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Hannibal - Gesamtedition - Kritik

von Patrick Reinbott

Story

Dr. Hannibal Lecter ist ein sehr prominenter und erfolgreicher Psychiater. Was keiner ahnt: Der Schöngeist führt ein erschreckendes Doppelleben. Lecter ist ein durchgeknallter Serienkiller mit einem Faible für die Organe seiner Opfer. Die gönnt sich der Gourmet, aufwändig zubereitet, schon mal zum Dinner und serviert sie sogar nichts ahnenden Gästen. Ausgerechnet Lecter wird vom FBI gebeten, mit dem genialen, aber sensiblen Profiler Will Graham zusammenzuarbeiten. Lecter beginnt ein teuflisches Spiel mit dem Agenten. Wird Graham ihm auf die Schliche kommen? 

Kritik

Bryan Fuller (Pushing Daisies) kann man gut und gerne als Pechvogel bezeichnen. Seine Serienprojekte sind randvoll mit Fantasie gefüllt, halten sich auf dem Markt aber leider nur selten. Auch Hannibal stand schon nach seiner ersten Staffel auf der Kippe, brachte es aber immerhin auf ganze drei Staffeln, bevor die Absetzung erfolgte. Und die Übertragung einer der ikonischsten Roman- und Filmfiguren unserer Zeit wurde ebenfalls von vornherein kritisch beäugt. Doch dazu besteht überhaupt kein Grund, und die erste Staffel macht dies schon recht eindrucksvoll deutlich. Dabei muss man sich an die Serie durchaus langsam herantasten. Zu Beginn strauchelt die Serie dann aber doch stellenweise noch ein wenig. Folge um Folge wird ein neuer, kurioser Fall präsentiert, der gelöst werden muss. Hier driftet Hannibal dann gerne mal ins künstlerische hinüber, denn die Morde könnten als Bildband veröffentlicht werden, so künstlerisch wie sie inszeniert sind. Dabei irritiert zunächst auch die Beleuchtung, überhaupt hat die ganze Serie einen sehr künstlichen Touch. So ist sie zwar im hier und jetzt verankert, modernste Technik steht bereit, doch einige Dinge werden einfach nicht genutzt und auch die klinische Optik lässt alles irgendwie entrückt wirken. 

Dem passt sich auch der Soundtrack an, der sich nur schwer mit Worten beschreiben lässt, am ehesten aber als verstörend betitelt werden darf. Nervenzerfetzende Streicher verschmelzen mit verzerrten anderen Instrumenten zu einer Symphonie des Grauens. Und dann ist da noch der heimliche Star der Serie: das Essen. Obwohl man sich dessen Herkunft jederzeit schmerzlich bewusst ist kommt man nicht umhin die aufgebotenen Speisen mit einer gehörigen Portion Respekt zu behandeln. Alles ist furchtbar saftig, Essen wird hier als zentrales Element behandelt und ist eine generell sehr lüsterne Angelegenheit. Das Konzept der ersten Staffel, jede Folge nach einem französischen Gericht oder Gang zu benennen geht zwar in der deutschen Betitelung größtenteils unter, sorgt aber stets für eine grobe Einordnung, wo man sich gerade befindet. Der verantwortliche Koch und Food Designer am Set gehört jedenfalls gelobt für seine herausragende Arbeit. So braucht Staffel 1 dann gut und gerne mal sechs Folgen, bis auf einmal alles herrlich ineinander zu passen scheint. Die Bühne wird freigemacht für den eigentlichen Hauptgang, es offenbart sich ein Theater der Grausamkeiten, welches in einem herrlich antiklimatischen Finale gipfelt. Die gut erzählte Geschichte kämpft sich gegen die überbordenden Bilder in den Vordergrund und behält ihren Standpunkt an vorderster Front und macht Hannibal zu einem wahren Abenteuer für Hartgesottene. 

Auch für Staffel 2 adaptierte Drehbuchautor Bryan Fuller Passagen aus Thomas Harris' (Das Schweigen der Lämmer) erstem Hannibal Lecter Roman Roter Drache und reicherte diese mit eigenen Ideen an. Wie in vielen Interviews zu lesen ist, war Fuller vor allem eines wichtig: Einen filmischen Alptraum zu erschaffen, mit Mordszenarien, die so böse und over-the-top sind, wie sie es in der Realität nie geben würde. In Staffel 1 gab es zum Beispiel einen Mörder, der Champignons auf den Leichen seiner Opfer züchtete. In Staffel 2 lernen wir, dass Bienen gern auch einen menschlichen Körper als Behausung nutzen, entsprechende Dressur vorausgesetzt. Zart besaitete Gemüter sollten hier lieber Abstand waren. Freunde des gepflegten Horrors jedoch werden entzückt ob der Kreativität der Macher sein. Für die beeindruckende visuelle Wucht, die die Serie im Laufe der Staffel entfaltet, zeichnet sich erneut Regisseur David Slade verantwortlich. Auch Cube-Regisseur Vincenzo Natali darf sich in einer Folge austoben. Austoben deshalb, weil manche Morde wahrhaft abstoßend sind und die Kamera oft in Nahaufnahme draufhält. Hier jedoch entfaltet Hannibal manchmal auch eine Art dunkle Schönheit, denn die Bilder sind oft ausgefeilt wie Gemälde. 

