1. Highlights aus den Kinosälen:
The Killing of a Sacred Deer – Natürlich sind Nachvollziehbarkeit, Logik und Sympathie auch keine Facetten, mit denen Lanthimos sich beschäftigt. Sein Film ähnelt einer mathematischen Gleichung, einer rein theoretischen Auseinandersetzung mit moralischen Grundprinzipien. The Killing of a Sacred Deer ist eine filmgewordene Parabel und scheut sich nicht davor seine Zuschauer ein ums andere Mal vor den Kopf zu stoßen. Einmal mehr sind Lanthimos Figuren außerstande mit ihren Emotionen umzugehen, was in bizarren Dialogen, unverständlichen Posen und radikalen Bildern gipfelt. The Killing of a Sacred Deer zeigt mehr von dem, was wir bereits kennen. Das ist noch immer großartig, weil es aktuell keinen Regisseur außer Lanthimos gibt, der moralische und gesellschaftliche Diskurse so skurril, eigensinnig, verstörend und nichtsdestotrotz präzise reflektiert wie er. Dennoch muss der griechische Regisseur aufpassen, dass er nicht zu einer Parodie seiner selbst verkommt und beweisen, dass er sich mit zukünftigen Werken auf seine ganze eigene Art und Weiße neu erfinden kann.
Western – Mit Western ist Valeska Grisebach eine präzise inszenierte und feinfühlig geschriebene Charakterstudie gelungen, die sich unter Zuhilfenahme von Genremotiven an den Sehnsüchten eines einfachen Mannes abarbeitet, der Zeit seines Lebens immer nur zwischen den Stühlen stand. Wer dieses Jahr auch nur einen deutschen Film sehen will, der sollte es mit diesem hier versuchen.
Thelma – Fühlt sich in etwa so an, als hätte Ingmar Bergman seine eigene Version von Carrie – Des Satans jüngste Tochter gedreht. Das grob am Topos des Coming-of-Age Films orientierte Werk besticht durch seine suggestive Inszenierung und einem stark symbolischen Narrativ, welches man auf verschiedene Arten deuten kann. Sexuelle Lust begreift Joachim Trier dabei als den zentralen Trieb des menschlichen Daseins, während das Unterbewusstsein die Kontrolle übernimmt. Sigmund Freud wäre begeistert gewesen.
2. Flops aus den Kinosälen:
Detroit – Denn obgleich Kathryn Bigelows inszenatorisches Geschick unantastbar über dem Film schwebt, verpasst sie es aus dem mitreißend und dynamisch eingefangenen Geschehen einen lohnenswerten Diskurs zu formen. Detroit ist ein wütendes Stück Film, dem es vor allem an Zwischentönen mangelt. Das Werk denkt im wahrsten Sinne des Wortes nur schwarz und weiß, teilt alles in Gut und Böse, was in letzter Konsequenz nur noch mehr Hass schürt. Die detaillierte Nachzeichnung des historischen Konflikts nutzt Bigelow nicht etwa, um einen Bezug zur Gegenwart herzustellen, gängige Rassenklischees aufzubrechen oder ethnisch bedingte Gewalt zu hinterfragen, sondern lediglich um eine immersive Filmerfahrung zu bieten. Das mag vielen Zuschauern reichen, ist letztlich aber viel zu kurzsinnig gedacht, gerade weil Detroit den reflektierenden Umgang mit seiner Thematik meidet und den Betrachter stets in dessen Komfortzone verweilen lässt.
Loveless – Der Beginn einer neuen Eiszeit. Unentwegt erzählen die unterkühlt langsamen Bilder vom Zerfall der Gesellschaft, von einer Welt ohne Liebe und vom inneren Stillstand ihrer Bewohner. In seinem neuesten Film beschränkt sich Andrey Zvyagintsev nicht nur auf eine Kritik des russischen Volkes, sondern schlägt seine Furchen tiefer ins Innere der Menschheit. Die im Nichts verlaufende Suche nach einem verschollenen Jungen soll zum Sinnbild dieser aseptischen Wirklichkeit werden, mündet aber letztlich nur in sprödem Menschenhass.
