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"Pokémon-Legenden: Z-A" - Videospiel - Test / Review

von Thomas Repenning

Drei Jahre sind seit Pokémon Karmesin & Purpur vergangen – drei Jahre, die in der Welt der knuffigen wie sympathischen Taschenmonster eine kleine Ewigkeit darstellen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gönnte sich Game Freak also spürbar Zeit zwischen zwei großen Haupttiteln. Das weckt Hoffnung, gerade nach den technischen Katastrophen der letzten Jahre. Und tatsächlich: Mit Pokémon-Legenden: Z-A schickt das Studio nicht nur ein weiteres Experiment auf die Reise, sondern vielleicht auch den ersten Schritt in eine neue Ära. Ob das gelingt? Ich habe mich durch Illumina City treiben lassen – und zwischen Neonlichtern, Holo-Liften und jazzigem Big-Band-Sound jede Menge Pokémon gefangen. 


Test

Die wohl größte Überraschung zeigt sich gleich zu Beginn: Z-A spielt ausschließlich in Illumina City, der Metropole aus Pokémon X & Y, die mit ihren Pariser Anleihen und dem ikonischen Prismaturm sofort wiedererkennbar ist. Kein Wald, kein Gebirge, kein langer Marsch durch die Wildnis – stattdessen urbane Dichte, Straßencafés und Hochhausdächer. Eine mutige Entscheidung, die sich schnell als Glücksgriff entpuppt. Denn Illumina City lebt. Überall begegnen mir Menschen und Pokémon, die sich gemeinsam durch das Stadtbild bewegen. Klar, das hier ist kein Cyberpunk 2077 – die NPCs haben keinen echten Tagesablauf, keine künstliche Intelligenz, die eigene Geschichten spinnt. Doch beeindruckend ist es dennoch. Denn die Stadt wirkt bewohnt, organisch, echt. Und das allein ist mehr, als man zuletzt von Game Freak erwarten konnte.

Nach dem obligatorischen, etwas zähen Tutorial – Traditionen müssen gewahrt bleiben – bekomme ich endlich den Schlüssel zur Stadt in die Hand gedrückt. Von da an heißt es: entdecken, fangen, kämpfen, verlieren, wieder aufstehen. Und genau hier beginnt Z-A zu glänzen. Illumina City ist dabei in Sektoren unterteilt, und zwischen den Wohnblöcken, Märkten und Baustellen lauern eingezäunte Wildzonen. Hier regieren neben Häusern und Autos eben die Pokémon. Das urbane Pokémon-Leben – endlich zum Greifen nah.

Das Fangen funktioniert fast identisch wie in Legenden: Arceus: Kein Kampfübergang, kein ständiges Menügeklicke. Ich nehme ein wildes Pokémon ins Visier, werfe einen Ball – und hoffe, dass es ihn annimmt. Wilde Pokémon verhalten sich unterschiedlich: Manche ignorieren mich, andere ergreifen die Flucht, wieder andere stürzen sich wütend auf mich. Diese Mischung aus Beobachten, Anschleichen und spontaner Reaktion erzeugt eine fast meditative Spannung. Ich streife durch die Straßen, immer auf der Suche nach dem nächsten Fang – und merke, wie die Zeit verschwindet.

Belohnt werde ich für meine Mühen über das Magnolias Forschungssystem. Je mehr Pokémon ich sammele oder bestimmte Aufgaben erfülle – etwa 15 Exemplare eines Typs zu fangen –, desto mehr Punkte und TMs erhalte ich. Ein simples, aber cleveres Belohnungssystem, das motiviert, immer weiterzumachen. Und dann kommt die große Revolution: Pokémon-Legenden: Z-A wirft das jahrzehntealte rundenbasierte Kampfsystem über Bord. Stattdessen prügeln sich meine Pokémon in Echtzeit. Ich wähle das Ziel an, steuere Bewegung und Attacken direkt und weiche gegnerischen Angriffen aus. Die Attacken haben Abklingzeiten, Buffs und Debuffs sind temporär, Statusveränderungen wie Schlaf oder Paralyse beeinflussen das Timing statt die Handlungsfähigkeit.

