Story:
Nachdem Luke in Kanada festgenommen wurde, ist June wieder auf sich allein gestellt. Zusammen mit ihrer Tochter Nichole ist sie nun mit dem Zug auf dem Weg nach Alaska. Eine Reise, die zu einem Wiedersehen mit Serena führt.
Kritik:
"This is the beginning of the End"
Acht Jahre ist es her, als wir zu Beginn der ersten Staffel von The Handmaid's Tale mit June, Luke und ihrer Tochter Hannah mitfieberten, als sie gerade auf der Flucht vor Gileads Soldaten waren. Als der kämpfenden Löwenmutter June Osborne (Elisabeth Moss) im Wald ihre Tochter (Jordana Blake) gewaltsam aus den Armen gerissen wurde, und sie mit einem Schlag auf den Kopf das Bewusstsein verlor. Entführt wurde, um dem Staat als Gebärmaschine zu dienen. Acht Jahre und fünf Staffeln später hat June es aus Gilead längst heraus geschafft. Sie hat die grausamen Jahre im christlich fundamentalistischen Staat überlebt und eine Revolution gegen das Regime von Gilead ins Rollen gebracht. Mit der sechsten und finalen Staffel neigt sich eine der erfolgreichsten Serien unserer Zeit nun dem Ende zu. Und man blickt diesem Ende mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegen.
Die erste Folge ist schon mal ein vielversprechender Start in die finale Staffel von The Handmaid's Tale. Als Zuschauer wird man wie gewohnt in die Story reingezogen und direkt mitgerissen. Es ist ein emotionales Auf und Ab, allein schon wegen dem Gedanken, dass diese Folge der Anfang vom Ende einer Ära ist. Aber natürlich auch, weil die erste Folge auch einfach bewegend ist. Vor allem das Ende der ersten Folge rührt einen wirklich zu Tränen. So ein toller Auftakt steigert erstmal die Vorfreude auf die weiteren Folgen. Aber was folgt ist eine Ernüchterung, um nicht zu sagen, dass es fast schon eine Enttäuschung ist. Denn bei den kommenden Episoden wird die Handlung langatmig. Es fehlt förmlich an der vertrauten Ästhetik, die The Handmaid's Tale eigentlich ausmacht. Das Farbenspiel, das im gräulichen Kamerastil die Frauengruppen in Gilead ganz klar voneinander unterscheidet: Mägde (rot), Marthas (beige) und Ehefrauen (blau).
Mägde sieht man zumindest erstmal keine. Und vor allem fehlt es an Nebendarstellern. Die letzte Staffel beschränkt sich nämlich auf eine kleine Auswahl an Hauptcharakteren, die im Mittelpunkt der Handlung stehen und spart damit, im Vergleich zu den vorigen Staffeln, ordentlich an Nebencharakteren und Komparsen. Dadurch wirkt in der letzten Staffel alles so leer und traurig. Was ebenfalls auffällt: dass Gilead nicht mehr so "gruselig" wirkt. Zu Beginn der Serie wurde eine Angst auf den Zuschauer übertragen, die einem bis in die Knochen ging, untermalt von der gruseligen Musik (Theme "Chased" von Adam Taylor).
Die Story zieht sich auch unnötig in die Länge, obwohl es durchaus auch emotionale und spannende Momente gibt. Leider mangelt es der Serie nun aber an der vertrauten Power, die einem in den vergangenen Staffeln regelrecht den Atem stocken ließ. Auf der Zielgeraden schläft The Handmaid's Tale dann fast schon ein, statt wie im Trailer angekündigt, richtig in die Offensive zu gehen. Immerhin geht es hier um eine Revolution im Namen der Gerechtigkeit. Schon ab Staffel 4 hatte die Serie sich diesen Stil bereits angeeignet. Es begann die "Vorbereitung", um gegen Gilead vorzugehen, und es wurde sich unnötig mit anderen Handlungssträngen aufgehalten. Dabei rückten Dinge wie Hannahs Befreiung in den Hintergrund, obwohl dies neben Junes eigener Befreiung doch von Beginn an das zentrale Thema war. Nur wegen Hannah hatte June überhaupt die Kraft, um in Gilead zu überleben. Und auch in Staffel 6, wo die Revolution so richtig starten sollte und man endlich Köpfe rollen sehen will, hält die Serie sich stattdessen wieder damit auf, diesen Kampf bis zur vorletzten Folge zu planen, statt ins Handeln zu kommen. Und Hannahs Rettung rückt dabei völlig in den Hintergrund.
Als Zuschauer fiebert man mit und wartet, dass endlich etwas passiert. Spannend ist jedoch vor allem, wie die bestehenden Charaktere von June, Moira (Samira Wiley), Luke (O.T. Fagbenle) bis Serena (Yvonne Strahovski), Nick (Max Minghella), Janine (Madeline Brewer) und insbesondere Tante Lydia (Ann Dowd) sich bis hierhin entwickelt haben. Und das haben sie wirklich. Einige zum Positiven, andere zum Negativen, aber der Wandel der Charaktere ist einfach beeindruckend. Von der schauspielerischen Leistung her, hat der komplette Cast aber auch wieder voll und ganz abgeliefert. Elisabeth Moss ist einfach für die Rolle der June Osborne geboren worden. Mitten in der Staffel fehlte es zwar ein wenig an der Extraportion June-Power, aber zum Ende hin war sie wieder unsere Heldin. Bradley Whitford hat als Commander Lawrence einfach alle in die Tasche gesteckt. Und Ann Dowd hat als Tante Lydia natürlich auch wieder richtig geglänzt, wobei sie in den vergangenen Staffeln deutlich mehr zeigen konnte, was sie kann.
In Staffel 6 wurden viele kleine Szenen eingebaut, die an entscheidende und emotionale Momente aus vergangenen Staffeln erinnern, was den Abschied nur noch schwerer macht. Es ist eine Art Hommage an die Serie selbst und man spürt, wie die Serienschöpfer sich auf diese Weise ebenfalls von der Serie verabschieden. In einem Interview sprach Elisabeth Moss davon, dass die Staffel eine Liebeserklärung an die Fans sei. Es gehe darum, (die richtigen) Entscheidungen zu treffen. Und das stimmt: Es mussten viele schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden und vor allem June steht in einer herzzerreißenden Szene vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens.
Mayday gegen Gilead
Zum Ende hin geht die Staffel dann endlich in die Offensive und das große Finale beginnt. Ein Kampf im Namen der Menschlichkeit, bei dem (Fan-)Herzen zerbrechen und gleichzeitig heilen. Die letzten beiden Folgen konnten zum Glück alles wieder gut machen und ein zufriedenstellendes Finale liefern.
Fazit:
Auch wenn das entscheidende Ziel der Serie, welches in dem Serien-Prequel "The Testaments" aufgegriffen wird, hier leider untergegangen ist, ist es ein würdevolles Ende für eine herausragende Serie, die nicht nur zahlreiche Emmys abgeräumt, sondern auch viele Fanherzen erobert hat.