Story
Matt Murdock wurde über Monate vermisst und taucht nun als gebrochener Mann wieder auf. Er hinterfragt seine Zukunft sowohl als Rächer Daredevil als auch als Anwalt Matthew Murdock. Als jedoch sein Erzfeind Wilson Fisk aus dem Gefängnis entlassen wird, muss Matt sich entscheiden: will er sich vor der Welt verstecken oder sein Schicksal als Held akzeptieren?
Kritik
Zunächst eine durchaus wichtige Info: Man kann der dritten Staffel von Marvel's Daredevil auch dann probemlos folgen, wenn man das Crossover Marvel's The Defenders nicht gesehen hat.
Ist die Hochphase der Marvel-Serien bei Netflix vorüber? Hat sich eine gewisse Müdigkeit eingestellt? Ziehen die düsteren Heldenserien nicht mehr so viel Netflixkunden vor den Bildschirm wie früher? Es darf spekuliert werden, denn nach Marvel's Iron Fist hat der Streamingdienst mit dem großen, roten N nun auch Marvel's Luke Cage nach zwei Staffeln Lebwohl gesagt und das ausgerechnet nur wenige Stunden nach dem Start der dritten Staffel von Marvel's Daredevil.
Wenn man so will, ist die Serie der Ursprung von allem, was danach kam. Mit dem blinden Anwalt Matt Murdock (Charlie Cox, Der Sternwanderer), der nachts dank seiner geschärften Sinne Verbrecher jagt, etablierte Netflix eine Formel, die sie danach auch in den anderen Marvel-Serien nutzten. So kam es dann, dass egal ob der Punisher oder Jessica Jones, die Erzählungen immer etwas Geduld vom Zuschauer abverlangten und sich meist gemächlich fortbewegten, bis sich die Hauptfigur, bevorzugt in dunklen Gängen, mit den Goons des Schurken herumprügelt. Keine innovative Formel, aber eine die funktionierte.
Das Problem: Nach sechs Serien will diese Formel nicht mehr so zünden wie früher. Gerne wird das Argument verwendet, dass sich die Marvel-Serien eben Zeit lassen, um komplexe Charaktere und Geschichten wiederzugeben und zu entwickeln. Ein valides Argument, auch wenn die Geschichten von Daredevil und Konsorten gewiss nicht so ausgereift sind, wie sich das viele einreden. Klar ist aber, dass sich nicht nur der Beschützerteuel narrativ gerne im Kreis dreht. Die neue, dritte Staffel macht da leider keine Ausnahme. Die dargebotene Geschichte ist relativ einfach, wird aber erneut auf 13 Episoden á ca. 50 Minuten ausgewalzt. Da lässt es sich nicht vermeiden, dass sich Langeweile einstellt, wenn Matt Murdock mal wieder mit Gott und der Welt hadert und Rat bei einer renitenten Nonne Joanne Whalley (The Borgias) sucht.
Bei den gemeinsamen Szenen dieser beiden Figuren kommt noch ein anderer, wichtiger Punkt der neuen Staffel zum Vorschein: Die Dialoge. Die sind oftmals blitzblank poliert, werden von den Darstellern gut vorgetragen und immer mal wieder gibt es auch einen gepflegten One Liner für die Heldenseele. Es gibt aber auch Dialoge, da sind die Pferde mit den Autoren durchgegangen. Vor allem wenn Matt mit allem und jedem hadert (das tut er oft und gerne, vor allem in der ersten Staffelhälfte), hören sich die gesprochenen Worthülsen gerne mal so an, als ob da jemand vor der Tastatur richtig dark & gritty sein wollte. Das Endergebnis davon ist leider aber mehr befremdlich und platt.
Platt wie auch eine große Enthüllung, die hier natürlich nicht verraten wird. Es sei nur so viel gesagt: Wir erfahren mehr über Matts Familie, was sich als unnötig erweist und auch mit dafür verantwortlich ist, dass sich die dritte Staffel hier und da etwas zäh und vor allem gestreckt anfühlt. Dennoch ist auch diese Staffel Marvel's Daredevil wieder gelungen, trotz einiger Makel, zu denen auch gehört, dass es irgendwie schade ist, dass die Rückkehr von Wilson Fisk alias Kingpin (Vincent D’Onofrio, The Salton Sea) auf recht überraschungslosen Bahnen verläuft.
Nach dem Fisk in Staffel 2 nur zu Besuch war, ist es schon etwas mickrig, was die Drehbuchautoren sich nun für seine große Rückkehr ausgedacht haben. Ganz interessant ist hingegen, dass Fisk genau wie alle anderen, wichtigen Figuren der Staffel angetrieben wird, von einem Wunsch etwas zu haben, was für ihn unerreichbar scheint. Das ist die Konstante zwischen ihm, Daredevil, Karen Page (Deborah Ann Woll (Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin), Foggy Nelson Elden Henson (Butterfly Effect) sowie den zwei brandneuen Figuren, den FBI-Agenten Nadeem (Jay Ali, The Fosters) und Poindexter Wilson Bethel (Hart of Dixie).
Es sind allesamt tragische Figuren, da Sie sich immer treffen, überschneiden und kompromittieren. Das Ergebnis sind kraftvolle, charakterliche Konstellationen. Klar eine der größten Stärken der dritten Staffel, die natürlich auch wieder einige Actionszenen zu bieten hat. Mal wieder prügelt sich Daredevil durch Gegnermassen in meist spärlich ausgestatteten Korridoren. Mag langweilig klingen, doch die Schläge, Tritte und Ellbogen- sowie Kniestöße haben immer noch genau so viel Wumms wie in den ersten beiden Staffeln. Die Kamera fängt dazu alles adäquat ein. Es gibt keine unübersichtlichen Schnitte und ab und zu gönnt sich die Inszenierung auch den einen oder anderen prahlerischen One-Take. Dazu erweist es sich als schöne Abwechslung, wenn Daredevil seine Fähigkeit immer mal wieder dazu nutz sich durch Gegner durchzuschleichen, anstatt sie niederzuprügeln.
Fazit
Alles in allem erweist sich auch Staffel 3 als sehenswert, wenn sie auch nicht verbergen kann, dass die Netflix-Marvel-Formel deutlich Staub angesetzt hat. Häufig mitreißend, technisch überzeugend und darstellerisch gut ist das Ganze immer noch und nach der letzten Einstellung wünscht man sich nicht zuerst eine Wandlung der leicht antiquieten Formel, sondern dass die vierte Staffel schnell erscheint. Es bleibt zu hoffen, dass Marvel's Daredevil weitergeht. Das halboffene Ende lässt zwar darauf schließen, dass Netflix noch einiges vorhat, aber diesen Eindruck erweckte ja auch die letzte Einstellung von Marvel's Luke Cage.