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Uwe und ich - Mein Treffen mit Uwe Boll

von Sebastian Groß

Wie wohl das Wetter war? Diese Frage saust tatsächlich durch meinen Kopf, während ich vom regnerischen Draußen ins trockene Kino-Foyer komme. Heute ist es soweit. Regisseur, Autor, Produzent, Provokateur, Großmaul, Enfant Terrible Dr. Uwe Boll stellt seinen neusten Film vor: „Rampage - Capital Punishment“. Seine Kinotour führte ihn durch ganz Deutschland: Berlin, Mainz, Duisburg, Leverkusen, Hamburg und nun eben in das Multiplex vor den Toren Kölns. Ob es in Mainz auch geregnet hat? Ich besuche dieses Kinos eher selten. Der Sound ist meist zu leise, die Leinwände häufig schmutzig, die Projektion oft zu grässlich. Aber wenn Boll ruft, bzw. einlädt, dann sind solche Diskrepanzen zwischen meiner Wenigkeit und der UCI Kinowelt redundante Nichtigkeiten.

Es regnet, ich bin pitschnass und tropfe die Rolltreppe voll, die mich vom unteren Teil des Foyers hinauf zu den Kassen befördert. Noch eine gute Stunde, bis „Rampage - Capital Punishment“ in Saal 4 über die Leinwand flimmern wird. Vor der Kasse werde ich Zeuge, wie eine liebenswerte Dame vom deutschen Verleih mit einem anderen Pressevertreter sowie dem Kassierer spricht. Erleichterung macht sich bei mir breit. Aus Erfahrung weiß ich, dass die Mitarbeiter des Kinos Fragen eher unfreundlich gegenüber stehen. Die Frage, wo ich mich als Pressevertreter melden muss, hat sich also erübrigt. Dennoch hab ich noch nicht mein Ticket in der Hand. Dafür beginnt ein netter Plausch mit der Dame des Verleihs. Ein Pressekollege leistet uns Gesellschaft. Wir reden über „The Expendables 3“. Da die Dame, die dank ihrer ungezwungen, freundlicher Art meine Nervosität deutlich lindert, für Splendid arbeitet (die Teil 3 der Geronto-Söldner-Action in Deutschland herausbringt) versuche ich nonchalant zu beschreiben, dass mir Stallones Actionfilm ziemlich missfallen hat. Das Ergebnis meines Versuches ist aus meiner Sicht geglückt. Außerhalb meiner subjektiven Wahrnehmung war es bestimmt ein Desaster, dargeboten mit vielen „ähs“ und „ehms“.

Dann steht er vor uns. Nein, nicht Boll (der taucht im nächsten Abschnitt auf, falls ihr „Vorspulen“ wollt), sondern der Kinobetreiber. Ein großgewachsener Mann, breit grinsend und mit Brille. Er scheint sichtbar Stolz zu sein, heute in seinem Kino hohen Besuch zu haben. Das letzte Mal, dass ein „Star“ sich in dieses Kino verirrt hat, war als Kalle Pohl (bekannt aus „7 Tage, 7 Köpfe“) mit seinen Kindern vor vielen Jahren einen Film ansah (Anekdote einer guten Freundin, an den Film kann sie sich aber nicht erinnern – wie unprofessionell). Er und die Dame vom Verleih unterhalten sich, während ich versuche, mit dem Kollegen Small Talk zu machen. Das Ergebnis ist eher ernüchtern. Während meine Lippen Fragen und Antworten abgeben, bemerke ich, dass vor der Kinokasse (mittlerweile ist es halb acht) immer noch Leere herrscht. Ich stelle mir vor, wie in Saal 4 gähnende Leere herrscht. Das wäre unangenehm. Nicht für mich, aber bestimmt für den Kinobetreiber, für die Dame von Splendid und für Uwe Boll. Die drücke meine imaginären Daumen und muss daran denken, dass die Veranstaltung nur als Sneak Preview beworben wurde. Wer nicht explizit in den unendlichen Weiten des Internets nach der „Rampage - Capital Punishment“-Kinotour gesucht hat, wäre nicht auf die Termine gestoßen. Als ich ein Pärchen an der Kasse sehe, die „zweimal die Sneak, bitte“ ordern, wird mir klar, dass wohl nur die wenigstens wirklich davon wissen, dass Boll hier heute seinen „Rampage - Capital Punishment“ vorstellen wird. Als das Pärchen die Tickets entgegen nimmt, seufzt er ein „Vielleicht ist es ja der neue Dwayne-Johnson-Film“. Ich lasse ihn in dem Glauben. Zum Kino gehören Enttäuschungen dazu und zum Sneaken sowieso.

