Bildnachweis: © Erster Deutscher Fantasy Club e.V. | Buchcover "Das Phantastik-Filmjahr 2024"

"Das Phantastik-Filmjahr 2024" - Buch - Kritik

von Yuliya Mieland

Das Phantastik-Filmjahr 2024

Inhalt

Deutschlands erstes und weltweit einziges Jahrbuch zum Phantastischen Film dokumentiert nahezu umfassend die im deutschen Sprachraum neu erschienenen Filme/Dokus/Serien in mehr als 800 Einzelbesprechungen und bietet einen Überblick über Festivals, Preise, Literatur etc.

Kritik

In einem Zeitalter, in dem jeder jederzeit alles über jeden Film, jede Serie oder jedes Filmfestival googeln kann, erscheint der Wert eines Film-Almanachs zunächst fragwürdig. Vor allem, weil das Buch auf dem Cover mit „unumgänglich für Fans, Kritiker und Historiker“ angepriesen wird. Doch ist dieses Buch tatsächlich so unumgänglich, wie der Verlag es uns weismachen möchte? Nun für große Filmfans, die keine Lust auf lange Wikipedia Recherchen haben und den Wert von echten Büchern zu schätzen wissen, ist das Buch sicherlich eine Bereicherung. Für Filmkritiker eher weniger, weil sie im Zweifel einige von den vorgestellten Filmen selbst gesehen haben und sich ihre eigene Meinung darüber gebildet haben. Der Vorteil des Buchs ist natürlich, dass alle Informationen schon vorsortiert und kompakt in einer gedruckten Ausgabe aufgearbeitet wurden. Der Autor stellt chronologisch die Filme und Serien vor, in dem er die Inhaltsangabe und eine Kurzkritik zu dem jeweiligen Film oder Serie abliefert.

Im Grunde ist es eine reine Fleißarbeit und könnte in dieser Form von jedem Filmkritiker mit einem enormen Filmverschleiß genauso effektiv veröffentlicht werden. Man müsste nur die eigenen Kritiken alphabetisch sortieren und Inhalt und Kurzkritik daraus kopieren. Schon hätte man seine Kernaufgabe erledigt. Das setzt natürlich voraus, dass der besagte Filmkritiker mehr als 800 Filme pro Jahr gesehen hat, aber auch das würden manche Filmkritiker definitiv schaffen. Vor allem, weil so ein Film-Almanach offensichtlich weder ein Vorwort noch ein Nachwort für nötig hält. Man wird mit diesem Buch sofort ins kalte Wasser geworfen und statt eines Vorwortes gibt es The Curse of Frankenstein Die Filmszene 2024 und das Buch startet mit folgenden Worten: „Yorgos Lanthimos völlig unerwarteter Poor Things, überhäuft mit vier Oscars ist nicht der übliche Frankenstein-Thriller…“

Vermutlich hält Peter M. Gaschler es nicht mehr für nötig zu erklären, worum es in seinem Buch geht und das liegt wahrscheinlich daran, dass das Phantastik-Filmjahr bereits seit dem Jahr 2003 erscheint. Die neuen Leser, die allerdings noch nie etwas davon gehört haben, fragen sich bestimmt, ob sie etwas verpasst haben, weil der Start so ungelenk erscheint. Dabei ist der erste Eindruck, der beim Leser entsteht, enorm wichtig für den Erfolg des Buches, doch schon zu Beginn des Buchs werden einfach die Filme aneinandergereiht und lediglich mit ein paar wertenden Worten versehen. Es soll wohl so eine Art Vorschau auf die Filme und Serien im Jahre 2024 und 2025 sein. Danach folgen Filme und Serien aus dem Jahre 2023 von A bis Z mit Inhaltsangabe und Kurzkritik. Es werden auch die Filmfestivals vorgestellt und die Gewinner aufgezählt, verstorbene Filmschaffende geehrt und abschließend Neuerscheinungen in der deutschen und internationalen Filmliteratur zelebriert. Das war es auch schon. Es gibt kein Nachwort und nichts, was den Lesern den Autor näherbringt. Nur eine lieblose Zusammensetzung seiner ganzen Bücher und Filmrezensionen, die selbstverständlich mit Jahreszahlen versehen sind. Es ist schließlich enorm wichtig, dass man weiß, welche Rezension bei welcher Zeitschrift Peter M. Gaschler, wann genau veröffentlicht hat. Unpersönlich, aber äußerst genau. Wer auch immer für die Inhaltsangabe und die Gestaltung des Buches verantwortlich ist, sollte aufhören auf Autopilot zu laufen. Nur, weil die Buchreihe seit 2003 läuft, heißt es nicht, dass man nichts daran ändern sollte, vor allem, wenn es im Zeitalter des Internets große Konkurrenz gibt.

