Nachdem wir nach der letzten Folge alle erstmal den Atem anhalten mussten und nun eine ganze Woche Zeit hatten uns Gedanken zu machen, erfolgt die Auflösung des mysteriösen Mordversuchs der letzten Folge recht zügig. Gleichzeitig ist Folge drei meine persönliche Hürde, denn da hat Staffel eins mich damals so richtig gepackt. Die eigenen Ansprüche sind also hoch, doch werden sie erfüllt?
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Staffel eins hatte seine durchaus vorhandenen Anteile an der so genannten "weird fiction" (es tut mir Leid, aber ihr müsst das jetzt ausbaden, ich hab mich damit in der Uni befasst und muss mein Wissen weitergeben). Robert W. Chambers' "The King in Yellow" lieferte die Vorlage für das gleichnamige Mysterium innerhalb der Serie, und die Anspielungen und Parallelen sind zahllos. Wer sich zu sehr in das Werk vertieft wird wahnsinnig, und hinter der Fassade lauern die Monster und Dämonen. Erinnern wir uns kurz an die beinahe legendären Worte von Cohle:
You, yourself, this whole big drama, it was never anything but a jerry-rig of presumption and dumb will and you could just let go, finally know that you didn't have to hold on so tight. To realize that all your life, you know, all you love, all you hate, all your memory, all your pain—it was all the same thing. It was all the same dream, a dream you had inside a locked room, a dream about being a person. And like a lot of dreams . . . there's a monster at the end of it.
Diese Ausflüge in den Bereich der weird fiction sind auch in dieser Staffel wieder vorhanden, beispielsweise mit den maskierten Menschen und ihren schicken Vogelmasken. Ich würde auch die Frau in dem Milchtopf dort einordnen, einfach weil ich sie noch nicht aufgeben will. Doch es ist anzunehmen, dass diese Aspekte auch in der aktuellen Staffel nicht die große Rolle spielen werden, die sie verdienen. Doch auch die Eröffnung mutete seltsam an. Normalerweise sind die Figuren innerhalb dieser Serie alle ein wenig abgehoben. Sie reden ein bisschen zu affektiert, ein bisschen zu langsam, ein bisschen zu theatralisch. Dass nun in den ersten Minuten auf diesen Zug vollends aufgesprungen wurde, man sich der eigenen Inszenierungsart bewusst wurde und sie über den Bogen hinaus spannte war eine willkommene Abwechlung.
Ray hat natürlich überlebt. Ich gehöre auf jeden Fall zu denjenigen, die sich darüber freuen. Sicher wäre es krass gewesen, eine der Hauptfiguren noch im ersten Viertel der Staffel über die Klinge springen zu lassen. Doch Ray ist nach wie vor eine der interessantesten Figuren innerhalb der Serie. Vor allem aber hat diese Erfahrung ihn tatsächlich verändert. Zumindest in dieser Folge trinkt er nicht, und auch sonst wirkt er weniger aggressiv. Nachdem andere Serien oftmals vor Konsequenzen jeder Art zurückschrecken ist das wirklich eine angenehme Abwechslung. Ihn aus der Serie zu schreiben würde ihr ein gutes Stück Drive wegnehmen, und ich bin mir noch immer nicht sicher, ob das verkraftbar wäre.
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Wir kriegen auch gleich noch mehr Infos über Velcoro. Sein Vater ähnelt ihm doch sehr in Sachen Verhalten. Und seine Beteiligung am Fall verdankt er wohl auch eher seinem bereits nicht so sauberen Ruf. Ani bezeichnet ihn als burn-out, und Velcoro selbst schätzt sich nun auch nicht gerade als Columbo ein. Was wieder die Frage aufwirft, ob überhaupt jemand Interesse daran hat, dass dieser Fall gelöst wird. Falls der Angriff auf ihn eine Warnung von Seiten der Chefetage war (Ray sagt, dass die Kugeln bei der Polizei benutzt werden), dann ist sie jedenfalls mächtig nach hinten losgegangen. Eindeutig wollen die verschiedenen Chefs von Vinci, dass irgendein Sündenbock für den Fall gefunden wird. Aber Ray ist jetzt angepisst, und vermutlich hat er auf die alten Spielregeln keine Lust mehr. Oh, wie ich Cops mag, die sich von der Leine lösen.
Vince Vaughn kämpft auch in dieser Woche wieder gegen das Drehbuch und die Dialoge an. Mir tut das in der Seele weh, denn ausgerechnet ihn hätte ich im Vorfeld niemals als Schwachstelle angesehen. Doch die Figur ist zu 0815 angelegt, die Dialoge sind eine Spur zu hoch, und selbst der Befreiungsschlag am Ende überzeugte mich nicht. Semyon (und seine Frau, wenn wir schon dabei sind) ist einfach eine Figur, deren Schicksal mich kein Stück interessiert.
