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House of Cards - Staffel 2

von André Schiemer

"It was butchery, not strategy, that won the war."

Das war schon äußerst mutig von “Netflix” eine hochwertige Serie völlig in Eigenregie zu produzieren und alle Folgen auf einmal auf den eigenen Kanal zu stellen. Erstmalig bei einer Serienpremiere stand es dem Zuschauer frei die Folgen anzuschauen wie es ihm zeitlich beliebte, ganz den typischen Wochenrhythmus ignorierend. Wer will, kann sich bei Netflix derzeit eine komplette Staffel an einem Wochenende zu Gemüte führen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Mal abgesehen davon, dass man sich keiner Warterei aussetzen muss, bekommt man bei den teils komplexen Storylines einen besseren Durchblick und man kann den Charakteren besser folgen. Oder man entlarvt eben inhaltliche Schwächen und überflüssige Subplots.

So ist das leider bei der zweiten Staffel von House of Cards der Fall, sozusagen der Pionier in Sachen Video-Streaming. Nach der durchweg positiven Resonanz zur ersten Staffel gab Netflix die zweite Staffel in Auftrag, welche nun auch hierzulande direkt gestreamt oder auf DVD und Blu-Ray erworben werden kann. Die erste Staffel war gut mit teils brillanten Dialogen – aber eben nicht überragend. Offensichtlich eifert Netflix in der Machart auch etwas dem großen Vorbild HBO nach, kann jedoch selten an die Qualität des wirtschaftlich überaus potenten Kabelsenders anknüpfen.
Dabei setzt die zweite Staffel vordergründig in allen Belangen noch eine Schippe drauf: Mehr Intrigen, mehr Mord, mehr Action. Auffällig auch, dass nahezu jede Folge mit einem Cliffhanger endet und man gar nicht anders kann, als sogleich die nächste zu starten.

Soweit, so gut. Aber wir sprachen ja von inhaltlichen Schwächen. Und wenn man sich etwas eingehender mit den Folgen beschäftigt, werden diese mehr als deutlich. In Staffel 1 war jedes noch so kleine Details wichtig für den weiteren Handlungsverlauf, in Staffel 2 kann man ruhig mal innerhalb einer Folge wegnicken und hat nach dem Aufwachen irgendwie nichts verpasst. Oder anders formuliert: Man kann House of Cards auch bequem während dem Bügeln oder dem beantworten von E-Mails (Second Screen lässt grüßen) genießen, da man selten wirklich gefordert wird. Aufmerksamkeit bekommt Cards 2 vor allem, wenn sich Vizepräsident Frank Underwood direkt an die Zuschauer wendet und sie an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt.

House of Cards will eine wichtige und innovative Serie sein. Ein Konglomerat aus Macht, Regierungsspielchen, die Rolle der Medien und alle legalen und illegalen Geschäfte die darum herum gestrickt sind. Passend dazu wird der klinische und leicht düstere Look, den David Fincher etabliert hatte, fortgeführt. Da darf sich auch mal eine Jodie Foster hinter der Kamera mit kreativen Einfällen austoben, wobei Cards eine dialoglastige Serie ist, deren Gefechte hauptsächlich innerhalb diverser Büroräume ausgetragen werden. Vielleicht musste nach Abzug von Kevin Spaceys Gehalt auch an Kulissen und teuren Dreharbeiten im Freien gespart werden.
Achja, Kevin Spacey als Frank Underwood und Robin Wright als dessen Frau Claire sind ein Schauspieler-Ensemble das problemlos große Rollen ausfüllen kann und jede Szene an sich reißt. Ob getrennt oder zusammen, es ist wieder eine große Freude den beiden zuzuschauen.