120 BPM – Auch wenn 120 BPM seinem eigenen Anspruch zwischen wütendem Protestfilm und historiengetreuem Dokument nie vollends gerecht wird, so ist er über weite Strecken dennoch erstaunlich einnehmend, aufwühlend und abseits ausgelutschter Klischees inszeniert. Robin Campillo hat viele Möglichkeiten seinen Film zu beenden, leider verpasst er die beste davon und ergeht sich in den darauffolgenden 30 Minuten in einem unangenehmen Leidensporno, der alldem entgegensteht, was den Film über knapp zwei Stunden so sehenswert gemacht hat.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri – Der Film erzählt von einem gebrochenen Amerika. Einem Amerika fernab jeder Moral, in dem es lediglich Verlierer gibt und jeder Nationalstolz längst einem tauben Gefühl von Willkür gewichen ist. Es mag harsch erscheinen, Martin McDonaghs neuestes Werk zu den Flops zu zählen, doch angesichts der von seinen Vorgängern geschürten Erwartungshaltung, war es leider genau das. Eine Enttäuschung. Leider wird das typische Markenzeichen des Regisseurs, sein Humor, zum größten Problem des Films. Immer wenn Three Billboards Outside Ebbing, Missouri das volle Potenzial aus seinem mitreißenden Drama schöpfen könnte, zerstört McDonagh diese Momente durch klamaukhafte Parolen und deplatzierte Gags. Nichtsdestotrotz sehenswert, aber dennoch enttäuschend.
3. Highlights im Heimkino:
Tödliche Entscheidung – Sidney Lumets letztes Werk schreitet konsequent voran und manövriert seine Figuren dabei immer weiter ins Unglück. Tödliche Entscheidung – Before the Devils Knows You`re Dead zeigt den schrittweisen Verfall einer desolaten Familie, gebettet ins Sujet eines Kriminalfilms und aufgrund seiner Zeit- und Perspektivwechsel so einnehmend erzählt, dass er sich von Minute zu Minute weiter steigert.
Der Tod kennt keine Wiederkehr – Sowohl Hommage, Abgesang und Verhöhnung des Film Noirs. In Robert Altmans Film erinnert vieles an die Schwarze Serie, doch die Kamera gleicht einem Zerrspiegel und variiert bekannte Motive so lange, dass es beinahe einer Farce gleicht. Die Neuinterpretation des bekannten Noir-Helden Philip Marlowe beschränkt sich jedoch nicht auf sein Dasein als wehmütige Abrechnung, sondern bildet darüber hinaus eine merklich seltsame und wunderbar eigensinnige Kriminalgeschichte ab.
Der Chef – Jean-Pierre Melvilles letztes Werk erzählt von einer elegischen Welt, in der nur wenig Platz für Gefühle vorhanden ist. Unnachgiebig verfolgt ein eisiger Blaustich das Katz- und Mausspiel zwischen Gangster und Polizei, bei dem Anspannung allgegenwärtig ist. In Der Chef ist jeder Fehler einer zu viel, jeder noch so kleine Schritt entscheidend. Letztlich gibt es keine Gewinner, denn der Schlusspunkt macht deutlich, dass es von Beginn an nur Trauer und Schmerz zu erringen gab.
4. Flops im Heimkino:
Andy Warhols Frankenstein – Der vom bekannten Künstler produzierte Film ist ein schmuddelig inszeniertes Exloitationwerk, welches vordergründig an Blut und nackter Haut interessiert scheint. Regisseur Morrissey gelingt es nicht die typischen Allmachtsfantasien und Schöpferriten des Frankenstein-Mythos zu erweitern oder gar in den Vordergrund zu rücken. Die ausschließlich triebgesteuerte Aufmachung des Films könnte ein interessantes Thema darstellen, verkommt aber leider immer wieder zum lustlosen Softporno.
5. Alles über Serien:
Stranger Things Staffel 2 begonnen – abgebrochen…
6. Für den Dezember plane ich:
Da gibt’s einen Geheimtipp, nennt sich Star Wars: Episode VIII – Die letzten Jedi
7. Künstler des Monats:
Jean-Pierre Melville, weil seine von kühler Melancholie getragenen Welten ein ums andere Mal faszinieren.
In Liebe