Mit MaXXXine läuft seit dem 4. Juli. 2024 der dritte und letzte Teil der gefeierten "X"-Trilogie mit Mia Goth in der Hauptrolle in den deutschen Kinos. Wir haben uns mit Regisseur Ti West, den man vor seinem Durchbruch besonders durch Horror-Geheimtipps wie The House of the Devil oder The Innkeepers kannte, zusammengesetzt, um mit ihm über seinen neuen Film zu reden.
MB: Erst einmal: Herzlichen Glückwünsch dafür, eine eigene Trilogie innerhalb von zwei Jahren auf die Beine gestellt zu haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand das vorher in so kurzer Zeit geschafft hat. MaXXXine, als dritter Teil der Trilogie, ist erneut gefüllt mit Referenzen und Verweisen auf andere Filme, besonders auf Alfred Hitchcock, aber auch sehr viel auf Regisseure der 80er: Brian De Palma oder sehr explizit auf Paul Schrader in einer Szene. Meine Frage ist deswegen zweiteilig: Haben Sie ihrem Cast und ihrer Crew irgendwelche Hausaufgaben aufgegeben und Ihnen gesagt, welche Filme Sie schauen müssen, was Sie studieren sollten, um ins Hollywood des Jahres 1985 zu einzutauchen? Und warum genau 1985, was ist an diesem Jahr für Sie bedeutsam?
Ti West: Ich habe niemandem Hausaufgaben aufgegeben. Wenn jemand zu mir gekommen wäre und hätte mir gesagt: „Ich habe keine Ahnung davon, was wir machen, gibt es etwas, was ich schauen könnte, um mich mit dem Gefühl oder der Welt des Filmes vertraut zu machen?“, dann hätte ich vielleicht den und den Film mir ausgesucht, aber es war nie so, das ich gesagt habe „Wir machen das hier, deswegen schaut das hier“. In Elliot Rocketts (Kameramann des Filmes) Büro hatten wir eine Handvoll Screenshots von ikonischen Filmeinstellungen aufgehängt, nicht weil wie diese Szenen imitieren wollten, sondern um Leuten, die vorbei gehen, ein Gefühl über die Szene zu geben. Damit Sie verstehen: „Oh, jetzt kommt ein extremes Close-Up von einem Auge“ oder „Jetzt kommen die schwarzen Handschuhe“. Es musste viel Aufwand in diese Einstellungen fließen. Es ist nicht genug, das Drehbuch abzufilmen. Mit MaXXXine ging es um eine spezielle Ästhetik, die wir gesucht haben. Aber ich glaube wir haben nie jemandem eine Liste von Filmen gegeben. Ich gweiß ehrlich gesagt nicht, ob der Cast die Filme, an die sie denken, überhaupt gesehen hat. Darüber haben wir nie gesprochen. Und was 1985 angeht: Im Jahr 1985 gab es in Hollywood einen satanischen Serienmörder, der einfach nicht gefasst wurde. Eine Stadt, die so voller Glanz und Glamour ist, mit einem Serienmörder zu kontrastieren, einer viel dunkleren Seite von Hollywood, fühlte sich wie der angemessene Hintergrund an. Zu dieser Zeit haben die Medien wirklich versucht diesen Serienmörder berühmt zu machen, um dabei zu helfen ihn zu fassen. Das war wie eine Verlängerung des Showgeschäfts. Diese Trilogie wird sehr von dem Thema zusammengehalten, wie Kino das gegenwärtige Weltgeschehen beeinflusst. Es gab einen moralischen Aufschrei der 80er, es war sehr kontrovers, wenn Filme sehr brutal waren, oder dass Musik mit satanischen Impressionen spielte, das war ein richtiger Zeitgeist-Moment. Ale versuchen, auf ihre Art, das Showgeschäft zu benutzen und das ist auch, was Maxine tut. All das zusammen genommen fühlte sich wie die perfekte Zeit an, in der der Film spielen sollte.
MB: Jetzt eine Frage zum Thema Genre. In der aktuellen Filmlandschaft tauchen immer wieder Fragen danach auf, wie sagen wir, „prestigeträchtig“ Horror momentan ist, oder ob das Genre immer prätentiöser wird. In einer Szene sagt Elizabeth Debicki als Regisseurin Elizabeth Bender ihren Film „The Puritan II“ einen „B-Movie mit A-Ideen.“ Glauben Sie, Sie haben einen solchen B-Movie mit A-Ideen gedreht oder ist es eher ein „A-Movie mit B-Ideen?“
TW: Ich weiß es ehrlich gesagt. Die Idee hinter dem Zitat kommt von einem alten Freund namens Larry Fassenden, der mich kreativ sehr bei meinen ersten Filmen unterstützt hat. Larry ist mehr oder weniger der Grund, warum ich eine Karriere habe. Und wir haben damals mit einem Budget von ungefähr 5000 Dollar gedreht. Und ein Mantra von Glass Eye Pics Company war: Wir haben nicht viel Geld, aber wenn du etwas mit wenig Geld hinbekommst, dann kann ich dir zumindest diese Chance geben. Und Larry sagte dann immer: Wir können B-Movies mit A-Ideen drehen. Das blieb bei mir, seit ich 22 bin. In vielerlei Hinsicht ist das eine Anspielung auf ihn, aber ich denke es ist auch eine sehr gut beschriebene Idee, die beschreibt, das die Leute, sobald sie hören, dass du einen Horrorfilm drehst, immer glauben, dass nichts weiter dahintersteht als Exploitation oder Gewalt. Ich bin mir sicher es gibt Beispiele, wo das stimmt, und es gibt Beispiele, wo das definitiv nicht stimmt. Es gibt wirklich großartige Filme, die eben Horrorfilme sind. Ich denke Liz Bender versucht Leute ihren Job verstehen zu lassen, da die meisten Leute keine Filme drehen. Das dient dazu, sich in ihre Rolle zu versetzen. Ob MaXXXine nun ein A-Movie ist, weiß ich nicht. Ich glaube, das können andere besser entscheiden.