Überraschend ist dagegen Taylor Kitsch gewesen. Seine Figur bekommt endlich ein wenig zu tun, und er darf mehr zeigen als nur den beleidigt-passiv-aggressiven Blick. Dass er sich mit den anderen nicht wohlfühlt ist nachvollziehbar, er hat von allen einfach am wenigsten Qualifikationen für diesen Fall. Dass seine Hintergrundgeschichte nicht nur aus "Einsatz beim Militär mit nachfolgendem Trauma" besteht ist ebenfalls erfreulich. Dass seine einzige Parallele zwischen Privatleben und Arbeit nun auf sexueller Ebene ausgespielt wird ist zwar keine herausragende neue Erfindung, aber es war effektiv platziert und gespielt. Auch solide Hausmannskost kann gut gemacht sein. Rückblickend muss außerdem eingeräumt werden, dass auf diese Entwicklung hingearbeitet wurde, und rückblickend ist dieses hinarbeiten eindeutig und zielführend. Sicher, der allzu männliche Mann, der sich nicht eingestehen will dass er eben doch schwul ist, ist mittlerweile ein Klischee. Aber gegen ein sorgfältig ausgearbeitetes, gut erzähltes Klischee habe ich nicht ganz so viel einzuwenden wie gegen faules Storytelling, also nehme ich dieses kleine Übel mal so hin.
Rachel McAdams ist in dieser Episode solide, doch die großen Momente für ihre Figur fehlen. Ihre E-Zigarette scheint zum running gag zu werden. Ihre Vorgesetzte hat komische Ideen wie man sich eine Beförderung verdient. Mit Akzenten kennt sie sich auch aus. Und die Chemie zwischen Ani und Paul ist nicht so richtig greifbar, dafür harmoniert sie wirklich wundervoll mit Ray. Es macht Freude den beiden zuzusehen, auch weil sie beide erkennen, dass der jeweils andere nicht so schlecht ist, wie die Vorgesetzten ihnen das einreden. Sie fangen an, sich gegenseitig den Rücken zu decken, und sie reden Klartext miteinander. Spielregeln exisitieren von Oben, aber beide halten sich nicht daran.
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Die einzelnen Figuren waren in dieser Folge auch auf andere Art und Weise verknüpft. In vielen Gesprächen wurde sich oberflächlich über etwas unterhalten, während einer der Gesprächspartner etwas ganz anderes in das Gesagte interpretierte. Miguel redet mit Paul über die Tage in den Bergen, Paul entschließt, nur die Zeit im Militär gedanklich zuzulassen. Das Gespräch zwischen Ray und seiner Exfrau verläuft nach einem ähnlichen Muster, und auch der Besuch der Semyons in der Klinik zu Beginn der Episode deutet diese fehlerhafte Kommunikation an.
Auch sonst sind schöne, subtile Anspielungen in der Folge versteckt. Caspere's Haus wird von dem Chaos in der Villa des Bürgermeisters getoppt. Die Korruption zieht sich bis in die höchsten Etagen und darüber hinaus. Paul und Semyon treffen zufällig aufeinander, für einen kurzen Augenblick. Doch Zufälle gibt es nicht, Recht, Ordnung, das Gesetz und die Verbrecher hängen in dieser Stadt so dicht zusammen wie Fledermäuse in ihren Höhlen. Der Eine kann nicht ohne den Anderen, man wird sich helfen müssen um den Fall zu klären. Einen Fall, der offensichtlich nicht geklärt werden darf. In einer Stadt, in der Alles nur eine Maske ist. Dass diejenigen, die tatsächlich Masken tragen hier die größten Verbrecher sein werden ist dabei so gut wie ausgeschlossen.
Notizen für eure Akten:
Nennt mich paranoid, aber dieser inkompetente Director innerhalb der Serie (bei diesem Trashfilm) war mir eine viel zu eindeutige Anlehnung an das Genie aus Staffel eins, Cary Fukunaga. Sollte das Absicht gewesen sein wäre das ein wirklich hässlicher Zug von Nic Pizzolatto gewesen. Dreckige Wäsche gehört nicht öffentlich gewaschen...
Janus Metz Pedersen hat die Regie übernommen. Wir haben immernoch viele Aufnahmen der Interstate, aber deutlich weniger Nahaufnahmen von verschiedenen Gesichtern. Gefällt mir außerordentlich gut.
Das Haus des Bürgermeisters ist ein verrückter Ort, oder? Ein wenig erschien es mir wie eine Parallele zum kaputten Haus vom Ende der ersten Staffel, nur eben ein bisschen schicker.
Das Opening hatte schon so leichte Lynch-Qualitäten, oder bin ich zu beeinflussbar weil ich erst vor 2 Tagen "Lost Highway" gesehen habe?
Vince Vaughn und Sperma sind keine gute Kombi, man denke mal an "The Delivery Man".
Ray's Vater schaut sich "Detective Story" aus dem Jahr 1951 an.
Auch die Leiche am Ende hatte ihre Augen herausgeätzt.
Mehr Musik: "The Rose" von Conway Twitty am Anfang, "Detox Mansion" von Warren Zevon, "Set us free" von Black Mountain, "Intentional Injury" von Bonnie Prince Billy.
Der Ray der Woche: "Pissed myself".
Was geht mit Dix ab? Also, der Kollege von Ray, der über null Motivation verfügt? Er hat Paul verfolgt und Fotos von ihm gemacht, aber wozu?
Mordfall beobachten müssen wir ja auch noch: die Verbindung zum Filmbusiness bringt das Fluchtfahrzeug, ein weiterer von Semyons Kollegen stirbt, und die Firma Lux Infinitum spielt eine Rolle.
Ab kommendem Montag bin ich für 10 Tage im Urlaub in Belgrad. Vermutlich werde ich Zeit finden um sowohl True Detective als auch Hannibal zu schauen und darüber zu schreiben, ich kann allerdings nicht garantieren dass die Recaps dann so zeitnah kommen wie momentan. Aber ich geb mir Mühe :)