Bildnachweis: Plaion / Nightdive Studios

"System Shock" - Videospiel - Test / Review

von Sebastian Stumbek

Story

Sie ist Shodan. Die durchgedrehte KI hat die Kontrolle über die gigantische „Citadel“-Raumstation übernommen und dabei die Crew in seelenlose Cyborgs und Mutanten verwandelt. Ihr nächstes Ziel? Die Erde! Erkunde die übernommene Station und kämpfe dir deinen Weg frei, um in den Tiefen des Alls den Untergang der Menschheit zu verhindern!

Kritik

Vor genau 30 Jahren gelang dem Entwicklerteam von Looking Glass mit System Shock ein echter Knaller, der wegweisend für künftige Spiele wie Deus Ex, Bioshock oder Prey werden sollte. Ihr Ego-Shooter mit Rollenspielelementen setzte auf eine spannende Story, große Handlungsfreiheit und ein nicht-lineares Vorgehen und war damit höchst innovativ zu seiner Zeit. Spieler älteren Semesters haben den Titel ganz gewiss bestens in Erinnerung behalten, für die jüngere Generation ist er aus heutiger Sicht jedoch kaum noch spielbar, da er eben doch stark in die Jahre gekommen ist. Hier kommt das Team von Nightdive Studios ins Spiel, das sich auf die Wiederveröffentlichung und Portierung älterer Games spezialisiert hat. Nachdem die Entwickler vor einigen Jahren schon ein Remaster veröffentlichten, erschien letztes Jahr von ihnen auch ein von Grund auf selbst entwickeltes Remake von System Shock für den PC. Mit einjähriger Verspätung sind nun auch endlich die Konsolen (PlayStation 5 & 4 sowie Xbox Series X|S & One) an der Reihe. Getestet haben wir auf der PS5.

Bevor wir auf Verbesserungen und Änderungen der Neuauflage zu sprechen kommen zunächst ein Überblick über das eigentliche Spiel: Handlungsort ist eine Raumstation, die von einer außer Kontrolle geratenen KI mit dem Namen SHODAN eingenommen wurde. Die ehemalige Crew wurde zu einem Haufen blutrünstiger Bestien, während Roboter umprogrammiert wurden und bei Sichtkontakt sofort auf Angriff übergehen. Für den Spieler beginnt ein Kampf um Leben und Tod, an dessen Ende es darum geht, SHODAN zu stoppen, bevor sie auch die Erde zerstören kann.

Eine der größten Stärken von System Shock ist die dichte Atmosphäre, die auch heute noch sehr wirkungsvoll ist. Die Erkundung des Schiffs hat stets etwas Bedrohliches, da überall Gefahren drohen und einen das Gefühl nicht loslässt, von SHODAN beobachtet zu werden. Letzteres bestätigt sich auch immer wieder mal, da sie Kontakt mit uns aufnimmt und auch gern für zusätzliche Probleme sorgt, die unser Vorankommen erschweren. Heute ist das Thema KI aktueller denn je, insofern schlägt System Shock definitiv die richtigen Töne und trumpft mit einer tollen Gegenspielerin auf. Generell ist die dabei erzählte Story der rund 20-stündigen Kampagne recht packend erzählt und hat die ein oder andere Überraschung in petto. 

Aus der Egoperspektive erkunden wir das labyrinthartig aufgebaute Schiff mit all seinen Geheimnissen und müssen dabei auch zahlreiche Rätsel lösen. Einige davon können auch schon mal richtig knackig ausfallen, nicht immer ist die Lösung naheliegend und führt erst über Umwege zum Ziel. Wem das nichts ist oder auch anderweitig Schwierigkeiten hat, kann zu Beginn in 4 Kategorien den Schwierigkeitsgrad in je 3 Stufen einstellen (Kampf, Cyberspace, Rätsel und Missionen). So lässt sich der Fokus beliebig ausrichten, um ein gut abgestimmtes Erlebnis mit System Shock zu haben. Blöd nur, dass sich an der Wahl anschließend nichts mehr verändern lässt. Wer also bereits mitten im Abenteuer ist und erst dann bemerkt, dass einer der Aspekte zu hart oder zu einfach ist, kann daran nichts mehr ändern. 

Über eines sollte man sich unbedingt im Klaren sein: Anders als moderne Spiele dieser Art wie zuletzt beispielsweise das Dead Space-Remake verzichtet System Shock auf eine Missionsführung und anderweitige Orientierungshilfen. Wer gern tüftelt und sich alles selbst erarbeiten will, wird damit sicherlich seine Freude haben, für alle anderen kann der hier gebotene Weltraumtrip aber schnell in Frust übergehen. Denn oftmals ist einfach nicht klar, wo es als nächstes hingeht, wo man einen benötigten Gegenstand findet und was man gerade tun soll. So entsteht auch einiges an Backtracking, da man bereits abgeschlossene Bereiche erneut aufsuchen und absuchen muss. Darauf muss man also Lust haben. 

