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"The Boys" - Unsere spoilerfreie Kritik zur zweiten Staffel

von Sebastian Groß

Info

Amazon Prime veröffentlicht am 4. September 2020 die zweite Staffel von The Boys. An diesem Tag erscheinen die ersten drei Episoden. Die restlichen fünf Folgen werden dann einzeln immer freitags veröffentlicht. Die Folgen haben eine Laufzeit zwischen 55 und 65Minuten. Wir konnten dank Amazon bereits die gesamte zweite Staffel ansehen. Keine Sorge, die Kritik ist spoilerfrei, allerdings gehen wir auf wichtige Momente der ersten Staffel ein. Wir werden zu den einzelnen Folgen der zweiten Staffel Recap-Podcast produzieren, die zeitnah zum jeweiligen Release der Episoden erscheinen werden. Unseren Podcast zur ersten Staffel haben wir euch unter der Kritik eingefügt. Viel Spaß.

Story

The Boys ist eine ehrfurchtslose Interpretation dessen, was passiert, wenn Superhelden, die berühmt sind wie Stars, einflussreich sind wie Politiker und verehrt werden wie Götter, ihre Superkräfte missbrauchen, anstatt Gutes zu tun. Die Machtlosen stellen sich gegen die Übermächtigen, als The Boys versuchen, die Wahrheit über The Seven und Vought dahinter ans Licht zu bringen.

(Pressetext Amazon)

Kritik

Im Gegensatz zu Netflix fällt es anderen Streamingdiensten immer noch schwer eigenproduzierte Inhalte, vor allem Serien, zu finden, die einen Hype auslösen, der länger hält als nur ein paar Tage. Während das große, rote N mit Serien wie Stranger Things, Haus des Geldes oder zuletzt Tiger King (dt. Titel Großkatzen und ihre Raubtiere) für langanhaltenden Gesprächsstoff sorgte, verschwanden die meisten von Amazons Serien schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit. Upload war zwar smart und gut gemacht, aber nach einer Woche krähte kein Hahn mehr danach und die Nazi-Jäger von Hunters gehen zwar in eine zweite Staffel, was aber nicht bedeutet, dass die erste Staffel kurz nach dem Release noch irgendeine Form von Relevanz hatte. Doch mit einer Serie traf Amazon ins Schwarze und zwar mit The Boys.

Bricht man die Serie von Showrunner und Supernatural-Schöpfer Eric Kripke grob zusammen lässt sich dieser Erfolg vereinfacht erklären: Es geht um Superhelden. Die haben seit dem Siegeszug des Marvel Cinematic Universe in der Popkultur die Nase weit vorn. So weit vorne, dass mit dem Deadpool-Filmen sogar versucht wurde Superhelden parodistisch aufs Korn zu nehmen, ohne dabei aber wirklich ihre glänzende Fassade zu beschädigen. Bei The Boys ist das anders. Hier wird das Konzept der kraft- und ehrenvollen Helden nicht unbedingt parodiert, sondern viel mehr mit Vorschlaghammer, Brecheisen und Kettensäge malträtiert. Zum Vorschein kommt die bittere Wahrheit über Superhelden. Es sind keine Märtyrer. Es sind egoistische Arschlöcher, die trotz ihrer immensen Stärke auch nur Marionetten einer noch größeren Instanz sind. Daran ändert sich auch in der zweiten Staffel nichts.

Diese noch größere Instanz gliedert sich in The Boys auf. Es gibt zum einen den Großkonzern Vought, der Superhelden nicht nur formt und bewirbt, sondern auch erschafft, und es gibt die Institution der Kirche. Bereits in der ersten Staffel wurde ordentlich gegen die Kirche geätzt. Man erinnere sich nur an die Believe-Expo der fünften Episode. Hier wurde klar gezeigt, dass die Kirche sowie Vought letztlich auch nur versuchen durch Superhelden die Menschen zu lenken, ihnen eine Ideologie zu verkaufen, die die firmeneigenen Tresore füllt. Am Ende des Tages geht es nicht um Heldentaten, Gebete oder die Gemeinschaft. Es geht einzig und alleine um den Profit und selbstverständlich lässt sich das auch auf unsere Welt übertragen. Vought kann problemlos auch als Disney angesehen werden. Wahrscheinlich war das auch die Intention von The Boys-Schöpfer Garth Ennis, der nie einen Hehl daraus machte, dass er Superhelden ziemlich bescheuert findet und nach Preacher für die The Boys erneut mit Produzent Seth Rogen zusammengearbeitet hat.

