Bildnachweis: © HBO | Werbemotiv zu "True Detective"

"True Detective" - Staffel 3 - Kritik

von Pascal Reis

Kritik

„Allzu oft tun wir Dinge, die uns verletzen, weil wir glauben, diese zu verdienen.“ 

Die erste Staffel True Detective ist quasi über Nacht zu einem Klassiker der modernen Fernsehlandschaft avanciert und hat HBO durch die mit Matthew McConaughey (White Boy Rick), Woody Harrelson (The Highwaymen) und Michelle Monaghan (Kiss Kiss Bang Bang) besetze Serie nicht nur ein neues Prestigeformat eingeräumt, sondern auch einen echten Publikumsliebling. Mit der zweiten Staffel, in der sich Colin Farrell (Dumbo), Rachel McAdams (Spotlight) und Taylor Kitsch (Lone Survivor) als Ermittler-Trio im Los Angeles der Gegenwart präsentierten, folgte der herbe Absturz jedoch auf dem Fuße: Von der Kritik verrissen, von der Zuschauerschaft verdammt. Sicherlich kam die Nachfolgerseason etwas zu schnell, selbst Showrunner und Autor Nic Pizzolatto war sich beim Schreiben des Drehbuches erst nach 40 Seiten im Klaren darüber, dass er hier womöglich eine zweite Staffel zu True Detective verfasst.

Uninteressant war Staffel 2 jedoch keinesfalls, letztlich auch aus dem Grund, aus dem die Verfechter der ersten Staffel einhellig auf die Barrikaden gingen: Pizzolatto unterminierte gezielt all die Distinktionsmerkmale, für die True Detective beim ersten Mal noch einstand. Die Möglichkeit einer dritten Staffel stand daher lange Zeit in der Schwebe – und wenn es zu einer Umsetzung kommen sollte, dann nur unter dem Kompromiss, dass sich Pizzolatto auf die ursprünglichen Erzähltugenden zurückbesinnt, anstatt sein eigenes, fast schon rebellisches Ding durchzuziehen. Gesagt, getan. Die dritte Runde True Detective wartet nun erneut mit einem männlichen Polizistenduo auf, bewegt sich kontinuierlich über düstere Landstriche der amerikanischen Weiten und serviert uns einen ganz und gar klassischen Kriminalfall: Zwei Kinder sind auf dem Weg zu Freunden verschwunden. Was nach phlegmatischem Fanservice klingt, ist in Wahrheit viel mehr.

True Detective entfaltet seine Geschichte um die beiden Cops Wayne Hays (Mahershala Ali, der gerade seinen zweiten Oscar für Green Book gewinnen konnte) und Roland West (Stephen Dorff, Blade) über drei Zeitebenen. Natürlich, ein Zugeständnis an die dramaturgische Strategie der ersten Staffel, die die Perspektiven auf ein Verbrechen über einen Zeitraum von mehreren Dekaden, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, so ganz gezielt verschieben und vertiefen kann. Tatsächlich wirkt die dritte Staffel auch immer wieder so, als würde sie sich nach dem geballten Hass, der Staffel 2 widerfahren ist, ein Stück weit gegen neuen Unmut immunisieren wollen, in dem sie die erfolgreichen Trademarks der ersten Staffel emuliert und so um die Gunst des Publikums buhlt. Dieser Anschein der Anbiederung aber wird von Episode zu Episode deutlicher ausgehebelt.

Nic Pizzolatto, der neben Jeremy Saulnier (Wolfsnächte) und Daniel Sackheim (The Glass House) nun auch als Regisseur fungiert, geht es hier in Wahrheit nicht darum, den Fall um die verschwundenen Purcell-Geschwister aufzuklären, stattdessen steht Wayne Hays im Mittelpunkt. Ein ehemaliger Fährtenleser beim Militär; ein Vietnamveteran, der für sein Land gekämpft hat und in seiner Heimat nun aufgrund seiner Hautfarbe mit Verachtung zu ringen hat. True Detective verhebt sich nicht daran, ein horizontal erzähler Beitrag zur Rassismusthematik zu sein, stattdessen beschreibt er die Diskriminierung, die Hays immer wieder entgegenstößt, mit einer treffenden Beiläufigkeit, wie wir sie auch in unserem Alltag erleben können. Was für eine Karriere hätte dieser Mann machen können, wenn er nicht afroamerikanischer Abstammung wäre? Wenn er aus den Blicken der Menschen um ihn herum nicht ständig das N-Wort herauslesen müsste?

