Dieser Film ist dein erster mit einem historischen, also realen Hintergrund. Hat dir das gefallen? Würdest du noch mal so einen Film drehen … oder lieber wieder einen »typischen Trapero«?
Trapero macht ja immer, einfach immer Recherche. Anders gesagt: Ich war noch nie im Gefängnis und kenne auch niemanden, dem das passiert ist, und trotzdem habe ich »Löwenkäfig« gedreht, der von einer Mutter in Haft handelt. Ich habe auch nichts mit dem Leben von Polizisten in Buenos Aires gemeinsam, als ich also »El bonaerense« machte, musste ich eine ganze Menge recherchieren. Und ich habe auch niemanden in meiner Familie oder meinem Freundeskreis, der ein Anwalt wäre wie »Carancho«. Um einen Zugang zu diesen Universen zu bekommen, ist immer eine gewisse Recherche nötig. Ich muss die Welt verstehen, zu der ich arbeiten werde, ihre Regeln lernen und sie in der Fiktion anwenden.
Aber du hast dann die Freiheit, dass du ohne ein historisches Korsett arbeitest.
Genau, das ist der große Unterschied. Anders als bei meinen vorigen Filmen gibt es bei diesem eine zusätzliche Herausforderung: Der Name Arquímedes Puccio ist ein echter Name. Das Datum, an dem im Film die Entführung von Manoukián stattfindet, ist das Datum, an dem es auch in der Realität stattfand. Die Orte, an denen viele Szenen des Films spielen, sind jene Orte, an denen sie sich auch in Wirklichkeit abspielten. Das ist eine unglaubliche Herausforderung, und es ist auch eine zusätzliche Verantwortung. Denn im Fall der Familie Manoukián oder der anderen Opfer war es mir wichtig, zu wissen, wie sie sich mit ihrer Darstellung in dieser Geschichte fühlten.
Eine weitere Herausforderung ist auch die Rekonstruktion der Epoche, also Argentinien zwischen ‘82 und ‘85. Das ist etwas, was mir sehr gefallen hat, und letztlich ein Schritt in die Richtung, in der ich immer schon gearbeitet habe: mit der Wirklichkeit arbeiten, sie aber diesmal nicht in einer fiktiven Geschichte neu interpretieren, sondern eine reale Geschichte mit den Codes der Fiktion austatten. Und ja … vielleicht mache ich noch ein paar Projekte zu realen Fällen, und nicht nur welche aus Argentinien.
Wenn du das Genre definieren müsstest — ist es eher ein Thriller mit Elementen eines Melodramas, oder mehr ein Melodrama mit Thriller-Elementen?
Es ist eine Mischung aus beidem. Die Herausforderung bestand darin, das richtige Genre zu finden, den Tonfall des Films. Man könnte sagen, »El Clan« ist eine Mischung aus einem etwas surrealen Melodrama — ein wenig im Stil von Buñuel, wie bei »Él« oder »El ángel exterminador« — und einem klassischen Thriller, oder einem Film Noir wie von Scorcese oder Peckinpah, um noch mal Beispiele aus einem anderen Stil zu nennen. Der Film ist wie eine Fusion dieser beiden Welten, dieser beiden möglichen Welten. Wobei man auch Anlehnungen an das Horror-Genre finden kann, wenn man danach sucht. Wie in den Szenen, wo alle zusammen Fernsehen gucken, plötzlich klingelt das Telefon und alle springen auf … Oder diese Stimmen, die man hört und bei denen man nicht weiß, ob das echte Stimmen sind oder Gespenster, was in diesem Haus wohl vorgeht …
Es gibt sowas wie die Einladung ans Publikum, sich bei einem so heftigen Thema trotzdem zu entspannen und die Achterbahnfahrt mit dem Film zu genießen: Wenn du einmal angefangen hast, kommst du nur schwer wieder raus und bleibst dabei, bis es vorbei ist, nicht wahr?