Spätestens mit dem Erfolg Edward Bergers Im Westen nichts Neues 2022/23 rückte nicht nur Erich Maria Remarques gleichnamiger Weltbestseller wieder in den Fokus, sondern auch dessen erste Verfilmung aus dem Jahre 1930, die ebenso kontrovers diskutiert und aufgenommen wurde, wie Remarques Roman. Zu frisch waren noch immer die Wunden des deutschen Volkes nach dem verlorenen 1. Weltkrieg, um sich mit den Schrecken des Krieges auseinandersetzen zu wollen. Dabei wirft weder der Roman noch der Film direkt die Schuldfrage auf, sondern ist vielmehr ein Mahnwerk für die Sinnlosigkeit des Krieges. Der Film selbst hat eine aufregende Geschichte hinter sich und musste insbesondere hierzulande mehrfach mit der Zensur kämpfen und so entstanden im Laufe der Zeit unterschiedliche Schnitt- und Synchronfassungen. Die ursprüngliche US-Schnittfassung wurde in Deutschland vor der Veröffentlichung gleich entschärft und jede Kritik am Kaiser entfernt, sowie der Drill der Soldaten eingekürzt. Trotzdem wurde der Film schon nach 7 Tagen wieder aus den deutschen Kinos genommen, weil es durch Goebbels Nazischergen zu zahlreichen Störaktionen in den Kinos kam und ein Besuch der Vorstellung nur noch unter Polizeischutz denkbar war. Nach weiteren Schnitten konnte der Film zunächst in geschlossenen Veranstaltungen und am 2. September 1931 überall aufgeführt werden. Dabei fielen auch wichtige Szenen, wie Pauls Ansprache in seiner früheren Schule, der Schere zum Opfer. Dass der Film im Dritten Reich dann verboten war, dürfte nicht weiter überraschen.
Als der Film jedoch 1952 wieder offiziell gezeigt werden durfte, erhielt er eine neue Synchronfassung und wurde abermals neu geschnitten. Diesmal wurden viele Szenen vom Schlachtfeld entfernt, die zu grausam waren und es wurde sogar die Schlüsselszene im Granattrichter mit dem Kampf zwischen Paul und dem französischen Soldaten fast vollständig entfernt. Dafür fügte man andere, zuvor entfernte Szenen wieder ein. 1984 ließ das ZDF den Film noch einmal neu synchronisieren und restaurieren, wobei neue verschollen geglaubte Szenen eingefügt wurden. Jedoch wich die Synchronisation vom ursprünglichen Film ab und orientierte sich mehr an der literarischen Vorlage. Der WDR erstellte 1995 eine weitere Synchronfassung (auf Basis der 1952er-Fassung) und nahm noch weitere Änderungen am Bild der ZDF-Version vor. Mit der Erstveröffentlichung von Im Westen nichts Neues auf DVD auf Grundlage der restaurierten US-Fassung erhielt der Film eine weitere Neusynchronisation, jedoch fehlten einige Szenen, die zuletzt in den deutschen Fassungen zu sehen waren. Dies wurde dann 2022 erneut korrigiert.
Capelight Pictures veröffentlichte den Klassiker von 1930 nun am 14. November 2024 in einer Collector's Edition auf insgesamt 5 Blu-rays in allen 6 Schnittfassungen (inklusive der Stummfilmfassung) und allen 4 Synchronfassungen sowie der bearbeiteten WDR-Fassung von 1995. Wir stellen euch die Edition einmal näher vor:
Darum geht es in „Im Westen nichts Neues“:
Der Erste Weltkrieg hat begonnen, das Deutsche Reich befindet sich im Rausch. Angestachelt von ihrem nationalchauvinistischen Lehrer beschließen Paul Bäumer (Lew Ayres, Schweigende Lippen) und seine Mitschüler, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden. Doch der Idealismus verfliegt schnell im Angesicht der harten Realität an der Westfront: ein zermürbender Stellungskrieg in den Schützengräben, permanentes Trommelfeuer und Maschinengewehrsalven. Statt Ruhm und Ehre wartet auf die jungen Kameraden ein dreckiges, sinnloses Sterben in einem mechanisierten Krieg.
