Bildnachweis: © Sony Pictures

Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2024

von Sebastian Stumbek

MEINE TOP 10 FILME 2024[sortiert]

1. Seed of the Sacred Fig
Familien-Parabel über Fundamentalismus 

2. Love Lies Bleeding
Murder, muscles and mullets

3. I Saw the TV Glow
Serielles Seelenfenster 

4. Daughters 
Hoffnungsschimmer im gesellschaftlichen Gefängnis 

5. New Dawn Fades
Panorama einer pathologisierte Perspektive 

6. Des Teufels Bad 
Kindermord aus Kirchenmoral

7. Sugarcane
Verscharrte Verbrechen

8. Power
The left newspapers might whine a bit/ 
But the guys at the station, they don't give a shit/ Dispatch call: "Are you doin wicked?"/ "No siree, Jack, we're just givin' tickets!"

9. Wild Diamond
Körperkapital im klassistischen Käfig

10. Anora 
Wunschtraum mit herbem Erwachen 

MEINE 5 ENTTÄUSCHENDSTEN FILME 2024: [sortiert]

1. Nosferatu
Wie oft war dieser Film auf meiner Most Wanted Liste des Moviebreak-Jahresrückblicks? Und dann das. Greller Gore statt subtiler Schauer, Knallchargieren, Altherren-Sexphantasien, Biedermeier-Moralismus (ausgerechnet, obwohl ihn Murnaus Original so geschickt unterminierte) und Willem Dafoe sagt "Meine Herren!". 

2. The Substance
Ein ähnlicher Fall wie The Last Showgirl. Demi Moore und Margaret Qualley sind exzellent als zwei Seiten einer unter dem Druck eines sexistischen Business entzweibrechenden Schauspielerin. Doch Coralie Fargeats Horror-Satire bestätigt die chauvinistische Heuchelei und destruktive Doppelmoral(in), die sie verurteilen sollte. 

3. Queer
Es gibt gute Gründe, dass William Burroughs gleichnamige Novelle jahrzehntelang keinen Verlag fand, nie adaptiert wurde und bis heute vergleichsweise obskur blieb. Luca Guadagnino ignorierte sie alle. Solch inspirierte Irrationalität kann Meisterwerke schaffen - oder pseudo-philosophische Platitüden wie dieses Herzensprojekt. Das wirkt über lange Strecken wie die heimliche Wichsvorlage (siehe auch Challengers im weiteren Text) eines unreifen Typen, der gerade sein inneres Coming out hat. Womöglich war das Buch das seinerzeit für den Regisseur. Macht den Film (und die Vorlage) leider nicht besser. 

4. The Last Showgirl 
Pamela Anderson lebt regelrecht in der Rolle einer gealterten Revue-Darstellerin, der das Aus ihrer Showtruppe den letzten Rest eines gescheiterten Traums nimmt. Großartiges Schauspiel von ihr, Brenda Song und Jamie Lee Curtis trägt Gia Coppolas distanziertes Drama, das nicht schlecht ist, aber so viel mehr hätte sein können. 

5. verlinkter Filmtitel
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MEINE 10 MOST WANTED FILME 2025: [unsortiert]

The People Under the Stairs
The Monkey 
The Bride 
Mickey 17
Him
The Running Man
Bugonia
Wolf Man
Life After
Snow White

MEIN SERIENJAHR 2024:
Wie erwartet war Serien gucken auch dieses Jahr kein prominenter Punkt auf meiner Tod-Do-Liste. Dabei möchte ich immer wieder betonend, dass ich echt nichts gegen Serien habe. Mir fehlt einfach der Elan, dranzubleiben, die Neugier, die Zeit und Muße ...Zudem bin ich in dem Alter, wo man jede freie Minute mit Schlaf füllt. Somit habe ich nur zwei Serien überhaupt gesehen, beide im Akkord in Venedig. Disclaimer ist einfach der übliche pseudo-feministische, verkappt misogyne Mist. Aber solide inszeniert, gut gespielt, spannungsfrei aber ausreichende abwesecluchngsreich für die überschaubaren sieben Folgen. Und dann war da M. - Son of the Century. Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt, auf dem 

BESONDERE ERWÄHNUNGEN:

Queer Representation: The Good, the Bad and the WTF!?

Good: I Saw the TV Glow - Vielschichtige Parabel für systemische, soziale und selbstverleugnende Unterdrückung, voller Neon-Akzente und bittersüßer Nostalgie. 

All Shall Be Well - Gleichsam bedrückender und berührender Blick auf Japans ältere Generation und die gesetzlichen Gefälle, die sich für queere Menschen durch den Tod der*des Partner*in unvermittelt auftun. 

Love Lies Bleeding - Surreal, sradonisch, spannend und stylish: Rose Glass' schillernde Crime Romance liefert mit ihren komplexen, kantigen (Anti-)Heldinnen eine lebensnahe Repräsentation, die auf der Leinwand immer noch viel zu selten zu sehen ist. Letztes liegt zum einen daran, dass unverändert straighte Perspektiven  - sowohl filmschöpferisch als auch kommerziell - die filmische Darstellung von lgbtqia+ Figuren bestimmen. Die mörderische Love Story führt exemplarisch vor, wie essenziell die Mitwirkung queerer Künstler*innen ist und das sie einem Mainstream-Erfolg nicht im Wege steht. 