Es steckt also viel drin in The Boys, aber natürlich lässt sich die erste wie auch die komplette zweite Staffel auch einfach als Unterhaltungsvehikel genießen. Geboten werden acht kurzweilige, technisch sauber umgesetzte Folgen. Es lohnt sich aber die einzelnen Aspekte der Serie zu hinterfragen. Tut man dies so eröffnet einem die Serie einen große interpretativen Spielplatz. Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. So lauter das bekannte, tot gerittene Mantra von Spider-Man. The Boys nimmt es und stellt die Frage, ob ein Mensch überhaupt fähig ist, mit großer Kraft umzugehen. Dies endet nicht in philosophischen Diskursen, wie etwa bei Dr. Manhattan in Watchmen - Die Wächter. The Boys ist aggresiver, pessimistischer, böser, humorvoller. Hier wird klar, dass große Macht einen Menschen korrumpiert. Es geht nicht anders. Wer nicht rechtzeitig die Reißleine zieht, ist verloren. Wenn ein Held seine Macht genießt, dann weil er ein Psychopath, vielleicht sogar ein Soziopath ist. Staffel zwei findet dafür einige eindrucksvolle wie durchaus auch pointierte Szenen.

Wenn wir schon gerade bei Psychopathen sind, darf natürlich Homelander nicht fehlen. Darsteller Anthony Starr, den einige vielleicht noch aus der Actionserie Banshee kennen, triumphiert auch in den neuen Folgen ordentlich auf. Homelander, der vielen von uns mit der legendären Flugzeugszene aus der vierten Episode der ersten Season einen Schauder über den Rücken jagte, ist natürlich wieder mit dabei und dieses Mal dreht er noch ein bisschen mehr am Rad. Einzelheiten wollen wir hier wegen Vermeidung von Spoilern nicht verraten, aber alleine wie Homelander Milch trinkt ist so famos wie furchterregend. Anthony Starr glänzt als Anführer der Superhelden-Truppe The Seven, der doch viel lieber alles und jeden beherrschen will und doch trotz seiner enormen Kräfte auch nur eine Marionette eines profitorientierten Unternehmens ist.

Was Homelander in der zweiten Staffel dazu noch besser macht ist, dass er mit der neuen Superheldin Stormfront (Aya Cash, You're the Worst) eine Gefährtin an die Seite gestellt bekommt, die ihn in allen Bereichen übertrumpft. Was folgt ist ein interner Konkurrenzkampf, der sich nach und nach zu etwas anderem entwickelt. Etwas, dass, wie die Trailer bereits gezeigt haben, zu einem Festival der Perversitäten wird. Doch Stormfront ist nicht nur wichtig für die weitere Entwicklung von Homelander. Die neue Figur, die in den Comics männlich und ein Thor-Klon ist, entwickelt die Ideologiekritik der Serie fort und legt weitere Mechanismen offen. Stormfront gelingt es scheinbar mühelos die Massen für sich zu vereinnahmen. Sie ist eloquent, charmant, schlagfertig. Ihr eigentliches Ziel wird erst später enthüllt. Auch darüber verlieren wir kein Wort. Nur so viel: Stormfront könnten wir uns auch sehr gut als Führerin der Damen und Herren vorstellen, die am 29. August 2020 in Berlin gegen den Corona-Wahnsinn demonstrieren wollten.