Aber bei Cards bringt die beste Schauspielerei nichts, wenn die Handlung vorhersehbar ist und es an kreativer Finesse mangelt. Auch in Staffel 2 geht es um einen soziopathischen Politiker, der alles tun würde, um das zu kriegen, was er will. In diesem Zusammenhang geht es auch um eine Gruppe von Leuten, die ihm dabei im Weg stehen und allesamt nicht die hellsten Kerzen auf dem Kuchen sind.
Franks Gegner werden einer nach dem anderen hereingelegt und das gelingt ihm durchweg viel zu einfach. Man könnte das nun mit einer guten Portion Humor (Sarkasmus böte sich an) würzen und dabei prächtig unterhalten, aber Cards nimmt sich viel zu ernst. Das Schlimme ist, dass trotzdem viele Subplots oder einzelne Szenen unfreiwillig komisch wirken und nicht so recht zum in Staffel 1 definierten ernsten Ton der Serie passen wollen. Es bleibt also beim Wille von Cards, eine durchweg anspruchsvolle Serie zu sein.

Warum sind einzelne Szenen komisch? Das liegt eindeutig daran, dass Frank mehr und mehr zu einem Cartoon-artigen Charakter verkommt, der nur noch durch seinen Wunsch nach Selbstverwirklichung angetrieben wird. Kevin Spacey reißt das mit viel Spaß herunter, wirklich schauspielern darf er allerdings nur, wenn er mal für fünf Minuten am Stück „menschlich“ sein und Emotionen zeigen darf.
Was es Cards nun auch mangelt, sind wirklich ebenbürtige Gegner, die die Spannung ankurbeln. Doch jeder, der sich mit Frank anlegt, steht am Ende wie ein Depp da. Das kann man ruhig so festhalten. Man könnte sagen, es läuft alles viel zu einfach für ihn. Die Drehbuchautoren fordern Frank nur selten heraus und wenn es doch einmal den Anschein erweckt, als wäre es anders, hat Frank immer noch ein Ass im Ärmel, mit dem er seinen Herausforderer problemlos schlägt. Es gibt sogar clevere Bürschchen, die sein Spiel durchschauen. Trotzdem lassen sie sich am Ende hereinlegen und sind - genau - Deppen.
Okay, das Manöver, mit dem Frank eine Reform durch den Senat drückt, war dann eine der clevereren Handlungsstränge in Staffel 2.

Der von Michel Gill gespielte Garrett Walker gehört vielleicht zu den langweiligsten Präsidenten, die je in einer TV-Serie verkörpert wurden. Nicht nur, weil er immer wieder in Franks Fallen tappt, obwohl er diese sogar entdeckt, sondern weil er auch so wenig Charisma besitzt, dass er oft genug wie ein leerer Anzug wirkt. Ja es fehlt nicht nur an Charisma, sondern auch an Intelligenz,  Durchsetzungsvermögen und allen anderen Qualitäten die seine Wahl zum Präsidenten erklären würden.


<HEAVY SPOILER>

Seinen wir mal ehrlich. Wir haben uns einigermaßen gut unterhalten, hatten ein paar spannende Momente. Aber dass Frank am Ende alles so eingefädeln konnte, dass Walker freiwillig zurücktritt und Frank bereitwillig den Posten zum Präsidenten überlässt, war viel zu einfach, einseitig und vorhersehbar. Es lässt einfach den Hauptcharakter der Serie in Glanz erstrahlen - weil er eben der Hauptcharakter der Serie ist. Man kann es drehen und wenden wie man will, es fühlt sich nicht so an, als wäre dies ein beeindruckender Sieg über einen ebenbürtigen Kontrahenten gewesen. Nein, wir als Zuschauer nehmen diesen Fakt eher als gegeben hin, ohne groß emotional involviert gewesen zu sein.

</HEAVY SPOILER>


Problem hier ist auch: Andere Charaktere, die nicht mit Frank mithalten können, schaffen es auch nicht die Serie zu tragen, wenn sich das Geschehen weg von Frank verlagert. Die Geschäftsleute Raymond Tusk (Gerald McRaney) oder Xander Feng (Terry Chen) haben zwar ein paar gute Momente, sorgen allerdings auch für viel substanzloses Gelaber und Langeweile. Der Subplot rund um Franks Handlanger Doug Stamper (Michael Kelly) und seine Stalking-Attacken für Rachel (Rachel Brosnahan) ist da schon reizvoller, plätschert jedoch ohne Ziel und Ergebnis vor sich hin.