Lobende Erwähnung: Wicked - Brachte die bigotten "Familienwerte"Fanatikerinnen  von One Millionen Moms auf die Palme mit "cross dressing", "men crushing on men", "pushing wokeness" und ... Zauberei und Hexerei. Offenbar fürchtet die hassverbreitende Organisation, dass ein harmloses Fantasy-Musical aus christlichen Kids gottlos gekleidete, sich sexuell frei entfaltende Satanisten macht. Das muss gewürdigt werden. 

Noch eine lobende Erwähnung: Gender Reveal - Dass Mo Mattons Kurz-Komödie dem Horror-Genre angehört, verrät schon der Name. Wenige Dinge sind verstörender als das sich in Stereotypisierung suhlende öffentliche Verkünden der eigenen Allianz mit einem reduktiven Gender-Konzept. Falls jemand glaubt, die spaßige Splatter-Orgie sei etwas übertrieben, derartige Veranstaltungen haben Gewässer verseucht, Autos in Brand gesteckt, Wälder abgefackelt, Menschen mit "versehentlich" gebauten Rohrbomben getötet, noch mehr Menschen mit Flugzeugabstürzen getötet und jemand hat es geschafft, sich mit einer antiquarischen Kanone in die Luft zu jagen. Wenn überhaupt ist das filmische Szenario untertrieben. 

Bad: Motel Destino - Der Antagonist in Karim Aïnouz' neon-beleuchteten Erotik-Thrillers ist ein typisches Beispiel des Tropes des "perversen Bisexuellen", dessen queere Begierde die Hetero-Liaison (und die Leben) des Protagonisten-Paares bedroht. Bei mindestens drei weiteren queeren Schurkenfiguren fällt es schwer, das nicht als Absicht auszulegen. 

Worse: Drive-Away Dolls - Tricia Cookes Erklärung für dieses peinliche straighte Surrogat, das sich statt authentischer queerer Filme in den Kinos breitmachte, war, dass sie "schon immer mal einen queeren Film drehen" wollte. Dieser Satz sagt eigentlich schon alles über Exotisierung, Appropriation, Straightification und das Ausspielen der straightern Privilegien. 

Worst: Emilia Perez - Über Jacques Audiards Mob-Musical, das so ziemlich jedes Negativ-Klischee über trans Menschen zementierte - selbst die bis vor Kurzem im seit dem 1. November endlich abgeschafften Transsexuellengesetzt verbreitete Unterstellung, trans Menschen würden sich mit einer Transition einer kriminellen Vergangenheit entziehen wollen - kann man fast das gleiche sagen. Straighte Storys straighter Filmschaffender, die mittels der Besetzung vereinzelter queerer Menschen ihre straighte Perspektive amplifizieren, sind eine kümmerliche Entschuldigung für die Unterrepräsentation authentischer queerer Stimmen. 

WTF: Challengers -  Geht sonst noch wem auf die Nerven, dass so ziemlich jeder von Luca Guadgninos Filmen (außgenommen Suspiria,  nicht zuletzt deshalb sein bester) wie eine Wichsvorlage rüberkommt? I mean, es gibt Rankings der "geilsten Food-Szenen" in seinem Sportdrama! Ein Moviebreak-Kollege berichtete, dass sogar ein ultra-christlich-straighter Kinogast aus einer Bubble die Metaphorik der Churro-Szene verstand. Wenn das kein Indiz dafür it, dass man von "zweideutig" zu "Holzhammer" übrgegangenen ist, was dann? Egal wie viele Rezepte für "slutty brownies" und "sinful gooey caramel slices" Instagram verstopfen, Essen ist nicht sexy. Und diese Kombination von Prüderie und plakativer Porno-Perspektive verdammt weird. 

The Colors Within - Naoko Yamadas sensible Selbstfindungs-Story hatte alles Potenzial, hier in der "Good"-Kategorie zu landen. Die Fantasy-Elemente der Geschichte einer jungen christlichen Internatsschülerin, die fasnziniert ist von der Farb-Aura einer Schulkameradin, sind eine universell zugängliche, kreative Metapher für schwer zu artikulierende Gefühle.  Doch Adaption des gleichnamigen Mangas macht nichts aus diesem Motiv und ignoriert schlicht den Crush ihrer jugendlichen Protagonistin für deren Mitschülerin. Ob die Schwärmerei romantisch, queer-platonisch oder erotisch ist, wird ebenso wenig ausgearbeitet wie der in der unvermeidliche Konflikt mit dem christlichen Klerikalismus der Hauptfigur. Das ist nicht Zurückhaltung, das sind Feigheit und Verklemmtheit. 

Die Inside Out 2 Kontroverse - Habt ihr gemerkt wie ultra gay Inside Out 2 war? Nein? Ich auch nicht. Das war anscheinend harte Arbeit, denn Disney gab dem Animationsteam der hochgelobten Fortsetzung angeblich gezielte Anweisungen, Hauptfigur Riley "less gay"  zu machen. Dabei wurde laut der Mitarbeitenden jede Menge Extra-Arbeit darin investiert, eine romantische Interpretation Rileys Bewunderung für ihre ältere Mitschülerin Val um jeden Preis auszuschließen. Die winzigen Fortschritte, die Disney in den letzten Jahren in Sachen Repräsentation gemacht zu haben schien, wirken vor diesem Hintergrund wie wohlkalkulierte Augenwischerei. 

FAZIT: [schreibt was mmer ihr wollt]
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