Die Nerven strapazieren kann auch das klein gehaltene und etwas fummelig zu nutzende Inventar, das nur Platz für das Allernötigste bietet. Gut, das gehört irgendwo zum Survival-Genre dazu, Spiele wie Resident Evil oder Silent Hill tun es schließlich auch nicht anders und sorgen so für einen (gewollt) erhöhten Stresspegel. Doch in System Shock kommt erschwerend dazu, dass man auch jede Menge Müll einsammelt, der für den Spieler einfach keinen Nutzen hat. Mit der Zeit hat man den Dreh weitestgehend raus und weiß genau, was man aufheben soll und was nicht, doch gerade zu Beginn steckt man natürlich alles ein in der Hoffnung, es später gebrauchen zu können. Immerhin wurde das UI gegenüber dem Original etwas entschlackt. 

Treffen wir auf Gegner, schlagen wir entweder im Nahkampf zu oder setzen verschiedene Schussfeuerwaffen ein. An der Steuerung und dem Gegnerverhalten hat das Team definitiv gearbeitet, Verbesserungen sind also durchaus zu spüren. Sein Alter kann System Shock an dieser Stelle aber ebenfalls nicht verschleiern, da sich alles ein klein wenig behäbig und ungenau anfühlt und Gegner auch nicht unbedingt clever vorgehen. Auch das Trefferfeedback ist gegenüber dem, was man von modernen Spielen kennt, ziemlich schwach. Schlägt man beispielsweise mit einem stumpfen Gegenstand auf einen Gegner ein, fühlt es sich an, als würde man durch schmelzende Butter hauen, ohne jegliche Wucht dahinter auszumachen. 

Gelegentliche Abstecher in den Cyberspace sorgen immer mal für eine willkommene Abwechslung. Darin gilt es im freien Raum Gegner abzufeuern, Energieknoten zu zerstören und versperrte Zugänge zu öffnen. Beseitigte Energieknoten sorgen wie auch zerstörte Kameras auf der Station übrigens dafür das Sicherheitslevel zu senken, was uns unter Umständen Zugang zu neuen Bereichen ermöglicht. Die Augen offenzuhalten lohnt sich also immer, um Einfluss auf die Raumstation zu nehmen. 

Grafisch spielt System Shock lange nicht in einer Liga mit Spielen wie Dead Space oder Callisto Protocoll, was aber auch niemanden verwundern dürfte, da hier deutlich geringere Mittel zur Verfügung standen. Dank Unreal Engine 4 ist das Upgrade gegenüber dem Original aber dennoch groß ausgefallen und kann sich durchaus sehen lassen. Die Entwickler nutzen dabei absichtlich einen dezenten Pixel-Look, der dem Remake einen gewissen Retro-Charme verleiht. So schafft man den Spagat zwischen Neuem und Bekannten. Die Soundkulisse ist ebenfalls nicht so eindrucksvoll wie die der genannten Vergleichstiteln (akustisch ist oftmals schwer auszumachen, wenn sich ein Gegner einem nähert), punktet dafür aber mit guten Synchronsprechern (leider nur auf Englisch, dafür nun aber voll vertonte Audio-Logs und mit der Originalstimme der damaligen SHODAN-Sprecherin an Bord) sowie einem coolen Soundtrack. 

Nun sind wir schon auf einige Änderungen und Verbesserungen zu sprechen gekommen, doch das Team hat noch weitere Dinge angepasst: So wurde beispielsweise auch am Aufbau der Levels gearbeitet, was  für einige Überraschungen bei Kennern sorgen wird. Die Steuerung wurde optimiert und funktioniert auch gut per ziemlich Controller. Und auch an der Story und an den Rätseln wurde geschraubt, um ein besseres Erlebnis zu liefern. Vor allem das Ende wurde hier deutlich überarbeitet und erweitert udn fühlt sich nun runder an.

Fazit

Die Gelegenheit, ein Stück Videospielgeschichte nachzuholen, womit vor 30 Jahren ein eigenes Subgenre definiert wurde. "System Shock" bekommt eine wohlverdiente Neuauflage spendiert, die einerseits respektvoll mit dem Original umgeht, gleichzeitig aber sinnvolle Verbesserungen mit sich bringt. Spielt sich ordentlich und schaut ansprechend aus, das Team der Nightdive Studios hat auf jeden Fall einen sauberen Port auf die Konsolen abgeliefert. Sein Alter kann der Sci-Fi-Horror aber dennoch nicht verbergen, denn abseits der Technik ist auch das Gameplay nicht mehr State of the Art. Daher nicht unbedingt für jeden etwas. Wer sich daran aber nicht stört und gewillt ist, auf gängige Komfortfunktionen modernerer Titel zu verzichten, dürfte für "System Shock" einiges an Faszination entwickeln. 

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