Klingt radikal? Ist es auch – und erstaunlich erfrischend. Die Kämpfe sind deutlich flotter, dynamischer und optisch näher am Anime als je zuvor. Wenn ein Glurak einen Feuerwirbel schleudert und mein Lucario im letzten Moment ausweicht, fühlt sich das spektakulär an. Gleichzeitig bleibt das Fundament erhalten: Typen, Stärken und Schwächen gelten weiterhin, und auch das Wechseln der Pokémon ist jederzeit möglich. Natürlich geht dabei ein Stück taktische Tiefe verloren. Wer das alte System liebt, wird die gemächliche Planbarkeit vermissen. Doch für ein Spiel wie Z-A, das auf Bewegung, Dynamik und Rhythmus setzt, passt dieser Ansatz perfekt. Das fühlt sich weniger nach Schach und mehr nach Tanz an – und das meine ich positiv.

Neben den wilden Pokémon gibt es in Illumina auch die sogenannten Kampfsektoren – abgezäunte Areale, die nur nachts erscheinen. Hier treten Trainer gegeneinander an, um im Z-A-Royale-Turnier Ruhm und Preisgeld zu erlangen. Der Clou: Ich kann mein Pokémon aus dem Ball holen, ihm folgen lassen und Gegner aus dem Hinterhalt attackieren. Ein gelungener Kniff, der Kämpfen eine zusätzliche strategische Note gibt. Wer mutig und unauffällig vorgeht, kann Gegner überraschen und sich so Vorteile sichern. Doch Vorsicht: Werde ich entdeckt, startet das Duell mit einem Nachteil. Dazu gibt’s Bonuskarten, die für kreative Spielweisen Extra-Punkte verteilen – etwa für heimliche Angriffe oder geschickte Mega-Entwicklungen. Diese Mischung aus Schleichmechanik, Echtzeitkampf und Turnierstruktur sorgt für spürbare Spannung und Abwechslung.

Und ja – sie ist wieder da: die Mega-Entwicklung. Einst eines der beliebtesten Features aus Pokémon X & Y, erlebt sie hier eine imposante Rückkehr. In Z-A spielt sie gleich auf zwei Ebenen: Zum einen können Trainer sie wieder aktiv nutzen, um ihre Pokémon temporär zu stärken. Zum anderen sorgt das Phänomen der sogenannten „Megamanie“ für Ärger in Illumina City. Von dieser mysteriösen Energie befallene Pokémon geraten außer Kontrolle und verwandeln sich in gefährliche Bossgegner. Ihre Angriffe füllen halbe Bildschirme, ihre Lebensleisten scheinen endlos. Diese Kämpfe gehören zu den intensivsten Momenten des Spiels: Ich weiche aus, kontere, aktiviere meine eigene Mega-Entwicklung im entscheidenden Augenblick. Z-A verwandelt das in einen Adrenalinschub, der an klassische Bossfights erinnert – fordernd, aber nie unfair. Und ja, auch die gefürchteten Elite-Pokémon aus Legenden: Arceus feiern hier ihr Comeback. Schön zu sehen, dass Game Freak aus den besten Ideen der letzten Jahre ein stimmiges Ganzes formt.

Abseits der Kämpfe glänzt Pokémon-Legenden: Z-A mit einer Fülle an Komfortfunktionen, die man der Serie schon viel früher gewünscht hätte. Die Box ist jederzeit abrufbar, TMs können unbegrenzt genutzt werden, und selbst verlernte Attacken lassen sich problemlos wiederherstellen. Zudem erlaubt das Spiel, Attacken direkt im Menü zu managen, ohne umständliches Item-Gewühle. Wer experimentieren will, tut das schnell und unkompliziert. Fähigkeiten fehlen zwar komplett – was zunächst irritiert –, aber das neue Kampfsystem kompensiert das erstaunlich gut. Es ist, als hätte Game Freak verstanden, dass weniger manchmal mehr ist.

