Bildnachweis: © Pidax | Werbemotiv zu "J. Robert Oppenheimer - Atomphysiker"

Der Vater der Atombombe – Kritik zur Miniserie „J. Robert Oppenheimer - Atomphysiker“

von Andy Mieland

Inhalt

J. Robert Oppenheimer ist im Zweiten Weltkrieg Leiter des Waffenlabors des Manhattan-Projekts. Gleichzeitig ist er wegen seiner linken Einstellung und seiner Verbindung zu Kommunisten unter ständiger Überwachung der US-Regierung durch das FBI. Oppenheimer spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der ersten Atomwaffen der Welt. Später muss er sich einer Anhörung der US-Atomenergiekommission stellen …

Kritik

Im Sommer 2023 lieferten sich Barbie und Oppenheimer einen großen Wettstreit um die Gunst des Kinopublikums und sorgten für klingelnde Kinokassen. Während man von Barbie einen kommerziellen Erfolg erwarten konnte, war Oppenheimer kein hundertprozentiger Erfolgsgarant, weil es sich hier trotz des Staraufgebots, um ein Biopic mit einer nicht allzu massentauglichen Thematik handelt. Doch Christopher Nolan (Tenet) schaffte es aus der drögen wissenschaftlichen Materie einen Blockbuster zu zaubern, der trotz der Länge von 180 Minuten das Interesse vieler Zuschauer hielt. Neben dem großartigen von Cillian Murphy (28 Days Later) angeführten Cast, sorgte auch die Mischung der Zeitebenen für Spannung, die zum Ende hin durch das tribunalsähnliche Anhörungsverfahren für die Sicherheitsfreigabe noch einmal ordentlich gesteigert wurde. Man konnte regelrecht erstaunt sein, wie ein solches wissenschaftliches Biopic mit Anleihen des Gerichtsdramas zu fesseln vermochte. Doch Nolan war nicht der erste, der sich dieser Thematik annahm, denn bereits im Jahre 1980 widmete sich die BBC der Biografie von J. Robert Oppenheimer und inszenierte eine 7-teilige Miniserie über den Vater der Atombombe. Im Zuge des Erfolgs von Nolans Oppenheimer ist die Miniserie nun nochmals für den Heimkinomarkt veröffentlicht worden.

Die von Barry Davis nach einem Drehbuch von Peter Prince (Waterland) gedrehte Serie war seinerzeit zwar nicht ganz so erfolgreich, konnte aber bei sieben Nominierungen immerhin drei BAFTA-Awards (u.a. als beste Serie) einheimsen und war zugleich für zwei Emmys und einen Golden Globe (Bester Hauptdarsteller) nominiert. Qualitativ ist die Serie auf einem hohen Niveau, sowohl bei den Darstellern als auch der Ausstattung. Man hat es nicht nur mit einer reinen Studioproduktion zu tun, sondern mit Sets, die den Originalschauplätzen ähneln. Was fehlt sind natürlich die großen Effekte und Explosionen, die sicherlich das Budget weit gesprengt hätten. Doch dieses Problem löst man geschickt dadurch, dass die Protagonisten oder der Off-Erzähler (John Carson, Wie schmeckt das Blut von Dracula) hierüber berichten. Überhaupt ist der Off-Erzähler in jeder Folge stets präsent und leitet von Folge zu Folge über, was auch den Einstieg in jede Folge erleichtert. J. Robert Oppenheimer - Atomphysiker ist nämlich keine Serie, die sich zwingend zum Bindgewatching eignet, denn dafür ist sie zu theoretisch und oft zu wissenschaftlich. Was Nolan in gut drei Stunden erzählte, wird in der Miniserie auf rund sieben Stunden verteilt und dabei setzt die Serie sogar erst später ein, und zwar als Oppenheimer (Sam Waterston, Unternehmen Capricorn) an seinem Lehrstuhl in Berkeley schon mit ersten Forschungen zur Atombombe Mitte der 30er begonnen hat.

Wie Nolans Film arbeitet sich die Serie an den historischen Fakten ab, wart aber die Chronologie in der Erzählung und setzt je Folge einen Schwerpunkt. Zu Beginn liegt dieser im Privatleben Oppenheimers und seiner Beziehung zur kommunistischen Partei, wandelt sich dann in die wissenschaftliche Theorie der Atombombe und beleuchtet das Manhattan-Projekt vom Aufbau bis zum erfolgreichen Abschluss, um sich zum Schluss dem Anhörungsverfahren zu seiner Sicherheitsfreigabe zu widmen. In aller Ausführlichkeit befasst sich die Serie mit allen Aspekten der Biografie Oppenheimers und nimmt sich auch die Zeit die anderen Beteiligten am Manhattan-Projekt näher vorzustellen, insbesondere in den Folgen, in denen es um den Bau der Bombe geht. Doch oft wirkt die Serie hierdurch etwas langatmig und gerade die ausführlichen wissenschaftlichen Diskussionen und Erläuterungen haben etwas von einer Physikvorlesung und sind allenfalls für Interessierte faszinierend. Hier verliert man schnell den Faden. Glücklicherweise sind die Folgen abwechslungsreich gestaltet und auch in der Miniserie stellt das Anhörungsverfahren noch einmal einen Höhepunkt dar, auch wenn es nicht so eindringlich ist, wie bei Nolan. Dennoch muss sich die Serie nicht zu sehr hinter dem Film verstecken, denn zum einen hat man ebenfalls ein gutes Ensemble zusammengestellt, aus dem zwar kein Darsteller besonders hervorsticht, das aber gut harmoniert und zum anderen liegen die starken Momente der Serie in den Folgen, die die moralischen Aspekte um den Bau und den Einsatz der Atombombe und die stetige Überwachung und Kontrolle Oppenheimers durch die Geheimdienste behandeln und zeigen. Für eine Fernsehproduktion der frühen 80er Jahre ist die Serie in jedem Fall eine beachtliche Leistung.

Technischer Part

Pidax veröffentlichte die Miniserie J. Robert Oppenheimer - Atomphysiker am 8. August 2024 in restaurierter, altersangemessener Bild- und Tonfassung in Deutsch und Englisch (jeweils in Dolby Digital 2.0) auf DVD. Als Bonus ist lediglich ein Trailer enthalten.

Fazit

Wer bereits mit Christopher Nolans „Oppenheimer“ seine Schwierigkeiten hatte, sollte einen Bogen um die Miniserie „J. Robert Oppenheimer – Atomphysiker“ machen, denn die Serie geht noch weiter ins Detail und ist noch theoretischer und trockener und belohnt am Ende auch nicht mit großen Effekten. Wenn man aber tiefer in die Geschichte eintauchen möchte und sich von sehr wissenschaftlichen Darstellungen nicht abschrecken lässt, der kann hier getrost zugreifen und wird mit einem reichhaltigen Biopic mit guten Darstellern belohnt.

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