Mein Puls war immer noch beständig hoch. Hätte mich jemand mit einer Nadel gepiekst, mein Herz hätte das Blut aus der Wunde geschossen, wie aus einem Maschinengewehr. Der Blutdruck fällt jedoch rapide wieder auf ein einigermaßen erträgliches Level, als plötzlich Uwe Boll vor mir steht. Sein Portemonnaie in der Hand, gepresst neben einer schwarzen DVD-Hülle. Er begrüßt die Dame vom Verleih herzlich, stellt zwei weitere Personen vor, die mit ihm gekommen sind und erzählt, dass er gerade im nahegelegenen Thai-Imbiss Chili-Krabben gegessen hat, die scheinbar sehr lecker waren. Seine beiden Gefährten nicken. Keine Ahnung wer sie waren, aber einer von ihnen holt Popcorn und plötzlich ertappe ich mich, wie ich es fast für selbstverständlich erachte, dass ich zusammen mit Uwe Boll und seiner Entourage Popcorn esse (auch wenn ich aus falscher Scham nur zaghaft zugreife). Es wird viel geplappert, ich bleibe erst mal stumm. Ich habe bis auf vier oder fünf Filme jedes Bollwerk gesehen. Oft mehrmals, weil man einen Film von Boll erst dann wirklich gesehen hat, wenn man den passenden Audiokommentar kennt.

Ich komme mir irgendwie wie ein Vollidiot vor. Ich stehe da, greife wie ein motorisch Kranker nach dem Popcorn und schweige. Ich sehe es vor meinem geistigen Auge: In seinem nächsten Audiokommentar wird mich Boll erwähnen, als der fette Typ von der Presse, der das Maul nicht aufmachen konnte und spastisch versucht das Popcorn zu greifen, ohne dass die Hälfte zu Boden fällt. „Nein, so darf es nicht enden“, rattert durch meinen Kopf. Und tatsächlich, ich bekomme meine Chance. Als Boll meint, er würde zu Beginn des Films im Kino bleiben, dann aber rausgeht, murmele ich so etwas wie „DAS wäre doch eine filmstarts-Schlagzeile: „Bolls neuster Film ist so schlecht, dass er selbst den Saal verlassen muss!“. Er muss lachen. Puh. Geschafft. Natürlich nutzt er diese Vorlage, um gegen die Kollegen zu hetzen, die er erst kürzlich als Idioten beschimpfte. Ich höre gerne zu und ertappe mich dabei, wie meine Nervosität einer gewissen Sicherheit weicht. Schönes Gefühl. Dann kamen plötzlich mehrere nackte, hübsche, wohlgeformte Frauen herein. Bewaffnet mit Laserkanonen und Gravitationsgranaten. Sorry, das war nur ein Test, ob ihr noch da seid oder schon schlaft.

Das Gespräch vor der Kasse geht weiter. Hier sagt einer was, dort sagt einer was und plötzlich haben sich sogar ein paar Boll-Fans in die Runde geschummelt. Da geht meine humoristische Bemerkung leider unter, dass Boll doch bitte an der Kasse eine Karte für den neuen Transformers“-Film kaufen sollte (hätte ich davon ein Video, er wäre der Internet-King). Ein Fan, eine seltsame Erscheinung mit Armee-Weste und sehr gegelten oder doch sehr fettigen Haaren) schenkt dem Meister ein Buch. Ich weiß nicht, ob er es geschrieben hat und es Boll nur schenken möchte. Jedenfalls bittet Boll um die Mail-Adresse. Immerhin will er seinem Fan ja seine Meinung zum frisch geschenkten Roman mitteilen. Ich bin beeindruckt. So wie Boll mit dem (wahrscheinlichen) Autor umgeht, ist diese Resonanz-Ankündigung kein bloßes PR-Gelaber, sondern wirklich so ernst wie liebenswert gemeint. Ein zweiter Fan drückt Boll zaghaft die Blu-ray von „Darfur“ in die Hände und bittet um ein Autogramm. Boll lächelt und der Fan erstrahlt als ihm der Regisseur sagt, er würde ihn von einer anderen Veranstaltung wiedererkennen. Es war mir schon vorher klar und wurde öfters propagiert wie publiziert, aber Dr. Uwe Boll ist wirklich ein Filmemacher zum Anfassen. Auch wenn ich ihn jetzt nicht wirklich befummeln möchte, dafür hat er der gute Mann dann doch zu wenig Haare und vor allem das falsche Geschlecht.

