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Cannes 2021

von Patrick Fey

Die unglückliche Léa Seydoux

Wenige französische Filmschaffende dürften den Glamour und die Starpower einer Léa Seydoux (Blau ist eine warme Farbe) mit sich bringen. Umso niederschmetternder brach die Nachricht über das Festival ein, dass sich die junge Grande Dame des französischen Kinos trotz doppelter Impfung mit COVID-19 infiziert habe und sich während des Festivals in Paris in Quarantäne begeben müsse, was insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Seydoux mit ganzen vier Filmen (The French Dispatch, France, Story of my Wife und Deception) vertreten war, für viel Enttäuschung auf Seiten der Festivalleitung sowie der Besucher*innen gesorgt haben dürfte. Dass all ihre Filme, an denen sie beteiligt ist, mehr oder weniger enttäuschten, rundete den unglücklichen Gesamteindruck nur ab, den Léa Seydoux auch ohne physische Präsenz während dieses Festivals hinterließ.

Frankreich liebt das Kino mehr als Deutschland

Bei einem nur etwas genaueren Blick auf die französische Kinolandschaft ist es doch ein wenig schade zu sehen, wie es der Berlinale im Vergleich zu Cannes nur äußerst selten gelingt, die Liebe für das Kino über das restliche Jahr hinaus auf den regulären Kinobetrieb zu übertragen. Man vergleiche nur einmal die Veröffentlichungspolitik der Filmindustrien beider Länder und blicke auf Sebastian Schippers Victoria und Nora Fingscheidts Systemsprenger, zwei der größten Berlinale-Filme der letzten Dekade, die nur etliche Monate später im Kino anliefen, nachdem all der Berlinale-Buzz längst schon wieder verpufft war. Im Gegensatz dazu können alle Französ*innen diese Woche bereits seit Ende letzter Woche Julia Ducournaus Palm d’Or-Gewinner Titane, Leos CaraxAnnette, Paul Verhoevens Benedetta und Mia Hansen-LøveBergman Island in den regulären Kinos sehen, um nur die hochkarätigsten Titel zu nennen. Die Frage, ob man in Deutschland nicht vielleicht die wenige Aufmerksamkeit, die den Berlinale-Filmen durch die Berichterstattung zuteil wird, nicht besser als Startrampe nutzen könnte, um die kinofaulen Deutschen vemehrt in die Lichtspielhäuser zu locken, drängt sich geradezu auf.

Nach Cannes ist vor Venedig

Waren die Erwartungen an die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes zweifellos riesig, so wirft die Biennale von Venedig schon seine kaum mindergroßen Schatten voraus, von der auch Moviebreak wieder berichten wird. Nach unendlichen Verschiebungen im Zuge der COVID-19-Pandemie feiert mit Denis Villeneuves Dune, der heiß ersehnten Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Romans von Frank Herbert, ein echtes Großkaliber seine Weltpremiere bei der diesjährigen Biennale. Venedig, ohnehin ein unverhoffter Krisengewinner, fand das Festival während der Pandemie doch nicht nur als einziges der großen Fünf (Cannes, Venedig, Berlin, Sundance und Toronto) unter annähernd normalen Bedingungen statt, sondern präsentierte auch den späteren Oscar-Gewinner Nomadland in seinem Line-up, dürfte auch 2021 wieder ein großer Vorbote für die anstehende Award-Season darstellen. Neben dem genannten Dune mit Timothée Chalamet hat sich bereits Pablo Larraín mit seinem Biopic Spencer angekündigt, in dem Kristen Stewart in die Rolle Prinzessin Dianas schlüpft. Nach Larraíns wunderbar feinfühligem Jackie über die First Lady an der Seite John F. Kennedys kann dieses neue Projekt gar nicht anders, als die Erwartungen in die Höhe zu schrauben. Unter der Leitung des Jury-Präsidenten Bong Joon-ho (Parasite) wird das Festival indes von Pedro Almodóvars Parallel Mothers eröffnet. Almodóvar, der für seinen neuesten Film, der während der Pandemie entstand, abermals mit Penélope Cruz zusammenarbeitet, verbindet eine langjährige Beziehung zu Venedig, wurde dort doch bereits 1983 sein dritter Spielfilm Dark Habits gezeigt.

Ansonsten gilt Edgar Wrights Last Night in Soho als heißer Kandidat für den Wettbewerb um den Goldenen Löwen von Venedig, dessen Programm am Montag, dem 26. Juli, vorgestellt werden soll. Weitere Spekulationen ranken sich um Paul Schraders (First Reformed) The Card Counter mit Willem Dafoe und Oscar Isaac, Park Chan-Wooks (Oldboy) Decision to Leave, der seinen ersten Film seit dem hochgespriesenem The Handmaiden aus dem Jahr 2016 markiert, sowie Ruben Östlunds Triangle of Sadness mit Woody Harrelson. Und dann ist da noch Paolo Sorrentinos The Hand of God, seine netflixproduzierte Rückkehr nach Napoli, wo dessen Filmkarriere einst begann, und Jane Campions The Power of the Dog mit Kirsten Dunst und Benedict Cumberbatch, die man in Cannes aufgrund ihres Netflix-Hintergrunds nicht haben wollte. Wohl dem, der es sich erlauben kann, solche Entscheidungen zu treffen. In Jedem Fall stehen uns aufregende Wochen und Monate bevor. Und doch liegt bei all der Euphorie und der ausgestellten Normalität noch immer ein flaues Gefühl in der Luft, das sich aktuell von den täglich wieder ansteigenden COVID-19-Fällen in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den USA nährt. Hoffen wir das Beste!

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