Auch wenn sich True Detective dann doch immer noch etwas zu ausgiebig in die Verfahrensweise der Ermittlungsarbeit festbeißt, Hinweise, Indizien, Befragungen aneinanderreiht und durchleuchtet, ist die dritte Staffel vielmehr das tragische Psychogramm eines Mannes, der mehr und mehr verblasst. Schon in den 1970er und 1980er Jahre schwelt unter der kernigen Oberfläche Hays' eine tiefe, archaische Finsternis, die sich zuvorderst in der Frustration kanalisiert, weder in seinem Beruf, noch als Privatperson zu funktionieren. Sein Eheleben mit der Grundschullehrerin Amelia (Carmen Ejogo, It Comes at Night) ist dominiert von den gespenstischen Obsessionen, die Hays von der Arbeit mit nach Hause bringt. Dass Amelia diesenallumgreifende Desillusion nutzt und in künstlerische Energie umwandelt, wenn sie ein Buch über den Purcell-Fall verfasst, welches zum Bestseller aufsteigt, zeigt, dass Pizzolatto an seinem Frauenbild gearbeitet hat.

Wirklich bedrückend wird diese erneut exzellent fotografierte und herausragend von allen Beteiligen, aber vor allem Mahershala Ali gespielte Staffel dann in dem Zeitabschnitt der Gegenwart. Hier treffen wir auf einen 70-jährigen Wayne Hays, demenzkrank, verwitwet, aber immer noch getrieben davon, Licht in die Dunkelheit zu bringen, die die Purcell-Kinder in sein Leben gebracht haben. True Detective führt den Zuschauer in ein nebulöses Gestrüpp (zwischen-)menschlicher Verlorenheit und versteht nicht die polizeilichen Untersuchungen als Marsch durch die verschlungenen Gänge eines Labyrinths, sondern in die mehr und mehr verwüstete Psyche eines Mannes, dessen Lebensinhalt das Kombinieren, Antizipieren, Reflektieren gewesen ist und nun der Qual der in Trümmer gelegten Erinnerungen, dem Leid des mehr und mehr verblassenden Denkens ausgesetzt ist. Eine gequälte, getriebene Seele, die nicht weiß, wohin sie geht und woher sie kommt.

Mag das kriminalistische Narrativ hier zwar immer noch stimmungsvoll formuliert sein, die Sogwirkung der dritten Staffel speist sich aus dem aufopferungsvollen Umgang mit den Charakteren respektive dem Hauptakteur. Die Suche nach dem Täter ist letzten Endes eine Jagd nach dem wahren Ich. Ein Wettlauf gegen die Zeit; jene Zeit, die alle Gedanken in Fetzen reißt und das Gedächtnis wie einen Dachstuhl lichterloh ausbrennt. Auch wenn die dritte Staffel von True Detective nicht an den mythologischen Horror der ersten Staffel anknüpft und keineswegs das renitente Wesen der zweiten Staffel mitbringt, so besitzt sie doch sicherlich den ausgefeiltesten Protagonisten der Serie, der nicht nur als Gradmesser für amerikanische Befindlichkeiten herangezogen werden kann, sondern auch die großen Themen der Vorgängerstaffeln mit emotionalen Facettenreichtum abdeckt: Inmitten von Moralvorstellung, Machtgefügen, Verlustängsten und dem Schmerz der Vernunft ist Hays ein Mensch, der sich grundsätzlich erst Gefühlen aus den hintersten Winkeln der Seele stellen muss, bevor er handelt.

Blu-Ray

Dank Warner Home Video ist die dritte Staffel der HBO Serie seit dem 05.09.2019 im Handel erhältlich. Technisch gesehen, gibt es dabei wenig zu bemängeln. So ist das Bild hochauflösend, scharf, kontrastreich und passt sich perfekt der Inszenierung an, während er Ton – vorliegend in Deutsch DTS 5.1 Englisch DTS-HD MA 5.1 Französisch DTS 5.1 Italienisch DTS 5.1 Spanisch DTS 5.1 – gut abgemischt ist und einen tollen Raumklang erzeugt. Eine 7.1 Abmischung wäre dennoch wünschenswert gewesen. An Extras bietet die Blu-Ray indes einiges: So zum Beispiel die Features Das Design der Zeitebenen: Die Ausstattung der verschiedenen Jahrzehnte, die Musik der 3. Staffel: Eine Unterhaltung zwischen Nic Pizzolatto und T Bone Burnett, ein Extended Cut des Staffelfinales und nicht verwendete Szenen. Für Fans absolute Pflicht.

Fazit

Mag die dritte Staffel "True Detective" auch einige Zugeständnisse an die erste Staffel eingehen, um die Gemüter der Fans der Serie wieder ein Stück weit zu besänftigen, so besticht diese Season vor allem als umfangreiches Psychogram eines Mannes, der sich auf einer getriebenen Suche nach seinem wahren Ich befindet. Exzellent fotografiert, herausragend gespielt und durchaus berührend führt Staffel 3 in die hintersten Winkel der mehr und mehr verwüsteten Seelenlandschaft, wo man sich selbst bekämpfen muss, um endlich anzukommen.

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