Bildnachweis: © Pandastorm Pictures

"The Missing" - Staffel 1 - Kritik

von Thomas Repenning

Serien rund um Entführungen gab es in den letzten Jahren nicht nur qualitativ einige sehr hochwertige, sondern im Kern auch bewegende und regelrecht erschütternde Beispiele für gelungene Erzählungen. Im Falle von The Missing, der achtteiligen BBC-Dramaserie (die zweite Staffel wurde 2016 ausgestrahlt), wurde aber definitiv ein neues Level erreicht. Denn die Serie rund um das Verschwinden eines kleinen Jungen während der Fußball Weltmeisterschaft im Jahre 2006 ist ein Paradebeispiel für exzellente Erzählkunst und eine meisterhaft finstere Inszenierung, die wahrlich in einen Abgrund führt. Kein Wunder also, dass die Serie von Harry und Jack Williams mit insgesamt 6 BAFTAs, zwei Golden Globes und zwei Primetime Emmy Awards nominiert wurde. The Missing bewegt sich dabei zwischen pessimistischer wie psychologischer Krimistudie und der Frage, wie weit Menschen bereit sind zu gehen. Was folgt ist ein tragisches Beispiel für die Abgründe der Gesellschaft, für Schatten aus der Vergangenheit, die einen nicht loslassen sowie die Suche nach der letzten Hoffnung. Dies zusammen mit der fabelhaften Inszenierung von Regisseur Tom Shankland (Ripper Street) und den grandiosen darstellerischen Leistungen, erzeugt eine authentische wie gleichsam schreckliche Geschichte die einen nicht so schnell loslässt.

Story

Der Familienurlaub von Tony und Emily Hughes (James Nesbitt, Frances O'Connor) endet in einem furchtbaren Albtraum. Im kleinen französischen Städtchen Chalons Du Bois verschwindet ihr fünfjähriger Sohn Oliver (Oliver Hunt) plötzlich in einer Menschenmenge. Die Polizei startet umgehend eine Suchaktion und beordert Julien Baptiste (Tcheky Karyo), einen der renommiertesten Ermittler Frankreichs, in den kleinen Ort. Ohne Erfolg: Der Junge bleibt spurlos verschwunden. Während die Verzweiflung der Eltern wächst, stürzen sich die Medien auf den spektakulären Fall. Acht Jahr später kehrt Tony Hughes an den Ort des Verbrechens zurück. Schuldgefühle und Schmerz haben seine Ehe zerstört, doch während Emily in einer anderen Beziehung den Neuanfang gewagt hat, sucht Tony weiter wie besessen seinen Sohn. Als neue Hinweise auftauchen, wird auch das Interesse des mittlerweile pensionierten Julien Baptiste wieder entfacht…

Leid, Hoffnung, Obsession, die zweifelhafte Ungewissheit, quälende Fragen und ein Abgrund aus dem es kein Entrinnen gibt: Für Tony Hughes ist all dies bittere Realität geworden und zwar an dem Tag, als er seinen Sohn Oliver nur für einen kurzen Moment aus den Augen verliert. Alleine bereits diese intensive Szene – ergreifend und mitreißend von Kameramann Ole Bratt Birkeland eingefangen – markiert die hohe Qualität, die The Missing bietet. Hier wird bis ins kleinste Detail eine Dramaserie offenbart, die den Zuschauer auf eine grausame Reise mitnimmt, die alles für immer verändert. Und gerade da liegt dann auch der größte Reiz an der Serie von Harry und Jack Williams. Mit seinen zwei Zeitebenen – 2006 sowie 2014 – folgt eine höchst spannende wie intelligente Erzählung, die alles aus seinen Möglichkeiten herausholt und als regelrechten Suspens auf die Mattscheibe bringt. Mehr noch: Beide Zeitebenen bieten ihre eigene Faszination. Während 2006 alles fiebrig und hektisch durch die WM zelebriert wird, gibt es acht Jahre später nur noch die reinste Hölle. Jeglicher Lebensmut ist aus Tony Hughes (James Nesbitt) gewichen, der jetzt nur noch einzig sich dem Alkohol, der Wut und Depressionen hingibt. Doch auch alle anderen Charaktere, allen voran natürlich Emily Hughes (Frances O'Connor), die einfach nur abschließen möchte sowie Julien Baptiste (Tchéky Karyo) der als hervorragender Ermittler nicht abschließen kann, haben sich verändert, haben furchen in ihre Gesichter bekommen und Dämonen die sie nun mittragen. Die Geschichte selbst holt sich allerdings ebenfalls viel aus den Zeitebenen. Wo 2006 noch alles eindeutig erschien, ergeben neue Details 2014 eine neue Perspektive. Wie war es wirklich? Was ist genau passiert? Für die Figuren von The Missing eine ebenso erschütternde Reise wie für den Zuschauer.

Letztlich zerrt dann The Missing auch viel davon, dass die Geschichte so eindringlich und authentisch wie möglich erzählt wird. Als Mystery-Krimi entpuppt sich die Serie als nicht nur fesselnd, sondern schlichtweg auch unglaublich spannend. Nicht zuletzt auch dadurch, dass uns Darsteller offenbart werden, die allesamt fantastisch mit ihren Charakteren umgehen. Wohl allen voran James Nesbitt als Tony Hughes der hervorragend die Transformation gelingt und die düstere Geschichte vorantreibt. Doch auch Tchéky Karyo kann als Ermittler Julien Baptiste überzeugen. Gerade dieses ungewöhnliche Duo kämpft sich dann auch durch Misstrauen, jede Menge Schuldzuweisungen und sind letztlich gar gebrochene Figuren. Und selbst der Ort Chalons Du Bois wird zur Figur, die über die Jahre nicht die entsetzliche Tat abschütteln konnte und in den Abgrund stürzte. Gerade diese ganzen Veränderungen werden ruhig und besonnen eingefangen und nach und nach erst sichtbar, sodass der Zuschauer vollends mitgenommen wird. Wenn sich dann neue Spuren und Indizien zeigen und das vollumfängliche Grauen offenbart wird, ergibt sich ein menschlicher Alptraum. Voller Egoismus und regelrecht verachtenswert. Passend untermalt mit den sehr gut geschriebenen Dialogen sowie der Musik von Dominik Scherrer. Schlichtweg famos.

Blu-Ray

Die Blu-Ray von Pandastorm Pictures, seit dem 21.04. im Handel erhältlich, ist technisch gesehen fast ohne Makel. Nicht nur, dass das Design gekonnt der Serie angepasst wurde – fabelhaft im schwarzen Schuber – auch das Bild ist klar, detailreich und unglaublich scharf, sodass die Geschichte voll zum Tragen kommt. Der Ton – vorliegend in Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1) – ist ebenfalls sehr gelungen und erzeugt einen tollen Raumklang, wenn auch der O-Ton aufgrund einer besseren schärfe und besserem Bass überzeugender abschneidet. Als Extras gibt es zudem Episodenkommentare sowie Featurettes mit Hintergründen.

Fazit

The Missing bietet einen wahren Horror und ist durchaus nicht für jeden geeignet: Wer sich aber der schwermütigen wie schicksalshaften Geschichte annimmt, bekommt eine fabelhaft gedrehte wie erzählte Serie, die einen wahren menschlichen Abgrund präsentiert. Authentisch, eindringlich, bewegend und unsagbar spannend. So muss ein Krimi aussehen.

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