Einleitung:
Frederico Fellini zählt nicht nur zu den bekanntesten Vertretern des italienischen Neorealismus, sondern auch zu jenen Regisseuren, deren Schaffen noch bis heute unheimlich einflussreich erscheint. Am 14. Februar dieses Jahres brachte Studiocanal eine Edition heraus, in der sie eine Auswahl von neun Filmen dieser über zwanzig Filme umfassenden Filmographie trafen. Wir haben uns die Edition einmal genauer angesehen:
Kritik:
1. Die Müßiggänger (1953)
Die Müßiggänger ist ein persönliches Werk, in dem Fellini die Stimmung seiner eigenen Jugendjahre einfängt: Beschrieben wird ein Zustand der absoluten Lethargie, der von Angst vor Verantwortung, vor dem Dasein als Erwachsener und der Zeit selbst geprägt ist. Der Film erweist sich als taktvoll, zurückhaltend und liebevoll ironisch. Diesem Typus von Jugendlichen wird ein Denkmal gesetzt, das nach Zwischentönen sucht.
2. Das Lied der Straße (1954)
Fellinis oscarprämiertes Werk ist auch heute noch ein eindrucksvolles Erlebnis des europäischen Autorenfilms. Manches mag leicht antiquiert wirken, egal, denn die hervorragenden Darsteller, die tollen Bilder und besonders die bedrückende, niederschmetternde Konsequenz der Geschichte sind zeitlos.
3. Die Schwindler (1955)
Die Schwindler spielt immer wieder mit der Unwissenheit des Zuschauers, indem man besonders zu Beginn einer Szene nicht einordnen kann, ob die drei Ganoven wieder zuschlagen oder nicht. Gerade zum Abschluss des Filmes erscheint dieses Spiel reizvoll, da der Zuschauer selbst in einer Ambivalenz gefangen ist: Entweder glaubt er an das Gute in Augusto und vertraut auf seine Worte, oder er verurteilt ihn, so wie es seine Komparsen tun. Dann - und das zeigt der Film konsequenterweise - kann es keinen Ausweg aus der Misere geben, dann wird die Gesellschaft zur Unmöglichkeit und anstatt einer Resozialisierung bleibt man einsam und verlassen zurück.
4. Das süße Leben (1960)
Das süße Leben ist ein zeitloser Klassiker, dessen zentrale Themen und Motive die Jahrzehnte überdauern und existenzielle Gefühle ansprechen, mit denen sich jeder Mensch identifizieren kann. Das Porträt einer maßlosen, feierwütigen Schickeria des Roms der 50er Jahre entwickelt sich nach und nach zu einem bitteren Blick hinter die Kulissen, wo sich tiefschürfende Leere, abgestumpfte Oberflächlichkeit und zerplatzte Lebensträume neben glamourösen Partys, gutaussehenden Menschen und belanglosen Gesprächen offenbaren. Ein Meisterwerk.
5. Achteinhalb (1963)
Ein Füllhorn an Motiven, eine selbsttherapeutische Versuchsanordnung, ein wegweisender Arthaus-Primus. Zwischen Fiktion und Realität angesiedelt, begibt sich Federico Fellini in sein tiefstes Inneres und berichtet im Zuge einer Meta-Psychografie davon, wie sein Leben von Erwartungshaltung und Leistungsdruck aus der Spur gekommen ist. Herausgekommen ist dabei einer der wohl größten Klassiker des Weltkinos, dessen Klasse sich daraus speist, bei aller Verzweiflung niemals zu vergessen, das Leben zu lieben.
6. Fellinis Satyricon (1969)
Mit Satyricon ist Frederico Fellini ein Meisterwerk geglückt: Der Film macht alles richtig, wenn er sich dem antiken Rom nicht unmittelbar, sondern in einer Traumvision annähert und gleichzeitig noch Parallelen zur modernen Gesellschaft zieht, womit er nicht nur die Antike als ihre Keimzelle, sondern auch seine Aufgabe als Historienfilm begreift.
7. Fellinis Roma (1972)
Roma ist ein subjektives Porträt Roms, in dem Fellini seine eigenen Erfahrungen und Eindrücke ab den späten 30er-Jahren einfängt und dabei hin und hergerissen ist zwischen der Schönheit dieser Stadt und den negativen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vor dem Hintergrund des Faschismus. Dabei verzichtet er auf eine kohärente Handlung und fügt Alltagsszenen aneinander, was über weite Strecken einen anregenden Reiz mit sich bringt, oftmals aber auch unzugänglich bleibt. In letzter Konsequenz ist es eben doch nicht möglich, das zu fühlen, was der Regisseur damals gefühlt haben muss. Dennoch ein persönliches und vor allem beachtliches Werk.
8. Fellinis Casanova (1976)
Mit Fellinis Casanova ist dem Ausnahmeregisseur ein weiteres Meisterwerk geglückt: Der Film zeichnet seinen Protagonisten als ebenso leidend wie schuldig, als ebenso tragisch wie komisch und letztlich auch als ebenso unwissend wie wollend. Gelungen ist eine Abrechnung mit der Dekadenz der Gesellschaft und dem maskulinistischen Verständnis von Sexualität.
9. Fellinis Stadt der Frauen (1980)
Stadt der Frauen fühlt sich weitgehend wie ein Männeralptraum an, bei dem der männliche Blick auf das andere Geschlecht während eines surrealen Trips persifliert wird. Auf der anderen Seite nimmt Fellini den feministischen Aktivismus ernst, nicht ohne auch einen humoristisch-kritischen Blick auf blinden Männerhass zu werfen. Der Film ist weitblickend, exzellent inszeniert und darf sich ohne Weiteres als Meisterwerk bezeichnen lassen.
Technischer Part
Fazit
Die Frederico Fellini Edition ist ohne Vorbehalt zu empfehlen: Die Auswahl der technisch überzeugend vorgebrachten Filme ist herausragend (allesamt mindestens sehenswert), die Box sieht schick im Regal aus und alleine das Booklet, das der einzige große Bonus der Edition ist, bietet interessante Eindrücke in das Schaffen des Ausnahmeregisseurs.