Bildnachweis: © HBO | Werbemotiv zu "The Deuce"

"The Deuce" - Staffel 2 - Kritik

von Pascal Reis

Kritik

Es sind nicht die Quoten, die zwangsläufig stimmen müssen, wenn Mastermind David Simon und der amerikanische Kabelsender HBO zusammenfinden. Deutlich wichtiger scheinen die internationalen Kritiken, wie der kongeniale The Wire-Macher im letzten Jahr in einem Interview mit Collider über die geplante Anzahl der The Deuce-Staffeln erklärte: „Wenn wir davon ausgehen, dass alle Kritiker der Welt unsere Serie nicht zerreißen und wir ein Publikum finden, sind nach Staffel 1 zwei weitere Staffeln geplant.“ Ein Publikum hat sich definitiv gefunden, mag es auch ein überschaubares sein. Die Resonanz des Feuilletons hingegen gestaltete sich einvernehmlich: The Deuce ist ein Meisterwerk. Und HBO kann damit natürlich den Status eines reinrassigen Prestigeprojekts unterstreichen, den die Serie von David Simon und George Pelecanos fraglos inneträgt.

Nachdem die erste Staffel The Deuce die Messlatte als hochgradig stimmungsvoller Ausflug in eine zeitgeschichtliche Epoche, in der New York noch nicht zur Touristen-Hochburg taugte, gewaltig hoch gehangen hat, sollten die Erwartungen an die nachfolgende Season natürlich entsprechend groß sein. David Simon wäre allerdings nicht David Simon, wenn er die Hoffnungen des Publikums einfach nur bestätigen würde. Stattdessen werden sie in den neun Episoden sogar übertroffen, was The Deuce zu einem der besten, womöglich konkurrenzlosen Serienformate der Gegenwart macht. Die Superlativen begründen sich vor allem darauf, dass sich The Deuce nie darum bemüht, festgewachsene Sehgewohnheiten oder eine vordergründige Augenwischerei zu bedienen, sondern sich über eine Laufzeit von fast zehn Stunden ganz und gar, von Kopf bis Fuß, in seine nach wie vor brandaktuelle Materie hineingräbt.

Denn, auch wenn dies nun nach Phrasendrescherei klingen mag, natürlich ist The Deuce trotz (oder gerade wegen) seiner historischen Kontextualisierung auch ein gesellschaftspolitischer Spiegel unserer Gegenwart. Die inhaltliche Topoi um Geschlechterrollen, die Aufwärtsentwicklung der Pornografie und die durch die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Sexualität immer fragiler werdende Sexualmoral ist prädestiniert dazu, um das hiesige 1978 mit dem Jahre 2018 abzugleichen und zu reflektieren. Fünf Jahre sind indes nach dem Ende der ersten Staffel ins Land gezogen, was sich für die erzählerische Verdichtung der Serie als äußerst cleverer Umstand erweist, lässt sich die Entwicklung der Charaktere sowie der Ära an sich somit viel klarer herausarbeiten und grundieren – denn natürlich standen die Uhren nicht still, was auch die Menschen zur Bewegung zwingen sollte. Alte Kriege wurden gewonnen, neue Schlachtfelder eröffnet.

Noch stärker arbeitet sich die zweite Staffel von The Deuce nun an der weiblichen Emanzipation von männlich-vereinnahmte Herrschaftsgebieten entlang und erkennt vor allem in Eileen (Maggie Gyllenhaal, The Dark Knight) einen packenden Charakter, um das Aufbegehren gegen die patriarchale Unterdrückung zu veranschaulichen. Von der Prostituierten hat sie es nämlich geschafft, zur Regisseurin heranzuwachsen: Ihr ambitionierter Porno, eine XXX-Version von Rotkäppchen, ist ein Imagefilme, wenn man so will. Er attackiert dieses von Männern und männlicher Phantasie dominierte Gefilde mit den Mitteln der Arthaus-Kinos; mit assozitativen Schnitten, mit unkonventionellen Kamerafahrten, mit einer Handlung, die einem roten Faden folgt. Fickfilme als Hochkultur. Eileens entschiedenes Aufbegehren und künstlerisches Erwachen ist ein adäquates Exempel für den moralischen Wandel innerhalb der 1970er Jahre: Es hat erst mutige Frauen gebraucht, um das gesellschaftliche Grundgerüst zu hinterfragen und zu modernisieren.

Das Figurenkarusell, zu dem natürlich auch wieder Vincent und Frankie (beide gespielt von James Franco, The Ballad of Buster Scruggs) gehören, aber dreht sich inmitten von Selbstermächtigung, kriminellen Abwegen und zwischenmenschlichen Begegnungen unermüdlich weiter. Was alle diese Charaktere eint, ist das Anliegen, ihre Lebensrealität zur gesellschaftlichen Mitte zu erheben und nicht die gesellschaftliche Mitte zu ihrer Lebensrealität zu erklären. Das Gefecht gegen Vorurteile, Stigmata und Diskriminierung geht in die nächste Runde und The Deuce bleibt daher auch als formidabel inszeniertes Peroid Pictures in der zweiten Staffel eine in ausgefeiltem Lokal- und Sozialkolorit eingepflegte Geschichte über individuelle Träume und das unvermeidliche Scheitern an diesen Träumen. Dass die dritte und somit letzte Staffel bereits beschlossene Sache ist und dem Zuschauer darin den Zusammenbruch des verruchten Times Square endgültig vor Augen führt, stimmt gleichermaßen vorfreudig wie betrüblich.

Blu-Ray

Die Veröffentlichung von Warner Home Video – seit dem 07.02.2019 im Handel erhältlich – ist wie die Serie selbst fantastisch: So ist das Bild kräftig, scharf, kontrastreich und von den Farben her sehr gut abgemischt. Der Ton – vorliegend in Deutsch DTS 5.1 Englisch DTS-HD MA 5.1 Französisch DTS 5.1 Spanisch DTS 5.1 Spanisch DTS 2.0 – ist ebenfalls gelungen und erzeugt einen tollen Raumklang. An Extras gibt es zudem einen kleinen Recap auf die 1. Staffel sowie kleine Specials. Das Cover ist zudem liebevoll gestaltet.

Fazit

Mit der zweiten Staffel von "The Deuce" verantworten sich David Simon und George Pelecanos weiterhin für ein beeindruckend komplexes, zeitgeschichtliches Panorama. All die gesellschaftspolitischen Themen, die in der ersten Staffel bereits erschreckend sinnstiftend angesprochen wurden, werden weitergehend vertieft. "The Deuce" bleibt eine vortrefflich inszenierte, hervorragend gespielte Reise zurück in ein New York im Wandel; in eine Stadt der Sünde, die vor Sehnsüchten, Ängsten und Träumen stetig bebt, berstet und langsam in sich zu zerfallen droht.

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