen, aber hier schlafen die Jugendlichen miteinander, weil sie schlichtweg nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit sonst anfangen sollen. Telly liebt es, Jungfrauen „zu knacken“, hat sich dabei auch unlängst mit dem HIV-Virus infiziert, was nun auf Jenny (Chloe Sevigny) zurückfällt, die, anders als ihre Freundinnen, einzig und allein mit Telly Sex hatte und einen positiven AIDS-Test vor die Nase gesetzt bekommt. „Kids“ ist ein bedrückendes Zeitdokument und gerade aufgrund seines aufklärerischen Anliegen als Menetekel ungemein wichtig, gerade wenn man bedenkt, in welcher Zeit dieser Film entstand: Als AIDS beinahe ausschließlich als eine Art abstrakter Mythos stigmatisiert wurde. Larry Clark ergötzt sich nicht touristisch an der Orientierungslosigkeit der 1990er-Jahre-Jugendkultur, er macht in dokumentarischen Bildern auf ihre Resignation und Gleichgültigkeit aufmerksam – und man sollte ihm dabei nach wie vor Gehör verschaffen.