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Moviebreak Monatsrückblick: April

von Levin Günther

1. Highlights aus den Kinosälen: 

Logan - Interessanterweise reflektiert LOGAN dabei nicht nur seine eigene Existenz als Fiktion, als populärkulturelle Entität, sondern findet auch als sagenumwobenes Kulturgut seiner selbst eine Möglichkeit für Wolverine, überzeitlich bestehen zu dürfen, während er irdisch langsam verblasst. Eben weil er das Recht hat, verblassen zu dürfen. Weil er sich lange genug für andere aufgeopfert hat. James Mangold findet sich mit seiner hervorragenden Inszenierung dabei inmitten von bestialischer Gewalt und zerbrechlicher Menschlichkeit wieder. Erzählt von Vergessen und Erinnern. Von beschissenen und sinnhaften Tagen, von zerfurchten, versoffenen lebensmüden, denen gestattet wird, keine Helden mehr zu sein.  Nicht hier.

Get Out - GET OUT lebt erst einmal davon, dass er das Unbehagen des (scheinbaren) Bedrohungsszenarios, in das Chris beim Besuch seiner Schwiegereltern in Spe geworfen wird, graduell intensiviert. Wie gekonnt Newcomer Jordan Peele die auf den afroamerikanischen Hauptdarstellung einschlagenden Beklemmungen verdichtet, das führt schon ein ums andere Mal zu echten Nägelkaumomenten. Dass GET OUT sein reines, genreaffines Angstgefüge auch transzendieren möchte, gibt dem Film zum einen den doppelten Boden, auf eine gesellschaftliche Problematik hinzuweisen, die nach wie vor aktuell ist, allerdings fehlt GET OUT letzten Endes der Mut, diesen Ansatz zu nutzen, um den Zuschauer in seinen vorgefertigten Gedankenwelten zu entlarven.

The Founder - Eine echte Überraschung. Keine weichgespülte Biopic-Formel, kein hohles, patriotisches Abfeiern, sondern spritziges, vitales und, ja, wachsam-differenziertes Kino, bei dem Michael Keaton schon wieder eine brillante Performance herausrockt. Besonders erfreulich ist aber, wie deutlich THE FOUNDER aufzeigt, dass in das Fundament des amerikanischen Traums nicht zuletzt Verrat und Raffgier eingemeißelt sind. Kein Wunder, dass sich McDonalds von diesem Film distanzierte.

2. Flops aus den Kinosälen:

The Birth of a NationEine reine Geschmacklosigkeit. Die wutentbrannte Ägide, mit der Nate Parker hier zu Werke schreitet, birgt kein flammendes Plädoyer gegen Rassismus in sich, sondern offenbart sich als primitives Rape-and-Revenge-Geflecht, in dem sich Parker in der Rolle des Revoltenanführers Nat Turner selbstbesoffen zum Erlöser stilisiert. Es reicht wohl aus, die Qualität von THE BIRTH OF A NATION zu erklären, wenn man aufzeigt, dass es sich hierbei um eine Heldensaga handeln soll. Puh.

Fifty Shades of Grey 2 - Dieser auf Hochglanz polierte Schmatzfetzen mit Popohaugarantie, der vor allem dazu da ist, Mädchenträume zu stimulieren und Hausfrauenphantasien anzuheizen (weil ist ja alles so kontrovers und uiuiui, wenn Papi mir aufs Maul gibt, ist das nicht so sexy wie bei Mr. Grey), ist vor allem eines: Ein breiiger Haufen verklemmter Moralverstrahlung. Wenn sich hier noch einmal jemand anmaßt, zu sagen, in FIFTY SHADES OF GREY 2 ginge es um BDSM, dann darf man diese Person unangespitzt in den Boden rammen. Ist auch BDSM (nach der Logik des Films). Hier wird weitergehend sexuelle Gewalt und emotionale Erpressung als heißester Scheiß propagiert, bei dem sich die untervögelten Dummchen lasziv auf die Unterlippe beißen. Schlag mich! Ist BDSM! Stalk mich! Ist BDSM! Schotte mich von allen sozialen Kontakten ab! Ist BDSM! Und wenn ich NEIN sage, will ich nur spielen. Ist BDSM! Dass die Nummer hier auch noch SAGENHAFT (!) schlecht geschrieben, hochnotpeinlich gespielt und frei von jedem eigenständigen visuellen Vokabular gezeichnet ist, gibt dem verqueren Scheiß den Rest. Wegmachen.

3. Highlights im Heimkino:

Insider - In erdrückender Tiefenschärfe versteht Michael Mann nicht nur visuell jeden Winkel seiner komplexen Bildkompositionen auszuleuchten und zu einem eisblauen Gemälde der Wahrhaftigkeit zu gestalten. INSIDER nimmt sich die Zeit, den Raum, den Mut, seine vielschichtigen Charaktere minutiös zu erforschen. Seine beiden Hauptdarsteller, die lange Zeit darum kämpfen, wem dieser Film denn nun eigentlich gehören darf, bis die menschliche Tragödie die Antwort liefert: Keine Sorge, die Einsamkeit soll euch beiden sicher sein.

Tiger and Dragon - Etwas zum Träumen. Zum Schwelgen. Zum Verweilen. Was bei TIGER & DRAGON besonders augenfällig scheint: Kaum ein anderer Regisseur unserer Zeit besitzt eine derartige Fähigkeit dahingehend, die Stille sprechen zu lassen. In der Lautlosigkeit findet Ang Lee niemals Stagnation, sondern einen immerzu sprudelnden Quell der Inspiration, eben weil seine Filme so wunderbar in sich ruhen, sich ihrer inneren Mitte bewusst sind und den Zuschauer geradewegs in ihren feinfühligen Bann ziehen. TIGER & DRAGON ist ein Werk von majestätischer Schönheit, von erhabener Zärtlichkeit, in dem sich Anmut und Gewalt im stetigen Wechsel fortwährend gegenseitig befruchten, um einen philosophischen Diskurs über die Bedeutung unseres Daseins zu bemühen, dessen poetische Strahlkraft gleichermaßen berührt wie fasziniert.