Kurzfazit zum Film:
„Im Westen nichts Neues“ ist ein Meilenstein der Filmgeschichte, der auch nach über 90 Jahren nichts an seiner Aktualität verloren hat. Die Brutalität und die Sinnlosigkeit des Krieges werden schonungslos offengelegt und Regisseur Lewis Milestone schafft es, den Grundton der Romanvorlage von Erich Maria Remarque mühelos einzufangen. „Im Westen nichts Neues“ ist der Wegweiser für das Genre des Antikriegsfilms und kaum ein Werk vermag es auch nur ansatzweise derart realistisch vom Krieg zu erzählen, ohne klar zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und sich stattdessen auf den Menschen hinter dem Soldaten zu konzentrieren. Für den Hauptdarsteller Lew Ayres waren bereits die Dreharbeiten ein bleibendes Erlebnis, denn für ihn war nach Drehschluss klar, niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen und dafür opferte er im 2. Weltkrieg sogar fast seine Schauspielkarriere, denn es wurde ihm übel genommen, dass er „nur“ im Sanitätsdienst diente. Dabei sollte der Film doch auch heute noch als Mahnmal für alle Kriege gelten und gehört zwingend in den Schulunterricht, wie seine literarische Vorlage, in der Hoffnung auf eine friedlichere Welt.
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Technische Daten und Ausstattung der Collector's Edition:
Capelight Pictures veröffentlichte Im Westen nichts Neues am 14. November 2024 als Collector's Edition im Digipak mit allen vier Synchronisationen des Films und der WDR-Tonfassung sowie in sechs unterschiedlichen Schnittfassungen auf insgesamt fünf Blu-rays. Bild- und Tonqualität sind dem jeweiligen Alter der Restaurierung entsprechend und insbesondere die Langfassung liegt in einer ordentlichen Version vor. Die einzelnen Discs haben folgende Ausstattung:
Disc 1: Langfassung (HD, 141 Minuten)
Bild: 1,37:1 (1080p)
Ton: 1995er-Fassung (WDR) PCM 2.0 Mono
2005er-Synchronisation PCM 2.0 Mono
1984er-Synchronfassung (ZDF) PCM 2.0 Mono
Englisch PCM 2.0 Mono
Untertitel: Deutsch und Englisch
Bonus: Einführung von Robert Osborne
Dokumentation „Geschundenes Zelluloid – Das Schicksal des Kinoklassikers Im Westen nichts Neues“ von 1984 (ca. 32 Minuten)
Originalkinotrailer
Deutscher Kinotrailer
Filmtipps
Disc 2: Internationale Standardfassung (HD, 133 Minuten)
Bild: 1,37:1 (1080p)
Ton: 1995er-Fassung (WDR) PCM 2.0 Mono
2005er-Synchronisation PCM 2.0 Mono
1984er-Synchronfassung (ZDF) PCM 2.0 Mono
Englisch PCM 2.0 Mono
Untertitel: Deutsch und Englisch
Disc 3: 1930er-Fassung (HD, 103 Minuten)
Bild: 1,37:1 (1080p)
Ton: 1930er-Synchronisation PCM 2.0 Mono
1930er-Synchronisation PCM 2.0 Mono (unbearbeitet)
Englisch PCM 2.0 Mono
Disc 4: 1952er-Fassung (HD, 127 Minuten)
Bild: 1,37:1 (1080p)
Ton: 1952er-Synchronisation PCM 2.0 Mono
Englisch PCM 2.0 Mono
Bonus: „Das Profil: Erich Maria Remarque zu Gast bei Friedrich Luft“ (Interview von 1963, SD, ca. 31 Minuten)
Disc 5: Stummfilm-Fassung + Originale ZDF-Fassung
Stummfilm (HD, 133 Minuten)
Bild: 1,37:1 (1080p)
Ton: PCM 2.0 Mono
Titel: Deutsch
Originale, viragierte ZDF-Fassung (SD, 135 Minuten)
Bild: 1,37:1 (4:3 PAL)
Ton: Deutsch PCM 2.0 Mono
Die Bonusmaterialien sind zwar recht überschaubar, aber sehr informativ und liefern interessante Hintergrundinformationen. Zudem liegt der Edition ein 12-seitiges Booklet „Im Labyrinth der deutschen Fassungen von Im Westen nichts Neues“ von Ludger Holmenkamm über die zahlreichen deutschen Fassungen bei.
Gesamtfazit:
Die Collector’s Edition lässt das Sammlerherz höher schlagen. Es sind alle bisherigen in Deutschland erschienenen Schnitt- und Ton- bzw. Synchronfassungen enthalten. Dazu gibt es noch Bonusmaterial mit ca. 1 Stunde Laufzeit mit einigen Hintergrundinformationen. Anhand der unterschiedlichen Fassungen kann man wunderbar die zeithistorischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland nachvollziehen und dank der Restaurierung erstrahlt der zeitlose Klassiker zudem in ordentlicher Qualität in HD. Was will man mehr?