Da Illumina City im Umbau steckt, gibt es überall Gerüste, Aufzüge und Baukräne. Was zunächst wie ein bloßes Setting-Detail wirkt, entpuppt sich als integraler Teil des Gameplays: Ich kann klettern, springen, rutschen und die Stadt vertikal erkunden. Auf den Dächern warten seltene Items, versteckte TMs und die sogenannten Mega-Splitter, mit denen ich neue Mega-Steine herstellen kann. In den Gassen, auf Dächern oder in Cafés treffe ich immer wieder NPCs mit kleinen Bitten – markiert durch blaue Ausrufezeichen. Diese Miniquests reichen von banalen Fangaufträgen bis zu charmanten Kurzgeschichten. 

So positiv das alles auch klingt, ein paar altbekannte Probleme bleiben: Es gibt zum Beispiel weiterhin keine Sprachausgabe. Im Jahr 2025 wirkt das schlicht veraltet (gerade bei so einem großen Franchise mit jeder Menge Geld). Wenn Figuren in emotionalen Zwischensequenzen stumm die Münder bewegen, reißt das aus der Immersion. Besonders ärgerlich, weil die Charaktere mit ihren Designs und Persönlichkeiten diesmal wirklich Charme haben. Die Story selbst ist solide, aber unspektakulär: Ich lande nach ein paar Zufällen im Hotel Z, lerne Alton, Duro und Kaylen kennen und helfe dabei, Illumina City im Wandel zu begleiten. Immer wieder wird das Turnier durch Megamanie-Vorfälle unterbrochen – eine klare Struktur, die etwas zu vorhersehbar bleibt. Doch das Spiel weiß, dass seine wahre Stärke nicht im Erzählen, sondern im Erleben liegt.

Technisch liefert Z-A zumnindest endlich das, was Fans seit Jahren fordern: Stabilität. Auf der neuen Nintendo Switch 2 läuft das Spiel butterweich, auch bei actionreichen Bosskämpfen. Texturen sind etwas schärfer, Modelle detailreicher, Pop-Ins seltener. Es ist keine Grafikrevolution – aber eine spürbare Evolution. Allerdings muss man weiterhin viel bei Texturen, Stil und Grafik einstecken. Wo andere große Franchises uns mit Grafik-Wundern in riesige Welten bringen, ist das hier weitesgehend einfach nur ... nett. Begleitet wird das alles allerdings von einem herausragenden Soundtrack. Eine Big Band dominiert die Stadt, Saxophone begleiten die Nächte, Elektro-Elemente mischen sich unter die klassischen Pokémon-Melodien. Besonders schön: Viele Motive aus X & Y kehren in überarbeiteten Versionen zurück. Wenn nachts ein Remix des alten Illumina-Themes erklingt, ist das pure Nostalgie.


Fazit 

Seit Jahren hoffen Fans, dass Game Freak aus alten Fehlern lernt – und diesmal haben sie es tatsächlich getan. Pokémon-Legenden: Z-A ist kein perfektes Spiel, aber eines, das endlich etwas Mut, Konsequenz und Herz zeigt. Die Entscheidung, Illumina City ins Zentrum zu stellen, war riskant – und sie geht voll auf. Das neue Echtzeit-Kampfsystem bringt frischen Wind, ohne die Wurzeln der Reihe zu kappen. Das Fangsystem bleibt brillant, die Erkundung motiviert, die Atmosphäre elektrisiert. Ja, die Story ist flach, die Sprachausgabe fehlt, und optisch könnte es noch feiner sein und wirkt mehr und mehr altbacken. Aber das alles tritt in den Hintergrund, wenn man nachts über Dächer springt, den Jazz im Ohr, Pokébälle im Anschlag hat und ins Sammelfieber gerät. Pokémon-Legenden: Z-A zeigt, dass diese Reihe noch immer wachsen, überraschen und begeistern kann. Und dass Game Freak, so scheint es, endlich begriffen hat, worum es in Pokémon wirklich geht: Ums Staunen. Doch bitte: Holt das Franchise endlich in die grafische Jetzt-Zeit. Dann gibt es wirklich kaum noch etwas zu meckern. 

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