Inhalt
Katz-und-Maus-Spiel mit einer Ente – nach einer wahren Geschichte: Es ist einer der spektakulärsten und längsten Erpressungsfälle der deutschen Kriminalgeschichte. Anfang der 90er Jahre treibt Kaufhauserpresser Arno Funke unter dem Pseudonym „Dagobert“ sein Unwesen. Er legt Bomben, erpresst Kaufhäuser, narrt die Polizei, beschäftigt Medien und Menschen. Und dennoch: Die Öffentlichkeit sympathisiert mit dem Erpresser, der mit seinen außergewöhnlichen Geldübergaben und mit cleveren Erfindungen das Land in Atem hält.
Kritik
„Jede Gesellschaft bringt den Verbrecher hervor, den sie verdient.“
True Crime-Geschichten erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Nach dem großen Erfolg zahlreicher Podcasts haben sie längst auch die Bildschirme erobert und bringen die spektakulärsten Kriminalfälle oft in Serienformaten für das breite Publikum aufgearbeitet in die heimischen Wohnzimmer. Besonders beliebt sind dabei Mordfälle und Serienkiller. Dass es auch anders geht und vor allem nicht immer düster und grausam sein muss, zeigt die RTL+-Originalserie Ich bin Dagobert. Mit einer ordentlichen Prise Humor erzählt die Serie die Geschichte des berühmten Kaufhauserpressers, der dank seiner ausgeklügelten Erfindungen und der scheinbaren Unfähigkeit der Polizei schnell die Massen begeistert und zum popkulturellen Phänomen wird. Das sind sicherlich die besten Voraussetzungen für eine Serie und das Potenzial wird tatsächlich recht gut ausgeschöpft.
„Lernen Sie genauso zu denken wie ihr Gegner. Nur dann können sie ihn täuschen.“
Die Serie bleibt nicht einseitig beim Erpresser Arno Funke alias Dagobert (gespielt von Friedrich Mücke, Wunderschöner), sondern wechselt immer wieder zu den Ermittlern und zeigt, dass sie nicht die Deppen der Nation waren, die nur mit Unfähigkeit glänzten und nicht in der Lage waren, Dagobert das Handwerk zu legen. Zwar gab es solche Momente, aber in den meisten Fällen war Funke den Verfolgern mehrere Schritte voraus oder hatte auch einfach nur Glück. Den Ermittlungsbehörden wird somit etwas Würde zurückgegeben, die sie im Ansehen der Bevölkerung längst verloren hatten. Wie sehr Dagobert gefeiert wurde, zeigen die damaligen Berichterstattungen, die man immer wieder einbindet und die gleichzeitig gerade dokumentieren, wie seinerzeit die öffentliche Meinung über die Polizei war. Regisseur Hannu Salonen (Der Rebell - Von Leimen nach Wimbledon) inszeniert dennoch Funke als Helden und liefert ein umfassendes Bild dieses Menschen mit Rückblicken in seine Kindheit und Einblicken in seinen privaten Familienalltag.
„Verbrechen lohnt sich nicht, außer sie sind gut darin.“
Dagobert ist eben nicht nur eine Kunstfigur, sondern ein realer Mensch mit Problemen und die Produktion Ich bin Dagobert will Erklärungsansätze dafür liefern, warum Arno Funke irgendwann den Weg des gesetzestreuen Bürgers verlässt und in die Kriminalität abdriftet. Vom Ansatz her ist das definitiv positiv zu bewerten, denn es sorgt für ein viel besseres Verständnis des Menschen, aber man hat teilweise das Gefühl, dass auch die Serie den Erpresser, der in mehreren Karstadt-Filialen Bomben gezündet hat (durch die aber glücklicherweise niemand verletzt wurde) zu sehr heroisiert und ihn eher als Opfer der Umstände darstellt. Hier hätte man zumindest im Laufe der Serie eine deutlichere Positionierung erwartet. Die Möglichkeit hätte sich dank der Erzählerstimme aus dem Off ergeben, denn Dagobert erzählt mit einiger Ironie seine Lebensgeschichte und kommentiert seine damaligen Entscheidungen. Doch eine wirklich kritische Auseinandersetzung findet nicht statt. Vielleicht hatte man einfach nur Angst, dass die humorvolle Serie dadurch an Witz und Charme verliert. Das ist aber letztendlich nur einer der wenigen Abstriche, die man bei dieser Serie machen muss.
Für eine deutsche Serienproduktion ist das Werk wirklich erfrischend und einfallsreich und kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen. Dagobert erklärt das Prinzip seiner Erfindungen, mit denen er immer wieder versucht hatte, die Geldübergaben zu bewerkstelligen. Kurz und präzise und teils mit grafischen Darstellungen versehen, kann hier der Zuschauer genau nachvollziehen, wie seine technischen Spielereien funktionieren oder funktionieren sollten. Der Serie gelingt es auch durchgängig das Tempo hochzuhalten, ohne zu überfordern. Lästige Episoden mit reinem Füllstoff oder Übergangsepisoden gibt es nicht. Wenn es etwas ruhiger zugeht, dann bekommt man den notwendigen Background zur Figur und taucht in die Psyche Dagoberts ein. Hierfür hat man sich sogar an surreale Elemente gewagt, um Funkes Depressionen bildlich darzustellen. Für normale Sehgewohnheiten mag es auf den ersten Blick befremdlich wirken, aber gerade Monster-Dagobert ist eine gute Wahl, um zu zeigen, welche Dämonen depressive Menschen oft umtreiben und beherrschen. Die Serie wirkt stets authentisch und das insbesondere in Bezug auf die Figur Dagobert. Gut, dass der echte Dagobert der Produktion beratend zur Seite stand. Zugleich muss man aber auch Hauptdarsteller Friedrich Mücke hervorheben, der mit seiner überragenden Darstellung vielleicht der wichtigste Faktor für diese Authentizität ist.
Technischer Part
Polyband/ WVG veröffentlichte die 6-teilige Miniserie Ich bin Dagobert am 31. Januar 2025 auf 2 DVDs in für das Format angemessener guter Bild- und Tonqualität auf Deutsch in Dolby Digital 5.1. Als Bonus sind lediglich Trailer enthalten.
Fazit
Tatsächlich gibt es noch deutsche Serien über Kriminalfälle, die nicht im typischen Sonntagabendkrimi-Stil daherkommen. „Ich bin Dagobert“ ist erfrischend anders und doch authentisch. Mit hohem Tempo begleitet man Dagobert und fiebert mit ihm mit, in der Hoffnung, dass er endlich sein Ziel erreicht. Vielleicht bringt die Serie ihm manchmal zu viel Sympathie entgegen und vergisst bei aller Bewunderung für seine Genialität, dass es sich immer noch um einen Kriminellen handelt. Dafür wagt sich die Serie mit seinen surrealen Elementen tief in die Psyche des Erpressers und versucht seine Motivation zu ergründen, was erstaunlich gut gelungen ist. „Ich bin Dagobert“ beweist, dass auch die deutsche Serienlandschaft abseits der großen internationalen Streaming-Anbieter etwas zu bieten hat.