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Moviebreaks Monatsrückblick: April

von Thomas Repenning

1. Highlights aus den Kinosälen:

Letztes Jahr in Marienbad - Wohl auf ewig eines der rätselhaftesten, unlösbaren Mysterien der Filmgeschichte. Alain Resnais‘ surreal-avantgardistisches Drama beschreibt die Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau, die sich ebenso wie der Film selbst in den unzähligen Ebenen zwischen Realität, Traum, Vergangenheit, Gegenwart und Imagination verlieren. In hypnotisierenden, formschönen Einstellungen und unterlegt von eindringlichen Orgelklängen inszeniert der Regisseur sein Werk als faszinierendes Traumspiel, in dem das vollständige Ignorieren herkömmlicher Erzählmuster auf gleichermaßen frustrierende wie anregende Weise unzählige Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Am Ende liegt es am Zuschauer, den Gang durch die labyrinthischen Räumlichkeiten des Films selbst anzutreten und sich von den Mysterien entführen zu lassen. 

Avengers: Infinity War - Der bislang beste Film des Marvel Cinematic Universe. Eine Lobpreisung, die zweifelsohne hoch greift und doch angebracht ist für diesen Film, der zugleich das 10-jährige Jubiläum des MCU markiert. Ließ sich über die Qualität der einzelnen Beiträge des MCU schon immer vortrefflich streiten, so vereint die 18 Filme in Anbetracht von Avengers: Infinity War aber doch ein gemeinsames Merkmal: Sie alle wirken rückblickend wie mühevoll und beharrlich betriebene Vorarbeit, die nun dazu geführt hat, dass der 19. MCU-Beitrag eine Emotionalität und Drastik erreicht, die sich in derartigem Ausmaß innerhalb dieses filmischen Universums zuvor nur erahnen ließ. Der erhoffte Höhepunkt, der das Franchise auf eine neue Ebene befördert. So emotional und gewichtig wie jetzt war die Filmreihe nie.

I, Tonya - In I, Tonya überwindet Craig Gillespie die starren Grenzen des klassischen Biopics, indem die Wahrheit am Ende anstelle von öde heruntergekurbelten Wikipedia-Informationen nur noch ein unbrauchbarer Begriff geworden ist, der sich in mehrere Richtungen biegen und verdrehen lässt. Wenn die Protagonistin, die sich zwischen all den Rückschlägen nichtsdestotrotz stets zumindest so etwas wie ihre Würde bewahren will, selbst die bittere Erkenntnis äußert, dass das Land Amerika immer jemanden will, das es lieben kann, und jemanden, das es hassen kann, findet Gillespie mit einer famosen Montage, in der Tonya auf zweierlei Arten durch die Luft fliegt, noch einmal zur Essenz seines Films. Die Wahrheit ist kaum mehr als ein mit Schminke verschmiertes Gesicht, das unter Tränen noch ein Lächeln hervorpresst.

Distant Voices, Still Lives - Oftmals fühlt sich Distant Voices, Still Lives tatsächlich so an, als würde man als Zuschauer durch ein älteres, vergilbtes Fotoalbum blättern. Durch die blassen Sepiatöne, mit denen Terence Davies seine behutsam komponierten Einstellungen versieht, wirkt es so, als sei jeder Moment dieses Films bereits zu einem Dasein in der Vergangenheit verdammt, selbst wenn gerade so etwas wie Gegenwart herrscht. Hierbei folgt Davies keinen Regeln des linearen Erzählens, sondern inszeniert und montiert die einzelnen Szenen als frei durch die Zeit schwebende Erinnerungssplitter. Dabei ist der Film von autobiographischen Bezügen gespickt, durch die der Regisseur seine eigene Kindheit verarbeitet. Vom dunklen Schatten des Vergangenen vermag sich Davies‘ Film auch hier niemals vollständig zu lösen, doch zumindest hat der Regisseur einen Weg gefunden, wieder etwas Licht in das Leben zu lassen. Durch die Anwesenheit des Regisseurs, der anschließend noch gut 40 Minuten lang Fragen beantwortet hat und tiefe Einblicke in sein bewegtes Leben gab, ein absolut magisches Kinoerlebnis.

