Serien die auf Serien basieren liegen aktuell ziemlich im Trend. Und warum auch nicht, was bereits einmal funktioniert hat, kann ja vielleicht auch noch einmal für ein anderes Publikum (zumeist die USA) funktionieren. So wunderbar geschehen bei The Office, immerhin lief die Serie von NBC neun Staffeln lang (2005-2013). Doch meist bleibt eine gewisse Skepsis und sogar ein fader Beigeschmack. Denn Qualitativ können die Remake-Serien nicht immer ganz an ihre großen Vorbilder anknüpfen (siehe zuletzt The Returned). Im Falle von Getting On, von den Machern der hochgelobten HBO-Serie Big Love, war es aber genau die richtige Wahl für den Sender. Denn HBO hat mit seinem Kauf tatsächlich alles richtig gemacht und zudem mit der dreifachen Emmy-Gewinnerin Laurie Metcalf, Alex Borstein, Niecy Nash und Mel Rodriguez ein grandioses Team ins Boot geholt. Und auch die Autoren Mark V. Olsen und Will Scheffer haben einen fabelhaften Job dabei geleistet, das Format auf die USA zu übertragen. Und dies war keine Selbstverständlichkeit: Unterscheiden sich doch das britische und das amerikanische Gesundheitssystem vollkommen. Aber es gibt Ähnlichkeiten: Eine lähmende allgegenwärtige Bürokratie, ein auf Gewinn ausgelegtes Gesundheitssystem und ein damit verbundenes Chaos und dem dazugehörigen schwarzhumorigen Umgang mit selbigen. All dies zusammen ergibt eine gelungene humoristische Serie, die Fans von bissiger Realsatire nicht verpassen sollten. Zudem gibt es endlich alle drei Staffel (und damit alle 18 Folgen) dank Warner Home Video auf DVD im Handel (seit dem 19.05.2016). Wir haben daher einen Blick riskiert.
Story
Getting On beruft sich auf die gleichnamige britische Serie und spielt in der Frauen-Pflegeabteilung eines Krankenhauses im kalifornischen Long Beach: Dort kümmert sich die bunt zusammengewürfelte Belegschaft Tag für Tag um zahllose greise Patientinnen, die nun ja deutlich in die Jahre gekommen sind. Urkomische Situationen wechseln sich in dieser von der Kritik gefeierten Serie mit unerwartet zärtlichen Momenten ab, wenn sich Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte durch die schwarzhumorige Realität der Altenpflege hindurchwurschteln. Ständige heftige Wutanfälle der Anstaltsleitung und peinlich-ungeschickte Liebesgeschichten unter dem Personal in diesem heruntergewirtschafteten, von kleinkarierter Bürokratie gelähmten Krankenhaustrakt gibt es buchstäblich nichts, was es nicht gibt.
Kritik
Bereits die Ausgangslage von Getting On ist ungewöhnlich und bietet gerade daher genügend Stoff für eine bissige wie schwarzhumorig Serie: Immerhin sprechen wir hier von einer geriatrischen Pflegestation. Demenz, Verbitterung, verzweifelte Hoffnung, Leid und der Tod sind allgegenwärtig. Und dies spiegelt sich in den Patienten vollkommen wieder. Diese sind eben meist an ihren Lebensabend angelangt. Und hier hat HBO ziemlich Mut bewiesen. Geschönt wird in der Serie überhaupt nichts. Weder im Bezug auf die verschiedenen Krankheiten, noch gegenüber dem realen Wahnsinn des Gesundheitssystems und dem damit verbundenen Stationsalltag. Viele wissen es, viele sprechen darüber, doch es Live zu sehen (wenn auch nur in einer sehr authentischen – bis zu einem gewissen Grad – Serie), ist einfach noch einmal eine andere Liga. Wie genau diesen Alltag überstehen? Nun, dies geht eben nur mit einer ordentlichen Prise schwarzen Humors. Dies wird gekonnt durch die teils tragischen, sympathischen aber auch manchmal sehr unsympathischen Figuren in die Geschichte gebracht. Natürlich sind die dann doch genretypischen Liebeleien etwas merkwürdig, doch aber nur eine Randnotiz. Viel eher liefern sie uns ein angenehm bodenständiges Bild, was ebenfalls zum realen Bezug der Serie beiträgt. So unter anderem die leitende Stationsschwester Dawn Frechette (Alex Borstein), die zwischen Abscheu und Bedauern gut hin und her wechseln kann. Die unfreiwillige Stationsärztin Dr. Jenna James (Laurie MetcalfO) leistet unterdessen gerade darstellerisch eine Meisterleistung ab und schwebt zwischen herablassend und verbittert. Dies lässt sich dann auch auf den Rest der Charaktere übertragen, die im maroden System einen bereits verlorenen Kampf führen. Eine Tatsache, die auch der Zuschauer schnell zu spüren bekommt. Kann man das Sterben verwalten? Oh ja, man kann!
Tabuthemen gibt es also zu genüge und damit verbunden auch ein Anspruch, der vielleicht nicht jedem Zuschauer gefallen wird. Doch sei es drum, Getting On ist ein wichtiges Stück Seriengeschichte und zudem hervorragend geschrieben und inszeniert. Da ist es dann auch egal, dass an einigen Stellen die Serie vielleicht etwas über das Ziel hinausschießt und zu sehr auf den Abgrund zusteuert. Was bleibt ist aber kurzweilige bissige Unterhaltung, die noch lange im Kopf bleibt.
Fazit
Getting On ist ungewöhnlich, teilweise zynisch, humorvoll, bissig und vor allem darstellerisch eine Meisterleistung (besonders dank Laurie Metcalf). Vielleicht gerade aufgrund dessen eine Serie vollkommen abseits des Mainstreams und ein absolutes Highlight. Eine Perle, die uns nicht nur zeigt, wie bitter und marode unser Gesundheitssystem ist (in dem Falle der USA), sondern auch wie stark menschliches Leiden am Ende werden kann. Hier gibt es mehrmals einen Aha-Effekt, der nachklingt und zum nachdenken anregt. Gelacht wird ohne Zweifel, eben schwarzer Humor wie er besser nicht geschrieben hätte werden können. Unbedingt zu empfehlen.
DVD
Nachdem uns Warner mit der ersten und zweiten Staffel die Serie bereits näher gebracht hatte, gibt es nun mit der dritten Staffel gleich alle Folgen auf einmal. Für Neueinsteiger also ein absoluter Kaufgrund. Für die Käufer der bisherigen Staffeln ein kleiner Schlag ins Gesicht. Abseits dessen ist die DVD technisch über jeden Zweifel erhaben (natürlich im Rahmen der technischen Möglichkeiten). Der Ton liegt auf Deutsch (Dolby Digital 5.1) und Englisch (Dolby Digital 5.1) vor. Etwas merkwürdig: Das Menü liegt nur in englischer Sprache vor.