Dirty Harry - Eindrucksvoll reiht Don Siegel dabei eine denkwürdige Szene an die nächste und lässt zwei Jäger gegeneinander antreten, die beide auf ihre Art und Weise nie gelernt haben, mit der Einsamkeit in ihren Herzen umzugehen. Sie sind Opfer einer vollends verwilderten Welt. Und weil auch Harry weiß, dass er nicht mehr zu domestizieren ist, bleibt ihm nur noch eine Wahl: Er muss sich seiner Dienstmarke und damit auch seiner Identität entledigen. Klassiker.

The Verdict - Die prozessualen Verstrickungen, die ein Gespinst aus Intrigen, Erpressung und Verschleierung gebären, sind dabei natürlich mal wieder ein inszenatorischer Ausbund in Sachen inhaltlicher Konzentration. Vor allem aber gestaltet sich Lumets analytisches Gespür für ausgefeilte Psychogramme erneut ungemein einnehmend: Die Geschichte eines abgehalfterten Säufers ist kein bleiern-existenzielles Klagelied, stattdessen wird der siedende Gerichtsthriller von der klugen Lektion umfasst, dass auch im Gewinn immer ein Stück weit Verlust lagert.

Tschick - Für einen Fatih Akin letztlich zwar sehr „zugänglich“ und kein Heavy Metal in die verschwitze Fresse, aber dieses angenehm sanftmütige Jugendabenteuer, basierend auf dem gleichnamigen Bestseller, geht einfach ans Herz und erfreut das Gemüt

4. Flops im Heimkino: 

Verborgene Schönheit - Eine einzige Unfassbarkeit von Schmalzklamotte. Wer sich bei VERBORGENE SCHÖNHEIT wirklich geborgen, verstanden, aufgefangen fühlt, der kann sich auch kopfüber in die Zuckerwattemaschine hängen. Ist genauso wirr, klebrig und süß. Wie unverhohlen der Film sich selbst dafür auf die Schulter klopft, emotionalen Missbrauch im großen Stil abzuleisten (nichts anderes geschieht hier inhaltlich), ist schon, ja, beeindruckend. Beeindruckend weltfremd. Richtig bekloppt wird dieses verquere Malträtieren der Tränendrüsen aber erst am Ende, wenn der Film auf den Abspann zu rollt, aber die ein oder andere geniale Idee noch parat hält, die unbedingt noch eingebaut werden muss. Da stimmt dann gar nichts mehr. Hanebüchener, von Glückskeksweisheiten gestürmter Weichspüler wäre wohl noch ein Kompliment für diesen Rotz.

Willkommen bei den Hartmanns - Hier gibt es keine Auseinandersetzung mit einem sich in zwei Pole aufspaltendem Land, sondern nur das Handeln nach dumpfbackigen (problematisierten) Schlagworten, für die der Film gen Ende einzig und allein harmonische Lösungen parat hält. Natürlich sind die Figuren nur billige Reißbrettscheisshaufen, die immer so agieren, wie man es erwartet (und wie es den Zuschauer am wenigsten überfordern könnte). Dass man hier das ein oder andere Mal schmunzeln darf, liegt maximal am vorhandenen Schauspieltalent von Uwe Ochsenknecht und Heiner Leiterbauch. Das Thema jedoch selbst hat man hier nicht nur verfehlt, sondern auch bagatellisiert.

Das Leben ist schön - DAS LEBEN IST SCHÖN wirkt gleichzeitig wie ein selbstzweckhaftes Kasperletheater, in dem Robert Benigni sich vor allem selbst ein Denkmal errichten lassen wollte. Ist es aber geschmacklos, sich durch das KZ zu blödeln? Nicht unbedingt, wenn der Kontext stimmt. Bei Benigni allerdings fehlt die Schärfe, die Tiefe, es fehlt das Feingliedrige, das Feinstoffliche, stattdessen ist DAS LEBEN IST SCHÖN ein märchenhaft-manipulativer Versuch, dem Holocaust auch mit einem Lächeln zu begegnen, ohne ihn zu verharmlosen. Es ist ein Film für Gewinner. Und das ist im ersten Moment befriedigend, in Wahrheit aber vollkommen falsch. Leider trivialisiert Benigni nach sein Sujet Strich und Faden, was sich vor allem an den schwach geschriebenen Charakteren manifestiert.

Malcolm X  - Mit Sicherheit, auch MALCOLM X verfügt über einige sehr eindringliche Symbolbilder und bleibt im Kern durchaus ein Diskurs über das Krebsgeschwür namens Rassismus. Spike Lee aber dringt nicht in die Tiefe, er haftet an der hagiographischen Oberfläche, was das Bewusstsein des Zuschauers für das Sujet ebenfalls über weite Strecken verflacht. Immerhin aber glänzt Denzel Washington (Fences), der dem moralischen Führer durch sein pointiertes Spiel mehr Ambivalenz zugesteht, als es dem Drehbuch möglich scheint.

5. Alles über Serien: 

Weiterhin gucke ich die siebte Staffel Shameless, die mir auch ziemlich gut gefällt. Habe darüber hinaus auch mit Six Feet Under angefangen. Richtig gut.

6. Was ich im Mai gucken möchte:

Filme. Ganz viele. Mehr als im April jedenfalls.

7. Filmschaffender des Monats:

Ang Lee. Aus Prinzip.

8. Der Monat in einem Wort: 

Leben.

Soulmeister

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