Bildnachweis: Wild Bunch

Die Regiearbeit von Nicolas Winding Refn

von Thomas Repenning

Nach Drive ist Nicolas Winding Refn ein weiterer großartiger Film geglückt: Only God Forgives wirft einen Blick auf das Drogenmillieu im tiefen Ghettos Bangkoks, wo Muay Thai-Kämpfe als Kokain-Schwarzmarkt genutzt- und Prostituierte wahllos dahin geschlachtet werden. Vithaya Pansringarm, als Lt. Chang, richtet über die Sünden in seinem Bezirk, entscheidet über Recht und Unrecht, geht auf einen Obssesions- und Rachefeldzug, und stellt somit einen postmodernen Gott dar. Gosling spielt fabelhaft erneut seine One-Man-Show, jedoch ist diese Darstellung natürlich nicht zu vergleichen, wie die seine in Drive. Dennoch beginnt er auch aus persönlichen Gründen eine Jagd auf Chang, und somit breitet sich das Feuer zwischen den beiden Rivalen immer weiter aus. Dennoch bleibt Only God Forgives Refns größtes öffentliches Problemkind: Zu gewaltverherrlichend, zu handlungsarm und zu unmoralisch, wurde er benannt. Die Figuren würden zu sadistisch handeln, besonders Chang, jedoch stellt dieser keinen Sadist, sondern vielmehr einen Justiziar da. Er zieht nämlich keinen Lustgewinn aus seinem Handeln, sondern sieht sich eher als Richter und Henker. Das Werk sollte man somit auch nicht auf seine Brutalität reduzieren, Refn schafft hier etwas gewaltiges, nämlich den Grad zwischen Abstraktion und Film; jede Szene hat Beudetung, wie in einem Gemälde jeder Pinselstrich eine hat. Replik-Kino? Klar, aber mit einem viel tieferen Hintergrund. Ich bin froh einen Zugang zu diesem Meisterwerk gefunden zu haben.

Eine Interpretation im Kurzformat, doch auf einige Punkte wie auf die Justiz- und Sadismusfrage von Chang, die Abstraktion und Ästhetik, welche in jeder einzelnen Szene steckt; die Spannung durch subtile Stereotypen und die Gewalt(-verherrlichung), muss noch eingegangen werden. Zu allererst sollte gesagt werden, dass wer Drive mochte, Only God Forgives (möglicherweise) meiden sollte- wo Drive noch mit Stilistik arbeitet und eine bittersüße Geschichte erzählt, behält Only God Forgives nur wenige Muster bei und zieht rasant an jenem Stil vorbei. Weiterhin: Die Kunst beginnt schon im Prolog mit einer rotgetauchten Schrift, die thailändische Font und das metaphorische Schwert. Der Streifen setzt sich teils chronologisch- teils unchronolgisch zusammen, doch jede Szene hat ein Bedeutung und ein großes Ausrufezeichen: Blut sammelt sich in Goslings Händen- ohne Grund. Chang singt Karaoke - ohne Grund. Ein Whiskeyglas zersplittert- ohne Grund. Eine Frau masturbiert- ohne Grund. Ohne Grund? Nein, jede Figur in Refns Machwerk fixiert eine monoperspektivistische Ebene und anstatt nach dem Tod des Bruders (ein Schlüsselpunkt der Handlung) unentschlossen auf die Knie zu gehen und die Theodoziee-Frage anzuprangern, versuchen die Figuren nur eines: Gott zu spielen. Dieses »Spiel« zeigt sich in einem Akt der Gewalt, der angeführt wird durch Lt. Chang und die Mutter Crystal.

Crystal spricht fast ausschließlich im Imperativ, befehligt schon am Anfang ihres Erscheinens in der Hotel-Lobby und übt einen (fast schon) hierarchischen Einfluss auf ihren Sohn aus. Doch ist sie dadurch ein Gottesgleiches Leitmotiv des Films? Nein. Chang ist Gott, ohne Frage. Er richtet, wie schon erwähnt, über die Vergehen der Bürger und bestraft die Sünder, oder die jenigen die zu sündigen versuchen. Seine Ausübung der Gewalt ist abhängig von der Sünde: Mal ist es nur ein schneller Stich, mal ist es eine lange grausame Folter. Zudem stehen in jeder Szene Polizisten hinter ihm, die engelsgleich wirken und ihren Allmächtigen zu schützen versuchen. 

Nicolas Winding Refn lässt sich erneut viel Zeit, genau wie bei Drive oder Valhalla Rising. Ein entschleunigtes Werk, welches durch seine Langsamkeit, die Abstraktion und Ästhetik offenbart: Die endlosen Kameraschwenks durch lange Flure und die Farbenfrohheit inmitten eines dreckigen Bangkoks, ist gewiss kein Zufall. Only God Forgives ist ein postmodernes Gemälde, ein expressionistisches Werk, das durch seine Detailfreudigkeit lebt. Die Gewalt bzw die Botschaft des Films, geht sogar in jene Virtualität über, denn egal ob Boxkampf, Gasse oder Nachtclub; die Farbe Rot überschwemmt jegliches Szenario.

Zum Schluss werden Juliens Hände abgehackt, jedoch nicht zwanghaft sondern aus freiem Wille. Warum? Julien, also Ryan Gosling, streckt Lt. Chang seine Hände entgegen weil er ihn als Gott um Vergebung bittet und auf Erlösung hofft. Chang erfüllt ihm diese Bitte und schlägt sie ihm ab, denn: Only God Forgives.


Nur für den Fall der Fälle, dass ihr das eben Gelesende gemocht habt:

[●REC] 

Vincent Gorez Filmkritk

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