MB: Eines der Haupthemen der Trilogie ist natürlich der Wunsch, ein Star zu sein. Es interessiert mich, wie Sie den Begriff „Star“ interpretieren würden, hinsichtlich der Tatsache, dass Sie nun zum ersten Mal mit einem Star-Ensemble arbeiten. Auf der anderen Seite wird im Film auf „Stars“ immer wieder verwiesen, am signifikantesten wahrscheinlich auf Bette Davis. Aber auf eher kontroverse Stars treten auf, wie zum Beispiel der Serienmörder „Night Stalker“, der ja auch auf seine Weise eine Berühmtheit ist. Wie funktioniert hier das Zusammenspiel?
TW: Das hat mich sehr interessiert. Wie du sagst: Bette Davis ist ein sehr berühmter Star und Maxine will ein sehr berühmter Star werden. Und natürlich ist der Night Stalker auch ein Star. Dieses Verhältnis ist sehr kompliziert und schwer zu beschreiben. Aber das wonach Maxine sucht ist Bedeutung. Das Leben, in das sie geboren ist, erfüllt nicht den Wunsch des Lebens, das sie glaubt zu verdienen. Doch das Leben, was sie glaubt zu verdienen, ist zu weit von ihr entfernt, außer sie ist wirklich überzeugt, es sich zu nehmen. Das fängt mit Pornos an und geht mit Horrorfilmen weiter. Ihre Einstellung ist es, bis ganz nach oben zu gehen. Die Art wie sie dorthin kommt, hat sie nicht erwartet, aber sie wird dort ankommen. Was Bette Davis angeht: Sie hat einen natürlich legendären Ruf als eine der größten Filmstars aller Zeiten. Sie hat aber auch den Ruf, sehr schwierig gewesen zu sein. Deswegen wollte ich den Film mit einem Zitat von ihr eröffnen lassen. Es zieht einen Schatten über den Film, über die abstrakte und bizarre Natur dahinter, ein Star zu sein. Das bedeutet für jeden etwas anderes und eine der nachvollziehbarsten Elemente dieser Filme, so absurd sie teilweise auch sind, ist das es darum geht, dass jeder sich wünscht, ein Teil des eigenen Lebens sei irgendwie anders und dass diese gewünschte Veränderung sich unerreichbar anfühlt. Und es ist unheimlich herauszufinden, ob man sie je erreichen wird. Ich denke, deswegen identifizieren sich die Leute so sehr mit den Figuren in den Filmen. Natürlich, weil sie Spaß machen und alles, aber ich denke da steckt etwas Nachvollziehbares drin, und auch in Maxine. Weil sie bereit ist, alles dafür zu tun.
MB: Um sich dem Herzen der Trilogie zuzuwenden: In den meisten Horrorreihen bleibt der Mörder derselbe. Es gibt Ausnahmen wie Scream, wo die Opfer dieselben bleiben. Hier haben wir aber den Fall, das die Hauptdarstellerin, Mia Goth, dieselbe bleibt. X funktioniert als Herzstück der Reihe, denn hier spielt sie zwei Rollen, Maxine und Pearl. Wie hat die Motivation für diese Figur funktioniert, in Hinsicht auf ihren Wunsch ein Star zu werden? Wie hat sich das zwischen X und MaXXXine verändert? Und wie reflektiert dies ihre „Spiegelfigur“ Pearl, die eben nicht den X-Faktor hatte, den Maxine besitzt.
TW: Die Figuren sind sich sehr unterschiedlich in der Art und Weise, wie sie sich behaupten. Beim Dreh von MaXXXine angekommen gab es nicht mehr so viele Anweisungen von mir an Mia, weil wir mit den Filmen so lange gelebt haben. Es gibt immer wieder Szenarien im Skript, damit wir verstehen, warum wir diese Szene drehen. Aber während des Drehens, gebe ich ihr keine Anweisungen mehr, was die Figur Maxine will und wie sie zu sein hat. Mia hat ihre eigene Autonomie mit dieser Figur als unvorhersehbare Performerin. Ich bin nur da, um es in irgendeine Richtung zu lenken. Es gab noch einige Anweisungen, als wir X drehten, aber danach waren wir so lange mit den Filme beschäftigt, Das ist Teil unserer Kollaboration, das wir das nicht mehr tun müssen.