Durch die starke Präsenz von Homelander, dessen Versuch ein Vater zu sein gleichsam amüsant wie gruselig ist, sowie Stormfronts Präsenz geraten die anderen (Ex-) Mitglieder von The Seven etwas in den Schatten. Zwar erhalten The Deep (, Was passiert, wenn's passiert ist), Queen Maeve (, House of Cards) und A-Train (, Independence Day: Wiederkehr) durchaus für den weiteren Handlungsverlauf wichtige Positionen, ihre Screentime fällt aber spürbar geringer aus. Wirklich störend ist das nicht, vor allem weil ihre Auftritte dafür immer eine große Relevanz haben. So versucht The Deep mit neo-klerikaler Hilfe wieder einen Platz bei den Seven zu bekommen. Das hat durchaus narrativ seine Qualitäten, hätte aber gerne noch etwas bissiger ausfallen können. Immerhin beweist die Serie damit, dass sie nicht nur die christliche Kirche ins Fadenkreuz nimmt, sondern jegliche Form von Glaubensinstitution.

Kommen wir zu den titelgebenden Protagonisten. Die Jungs und Mädels rund um Großmaul und Prolet Billy Butcher (, Dredd) haben sich bereits in der ersten Staffel eine herrlich disfunktionale Chemie aufgebaut und diese wird auch in den acht neuen Folgen beibehalten und ordentlich gepflegt. Es macht einfach große Freude Frenchie (, Fauda), Kimiko (, Suicide Squad), Mothers Milk (, Breakout Kings), Billy Butcher und Hugie (, Logan Lucky) interagieren zu sehen. Die einzelnen Unterschiede der Charaktere macht die Gruppendynamik so reizvoll und unterhaltsam. Dazu kommt, dass die romantischen Elemente zwischen Hughie und Superheldin Starlight (, Kong: Skull Island), die sich in der zweiten Staffel zwischen den Stühlen befindet, wirklich etwas Herzliches hat und im ganzen Krawall für einige notwendige Verschnaufpausen sorgt.

Dieser Krawall besteht, genau wie bei Staffel eins, wieder aus etlichen Momenten, in denen es physisch wie psychisch ordentlich kracht. Auch bei Staffel zwei gilt: Wer eine Aversion gegen Kunstblut hat, sollte bereit sein, seine Hände immer mal wieder vor die Augen zu halten. Allerdings dürfte das schwierig werden, denn die Gewaltschraube von The Boys wurde nicht nur ein kleines bisschen nach oben gedreht, das wilde, rot feuchte Gemansche ist dazu noch um einiges eruptiver geworden. Gerade noch ist alles normal und plötzlich verteilen sich Körperteile und Fleischbröckchen in der Umgebung. Es sollte aber angemerkt werden, dass Showrunner Eric Kripke die Gewalt niemals inflationär einsetzt und einige Splattermomente bringen auch eine gute Dosis schwarzen Humor mit sich.

Trotz dieser sehr direkten Art des Humors, der manchmal durchaus mit einer infantilen Lust an der Grenzüberschreitung ausgestattet ist, ist The Boys natürlich auch daran interessiert seine Figuren weiterzuentwickeln. Mag sein, dass dies öfters eher mit der groben Kelle geschieht, aber dafür funktioniert es und ebnet neue Pfade für das Narrativ der Serie, die übrigens im Januar 2021 in den Dreh gehen soll für eine dritte Staffel, in der Supernatural-Star als Superheld Soldier Boy mit von der Partie ist (wir berichteten). Nach den Enthüllungen und Entwicklungen der zweiten Staffel können wir es kaum erwarten, was da noch alles auf uns zu kommen wird.

Fazit

Hell Yeah! The Boys Are Back in Town! Amazons Anti-Superheldenserie unterstreicht das Anti mit der zweiten Staffel noch ein bisschen dicker. Die acht neuen Folgen funktionieren als reinrassiges Entertainment genauso gut wie als ideologische Kritik an Superman, Captain America und Konsorten und besitzen eine wunderbare Kontinuität. Wer befürchtet hatte, dass die neue Season nicht an die Qualität der ersten heranreicht, kann aufatmen: Die zweite Staffel ist sogar noch besser.

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