Auch inhaltlich gibt es ein paar Schwächen, die man nur erkennt, wenn man selbst ein riesengroßer Filmfan ist. Wie kann man nur damit werben, dass das Buch „nahezu umfassend die im deutschen Sprachraum neu erschienenen Filme/Dokus/Serien dokumentiert“ und solche Filme, wie Oppenheimer vollkommen links liegen lassen? Dieser Film hat gemeinsam mit Barbie den Filmsommer 2023 bestimmt und war aus den Medien überhaupt nicht mehr wegzudenken. Cillian Murphy erhielt dafür völlig zu Recht einen Oscar und trotzdem war es kein Grund für den Autor eine kleine Kurzkritik dazu zu verfassen. Dafür ist die Rezension von Cocain Shark drin. Ernsthaft? Sicherlich lässt es sich über Cocain Shark gut lästern, aber so zu tun, als wäre Oppenheimer so unbedeutend gewesen, dass er es nicht in das Buch geschafft hat, ist definitiv enttäuschend. Was ist mit Tár ? Auch dieser Film wurde mit vielen Preisen und Nominierungen überhäuft. Und erscheint er in diesem Buch? Nein! Was ist mit Die Fabelmans? Wenn Steven Spielberg einen Film dreht, der auf seinem Leben basiert, muss man ihn nicht gut finden, aber er gehört definitiv zum Filmjahr 2023 dazu. Was ist mit Napoleon, der allein schon wegen Joaquin Phoenix große Aufmerksamkeit auf sich zog? Fehlanzeige!

Will der Autor sich in seinem Werk tatsächlich nur auf „phantastische Filme“ beschränken und lässt Geschichten mit wahrem Kern außen vor? Sicherlich nicht, denn sonst hätten es die Arte-Dokus über Eddie Murphy und Keanu Reeves nicht in das Buch geschafft. Man sucht hier auch John Wick 4, Creed 3, Killers of the Flower Moon oder Equalizer 3 völlig vergebens. Der Autor hat wohl auch keine Gefühle für Jennifer Lawrence mit ihren No Hard Feelings und auch kein Herz für die erneute Fortsetzung von The Fast & The Furious. Auch das optisch recht spektakuläre Babylon - Rausch der Ekstase ist leider unter dem Radar verschwunden, obwohl der Film allein wegen seiner prominenten Darsteller wie Brad Pitt und Margot Robbie für viel Gesprächsstoff sorgte. Kann man eigentlich noch von „nahezu umfassenden Dokumentierung“ sprechen, wenn man die Filme, die das mediale Jahr 2023 beherrscht haben erst gar nicht bespricht? Das waren übrigens längst nicht alle Filme, die es nicht in das Buch geschafft haben. Es lässt sich über die Wichtigkeit der Filme streiten, aber jedem Filmfan wird sofort auffallen, welche Filme fehlen und er wird sich fragen, warum die eine oder andere Neuveröffentlichung der Besprechung wert war, aber solche Filme wie Oppenheimer eben nicht. Darum eignet sich das Buch eher für Filmfans, die sporadisch ins Kino gehen. Diesen Fans wird das Fehlen der für das Filmjahr bedeutsamen Filme nicht auffallen.

Fazit

Ein höchst informatives und wirklich umfangreiches Buch über Filme, Serien und Neuerscheinungen des Jahres 2023. „Das Phantastik-Filmjahr 2024“ ist durchaus lesenswert, aber weit davon entfernt „nahezu umfassend“ zu sein, weil er wichtige Filme des Jahres außen vor lässt.

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