Jedes Detail, seien es verstörende Bilder, unheimliche Geräusche oder unheilschwangere Musik, ist perfekt aufeinander abgestimmt. Die Mordfälle ziehen sich wie schon in Staffel 1 entweder über nur eine Folge, manchmal auch über zwei Folgen. Das wirkt oft etwas hektisch und viel zu unglaubwürdig, in welch kurzer Zeit (wir sprechen von ca. 40 Min pro Folge) ein Täter überführt wird. Das typische Akte X-Syndrom. Manche Folgen haben keinen Einfluss auf die Rahmenhandlung und wirken so durchaus überflüssig, was man schon der Vorgängerstaffel ankreiden konnte. Hannibal ist klar am stärksten, wenn sich die Macher auf das Dreiergespann Crawford, Graham und Lecter fokussieren. Ersterer hat mit seiner schwer kranken Frau zu kämpfen und weiß nicht mehr wem er glauben kann. Graham ist innerlich tief verletzt und verstört, hat mit seinem Leben abgeschlossen. Und Lecter ist ein intelligenter Psychopath, der mit allen ein grausames Spiel treibt. 

Die erste Hälfte der dritten Staffel lässt das Tempo und die Spannung aus vorangegangenen Folgen missen und es braucht eine Weile, bis Hannibal wieder richtig an Fahrt aufnimmt. Jede Person scheint in ihrer jeweiligen Situation zu verharren, die Handlung tritt etwas auf der Stelle und die Macher nehmen sich viel Zeit, tief in die Psyche der Hauptcharaktere einzutauchen und deren Verhalten zu ergründen. Eben diese Charakterstudien dürften polarisieren. Denn die Handlung im hier und jetzt wird garniert mit unzähligen Rückblenden und nicht immer nachvollziehbare Zeitsprüngen. Vor allem Will Graham wird geplagt von sehr metaphorischen Albträumen und Visionen, die sich wie der gesamte Serienauftakt etwas in ihrer Symbolik verlieren. Obwohl die gezeigten Zeitlupenbilder oft wie wunderschöne Gemälde anmuten, ist das nicht immer leicht verdaulich, teils sehr verwirrend, zeitweise gar etwas unerträglich. Man könnte fast sagen, Hannibal 3.1 wirkt wie ein in die Länge gezogener Arthousefilm, was auch damit zusammenhängen mag, dass Bryan Fuller nach erneuten Budgetkürzungen seitens NBC eine für sich völlig unabhängige künstlerische Freiheit heraushandeln konnte. Ob dies tatsächlich anspruchsvolle Kunst ist oder ob sich Fuller etwas im Bilderrausch verloren hat, darf jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass die Handlung wieder etwas geradliniger wird und deutlich an Fahrt aufnimmt, als der ebenfalls aus den Romanen bekannte Mason Verger ins Spiel kommt. Der schwer entstellte Millionär hat ganz eigene Pläne mit Hannibal und lässt die Schlinge letztendlich immer enger um dessen Kopf ziehen. 

Hannibal 3.2 dreht sich dann vollständig um einen neuen Serienkiller, für den die bereits zwei Mal verfilmte Romanvorlage Roter Drache Pate stand. Spätestens hier wird die Geduld der Zuschauer belohnt, denn die sechs Episoden rund um die Zahnfee sind einfach nur meisterlich inszeniert. Selbst Kennern der Storyline wird hier genug Horror und Spannung geboten, so dass Fullers Neuinterpretation von Thomas Harris' Bestseller in jeder Minute äußerst mitreissend ausgefallen ist. Aber Vorsicht: Der Rote Drache kennt keine Gnade und der Härtegrad ist für eine TV-Serie schon enorm. Einen starken Magen sollte man deshalb schon mitbringen. Faszinierender als die Horror-Einlagen ist jedoch mehr denn je das Verhältnis zwischen Hannibal und Will, dass erneut stark in den Fokus rückt, als die beiden widerwillig zusammenarbeiten müssen. Der Umgang der beiden miteinander ist geprägt von einer tiefgründigen Hassliebe und dies liefert wohl einige der emotionalsten Momente der gesamten Serie. Vor allem das Staffelfinale ist sehr bewegend ausgefallen und dürfte keinen Zuschauer unbefriedigt zurücklassen. 

Die Box

Die am 01. Dezember erschienene Komplettbox von Studiocanal enthält die drei Staffeln der Serie in einzelnen Amaray-Hüllen. Als schickes Extra liegt noch ein Booklet bei, das ästhetische Bilder aus der Serie enthält sowie kurze Zitate von Cast und Crew. Die Bildqualität befindet sich in allen drei Staffeln auf einem angenehm hohen Niveau, wobei die Kontraste knackig scharf sind und als Stilmittel immer wieder eine auffällige Grobkörnigkeit hervorsticht. Der Ton ist sowohl in Deutsch DTS-HD 5.1 als auch in Englisch DTS-HD 5.1 wählbar, beide Tonspuren sind einwandfrei verständlich und klingen satt aus den Boxen. Deutsche Untertitel sind enthalten. Bonusmaterial ist zu allen Staffeln reichlich vorhanden. So finden sich auf den Discs Trailer, Teaser, Deleted Scenes, Featurettes zur Produktion, Interviews, Audiokommentare oder Gag Reels. 

Fazit

Mit den drei Staffeln "Hannibal" hat Bryan Fuller ein faszinierendes, dunkles Juwel in die Serienlandschaft gesetzt, das die bekannten Geschichten und Mythen rund um den perfiden Psychiater und kannibalischen Serienkiller auf faszinierende Weise neu interpretiert. Die künstlerische Inszenierung zwischen abgrundtiefer Verstörung und betörenden Impressionen ist dabei geradezu einzigartig und der Härtegrad entpuppt sich mitunter als Herausforderung, doch aufgrund der packenden Handlung und den hervorragend besetzten Schauspielern kommt man an dieser Serie kaum vorbei. Ein Muss.

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