In Staffel 1 gab es immerhin noch den überragenden Corey Stoll als Franks Puppe, der den alkoholkranken Kongressabgeordneten Peter Russo verkörperte. Das war wirklich eine bewegende Performance, die uns als Zuschauer mehrmals berührt hat. Da Frank den armen Russo ja bekanntlich ermordet hat, fehlt er in Staffel 2 – und sein Fehlen wird schmerzlich vermisst, da kein anderer Charakter diese Lücke füllen kann. Ersatzweise gibt es einige verwirrende Subplots um irgendwelche Reporter die irgendwas aufdecken wollen und den ganzen Plot komplexer wirken lassen als er tatsächlich ist.

Dass Franks First Lady Claire realisiert, dass sie und Frank eigentlich zwei abscheuliche Menschen sind, welche die Leben anderer ruinieren, bringt unbestreitbar eine interessante Komponente in die zweite Staffel. Robin Wright glänzt hier in einigen Szenen, in denen Claire erlaubt ist sich von einer eher verletzlichen Seite zu zeigen. Aber das reicht letztendlich nicht aus, um nachhaltig über eine ganze Staffel hinweg zu wirken. Denn emotionale Momente werden immer wieder von solchen untergraben, die nur dazu da sind Aufmerksamkeit zu erregen. Zum Beispiel wenn Franks bisexuelle Neigungen gezeigt werden und der Beginn eines Dreiers zusammen mit Claire und dem loyalen Secret Service Edward Meechum (Nathan Darrow) gezeigt wird. Dies gehört zu jenen Minuten die befremdlich wirken und unfreiwillig komisch sind. Da möchte man manchmal meinen, dass die Autoren Gesprächsstoff bis zur nächsten Folge in einer Woche liefern wollten. Aber halt, man kann die Folge ja gleich im Anschluss sehen und wenn man dann feststellt, dass ein paar Sekunden nach der provokanten Szene nicht mehr darüber geredet wird, verpufft der „Gesprächsstoff“ wieder.


<HEAVY SPOILER>


Zu Beginn der neuen Staffel ermordet Frank die mutige Reporterin Zoe Barnes (Kate Mara), ebenfalls ein Charakter der in Staffel 1 einige Glanzpunkte setzen konnte und ein wichtiger Gegenpol für Frank war. Die Mordszene repräsentiert in ihrer Unglaubwürdigkeit und Übertriebenheit eigentlich alles, was im Rest der Staffel ebenfalls schief läuft. Mindestens der Dialog zwischen Frank und Zoe ist sehr intensiv und spannungsgelagen und wirft einige wichtige Fragen im Hinblick auf die gegensätzlichen Eigenschaften von Moral und Begierde auf. Und dann fordert der Mann, der ja Vizepräsident der US of A ist, die zynische Reporterin auf, alle Beweise ihrer Beziehung auf ihrem Smartphone zu löschen, bevor er sie schließlich vor einen einfahrenden Zug schubst. Obwohl überall Passanten stehen und der Bahnhof voll mit Überwachungskameras sind, kommt der Vizepräsident ungeschoren davon. Eine Mütze reicht als Tarnung. Das soll zwar ein schockierender Twist sein, hat aber einen bitteren Nachgeschmack, ja wirkt fast etwas lächerlich.

</HEAVY SPOILER>


Fazit: Im direkten Vergleich zur ersten Staffel ist die Fortsetzung aus dem Hause Netflix aus den genannten Gründen eher enttäuschend. Es gibt wenige echte Inhalte, Politik wird eher am Rande abgehandelt und die Handlung wird mit langweiligen Subplots aufgeblasen. Das Positive ist, dass die Serie nach wie vor tolle Darsteller hat und einfach nur gut aussieht.
Ein Großteil der Kritiken zur zweiten Staffel sind ja wieder hervorragend. Wie bereits erwähnt: Mehr Intrigen, mehr Mord, mehr Action. Das scheint dem Anspruch vieler Fans zu genügen und das ist ja auch völlig in Ordnung. Denn House of Cards bleibt nach wie vor sehr gut gemachte Unterhaltung. Kein Wunder, dass Netflix schon die dritte Staffel in Auftrag gegeben hat. Man munkelt, dass Frank hier ein paar naive Aliens austrickst, welche ihm die Macht über ein galaktisches Imperium übertragen.

Bewertung: 6/10

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