In nicht allzuferner Zukunft startet der aktuelle Film des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund in den deutschen Kinos. The Square heißt das Werk. Unsere Kritik dazu findet ihr hier. Wir bekamen die Chance, den Regisseur, der dieses Jahr mit besagtem Film die Goldene Palme in Cannes gewann, zu einem Interview in Hamburg zu treffen. Die Fragen wurden von Dr. Jens Büchsenmann (NDR), Linda Pietsch (Klassikradio) und von Levin Günther (Moviebreak) gestellt. Die Texte sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, von Levin Günther.
Der Film basiert auf einer realen Kunstausstellung, die im ebenso realen X-Royal-Museum in Stockholm stattfand. Der im Film gezeigte Square, er existierte wirklich; der Regisseur Ruben Östlund hat gar ein Bild auf seiner Facebookseite, wo er sich in diesem Square befindet. Nachdenklich schlendernd, seine Runden ziehend. Als würde er schon Ewigkeiten darauf wartet, dass irgendjemand auf ihn trifft und ihm aus dem Gefängnis errettet. Aber er hat Pech, die Nacht ist dunkel, die Straßen leer.
In einem Hamburger Luxushotel mitten in der City, helle Räume, lange Flure, warme Farben, ist Östlund vorzufinden. Gut gelaunt, freundlich, zuvorkommend und, was am besten ist; interessiert. Ein Mann, der auf dem Boden geblieben ist. Da gehört er ja schließlich auch hin; denn, wie er später sagen wird, ein Filmemacher, der keine Wirkung auf die Gesellschaft durch zeitgenössische Probleme erzielt, ist einer, der zum Untergang des Kinos beiträgt. Sonst drohe dem Kino ein ähnliches Schicksal wie der Oper. Mit dieser Einstellung also gewinnt man die Goldene Palme in Cannes. Und doch merkt man dem Regisseur seinen Höhenflug nicht immer an. Stolz und zufrieden ist er, selbstverständlich. Dennoch habe ich den Eindruck, dass Östlund seinen Blick klipp und klar auf die Zukunft gerichtet hat. Vielleicht ja, weil die Hoffnung, dass das Filmemachen einfacher wird, noch nicht erloschen ist. Vielleicht aber auch, weil die Tatsache, dass es einfach nicht einfacher wird, ein ungeheurer Motivator ist.
NDR: In Höhere Gewalt konnte man sehr schnell erkennen, wohin die Reise der Narration gehen wird. Hier ist es komplizierter.
Ruben Östlund: Es war sehr einfach, Höhere Gewalt zu schreiben, weil das Setup so klar ist. Die Familie ist im Ski-Urlaub, der Vater rennt in Angst vor einer streifenden Lawine weg. Aber die Katastrophe passiert nie und deshalb muss er sich mit den Vorwürfen auseinandersetzen. Dieses Setup hat das Schreiben sehr erleichtert. Aber bei The Square wollte ich Fragen stellen, die sich mit der Verantwortung auf der Ebene des Individuums und der Gesellschaft beschäftigen. Wie geht man an so etwas heran? Es ist schwer, ein Narrativ zu finden, das zusätzlich die richtige Gewichtung hat. Deshalb musste ich akzeptieren, dass die Geschichte etwas anders erzählt werden würde.
NDR: … weil Sie ein Filmemacher sind und kein Philosoph.
Ruben Östlund: Ich liebe Philosophie! ich liebe Soziologie und ich versuche, beides zu vereinen.
Wer noch nicht die Gelegenheit hatte, sich Höhere Gewalt anzuschauen, dem sei unsere Kritik als erster Schritt zur Besserung empfohlen. Die Karriere des Ruben Östlund, die äußerlich einen scheinbar gleichmäßigen und stetigen Anstieg der Popularität von Film zu Film ausmacht, hat mit Höhere Gewalt hierzulande einen Einstieg in die Kinos und DVD-Regale erreicht. Der Film war für einen Golden Globe nominiert, gewann in Cannes die Reihe Un Certain Regard und zeichnete Östlund als ausgezeichneten Beobachter aus. Sicherlich eine gute Vorbereitung für den nächsten Schritt, den er nun mit The Square vollzogen hat. Auch Östlund sieht Verbindungen zwischen den beiden Filmen. Habe er vorher (zum Beispiel in Play - Nur ein Spiel?) einen dogmatischen und streng-zurückhaltenden Stil verfolgt, der sich aus naturalistischen Plansequenzen zusammensetzte, hat sich dies mit Höhere Gewalt beruhigt. Er erlaubte es sich, kinematischer zu denken und zu arbeiten.