2. Flops aus den Kinosälen:

Keine.

3. Highlights im Heimkino:

Das Irrlicht - An ein Umstimmen im letzten Moment ist in Louis Malles Film, der den Betrachter von Beginn an in Alains aschgraue Lebenswirklichkeit zieht, aber nicht zu denken. Alain schreitet nicht durch die Straßen von Paris, um einen letzten Strohhalm zu finden, an den er sich klammern kann. Die größte Errungenschaft von Das Irrlicht ist es, dass der Zuschauer des Films mit fortwährender Dauer genauso wie die Hauptfigur gar nicht mehr nach solch einem Strohhalm Ausschau hält. Malles Werk ist auf seine Weise einzigartig, denn einen Film, der so tief in das Bewusstsein eines suizidalen Depressiven vordringt und dessen Gefühlen, die keine Gefühle mehr sind, mit empathischem Verständnis begegnet, hat es in der Filmgeschichte vor Erscheinen des Werks im Jahr 1963 noch nicht gegeben.

Beyond Clueless - Zweisichtung dieses fantastischen Filmessays, mit dem der britische Filmkritiker Charlie Lyne tief in das Wesen der zwischen den 90er und frühen 00er Jahre kursierenden Teen-Movies eindringt. Anstelle von weitreichenden Analysen, die den einzelnen Filmen völlig innovative, ungeahnte Aspekte abgewinnen, verbindet Lyne stattdessen auf gekonnte Weise erhellende Kommentare mit formschönen Assoziationen und eindringlichen Stimmungsbildern. Ein einziger Genuss. 

Lilja 4-ever - Ein gleichermaßen mitreißendes wie nur schwer erträgliches Sozialdrama, in dem der Regisseur anhand eines ausführlich gezeichneten Einzelschicksals das tragische Elend einer ganzen Generation zeichnet. In den Plattenbaugegenden Russlands scheint Lukas Moodysson immer wieder nach einem rettenden Grashalm greifen zu wollen, wenn kurze Momente von optimistischer Zärtlichkeit durch einzelne Szenen strahlen. Als Gesamtwerk besitzt Lilja 4-ever hingegen einen deprimierenden, niederschmetternden Sog, der den Zuschauer immer tiefer in die grausame Abwärtsspirale reißt, in die die Hauptfigur gezogen wird. Ein äußerst starkes Werk, das man nach einer Sichtung wahrscheinlich nicht mehr so schnell an sich heranlassen will, auch wenn es längst in einem verankert ist.

4. Flops im Heimkino:

Der unglaubliche Hulk - Als Einstimmung auf Avengers: Infinity War geschaut. Kopfschmerzen von Anfang bis Ende. 

5. Alles über Serien:

Verteilt über ein Wochenende die Mini-Serie Acht Stunden sind kein Tag von Rainer Werner Fassbinder geschaut. Ein überaus sehenswertes Fernsehrelikt, in dem politisch-emanzipatorische Ansätze und Gedankengänge in das Konstrukt der Heile-Welt-Familienserie einbrechen. Neben den Fassbinder-typischen Markenzeichen, die theaterhaft-überzogenes Schauspiel und irritierende Dialogzeilen in sich vereinen, ist die Serie als ebenso optimistische wie subversiv zwischen staubiger Bequemlichkeit und rebellischer Bissigkeit pendelnde Kampfansage gegen fest eingepasste Vorschriften, vermeintlich unveränderbare Strukturen und ungerechte Benachteiligung aufzufassen.

6. Für den Mai plane ich:

Gutland, Familiye, Deadpool 2, Solo: A Star Wars Story, In den Gängen, Feinde - Hostiles, Tully

7. Filmschaffende(r) des Monats:

Terence Davies

8. Mein Monat hat mich irgendwie an diesen Film erinnert:

Lola rennt

9. Thema des Monats: Meine Gedanken zu Solo: A Star Wars Story

Sehe ich mir sowieso im Kino an. Erwartungen habe ich keine.


MrDepad

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