Durch die Verringerungen der Aufgeregtheit flog die Zeit schneller davon. Plötzlich war es kurz vor acht. Showtime. Vor Saal 4 tummeln sich einige Leute. Es wirkt fast so, als ob es voll wäre. Endlich werden die Türen geöffnet. Ich begebe mich zu meinem Platz. Der Saal ist doch noch gut gefüllt, aber dennoch weit davon entfernt, voll zu sein. Noch immer wissen die Meisten nicht, was sie heute hier erwartet. Die Boll-Fans rutschen unruhig auf ihren Logenplätzen hin und her. Der Kinobetreiber betritt den Saal, spricht in sein Funkgerät und plötzlich wird das Licht auf Maximum gedreht. Wahrscheinlich wurde der Saal bis vor wenigen Minuten noch ordentlich geschrubbt. So sauber war es hier noch nie. Boll betritt locker den Saal, geht wie ein, bei seinen Schülern beliebter Lehrer, nach vorne und spricht ein paar Worte. Ein leichtes Raunen geht durchs Kinos, als endlich alles klar wird, dass hier heute ein echter Regisseur seinen neusten Film vorstellt. Aus einem Winkel des Kinosaals vernehme ich ein geflüstertes „Der hat mal mit Jason Statham gedreht“. Boll lässt das kalt. Es ist ihm anzumerken, dass es nicht sein erster Auftritt ist. Die „Rampage - Capital Punishment“-Kinotour ist ja auch fast vorbei. Nach seiner Ansprache startet der Film. Von einer Blu-ray. Was zur leichten Irritation bei meiner Sitznachbarin führt, die gerade ihr Smartphone in ihre Vuitton-Handtasche packt.

Der Film beginnt. Sofort wird mir klar, was Boll meinte, als er im Foyer preisgab, dass er mit der deutschen Synchronfassung eher unzufrieden ist. Deutlich spür-, bzw. hörbar ist dies vor allem bei den Szenen, in denen Boll selbst als Darsteller (er spielt einen TV-Produzenten) auftritt und sich selbst synchronisiert. Das ist wahrlich grausam und ein weiterer Beweis für die Großartigkeit von Originalfassungen. Wie „Rampage - Capital Punishment“ war? Nun, das werde ich in einer gesonderten Kritik preisgeben, die bald hier erscheinen wird. Nur so viel: wirklich überzeugt war ich nicht. Aber „Rampage - Capital Punishment“ ist endlich mal wieder ein Film, bei dem es sich lohnt darüber zu reden, zu streiten, zu diskutieren. Durchaus ein seltenes Gut, in einer Welt voller neuer Filme, die versuchen jedem zu gefallen.

Nach knapp 90 Minuten setzt der Abspann ein. Sofort packen die meisten Zuschauer ihre sieben Sachen. Die Damen neben mir, die während des Films immer wieder ihr Smartphone aus ihrer Handtasche fischte, wollen auch gerade aufstehen, als das Saallicht wieder auf Stufe 10 gestellt wird und Uwe Boll sich vor der Leinwand positioniert. Mit klarer, lauter Stimme (ein Mikro war wohl nicht drin) erzählt er, warum er den Film gedreht hat. Erzählt von seiner Wut gegen Obama, Bush, Merkel, dem ganzen „verlogenen System“. Dies bewegt aber nur wenige Leute, die dabei waren aufzubrechen, dieses Unterfangen zu verschieben. Die Damen neben mir und ihre Clique bleiben erst mal sitzen, schauen sich irritiert an, zucken mit den Schultern und lauschen dem Meister, der, kennt man Uwe Boll, nun auch nichts wirklich Neues von sich gibt. Im Saal herrscht eine Atmosphäre der Ratlosigkeit. Viel zu wenige wissen einfach, was das eigentlich alles soll. Ein Tuscheln geht um. Ich vernehme ein „Dauert es noch lange?“. Boll registriert jede Bewegung, jeden Mucks. Sein Blick schlendert während seines Vortrags durch den Saal, doch er lässt sich nicht irritieren. Er redet weiter. Frei schnauze? So soll es rüber kommen, aber es ist deutlich zu merken, dass er die letzten Tage immer wieder dasselbe erzählt hat. Das wäre nicht schlimm, wenn er vom Publikum herausgefordert worden wäre, doch nachdem er die Fragerunde eröffnet, bleiben die Handzeichen aus. Zaghaft richtet sich eine Hand in die Höhe. Die Frage nach einem dritten Teil beantwortet Boll souverän. Er gibt Preis, dass der Hauptdarsteller, Brendan Fletcher, aktuell verplant ist und in Amerika „Rampage - Capital Punishment“ noch nicht von einem großen Videoverleihanbieter ins Sortiment aufgenommen wurde. Sollte dies noch geschehen, hat Teil drei wohl grünes Licht.

Ein Fan, der, der sich vor der Kasse die „Darfur“-Blu-ray signieren ließ, zeigt auf. Seine Stimme klingt zittrig, aber nicht aus Aufregung. Es klingt mehr wie ein Sprachfehler: „Ich wollte dir danken, dass du mal wieder der Gesellschaft den Stinkefinger entgegen streckst“. Getragen von tiefer Überzeugung hallt der Satz durchs Kino. Gut ein Dutzend Zuschauer nehmen Bolls kurze Dankesrede zum Anlass und verlassen Saal 4. Jetzt wird mir endgültig klar, dass diese „Diskussion“ ein ziemlicher Rohrkrepier wird. Es folgt noch eine Frage, die ich allerdings nicht registriere, da die Dame rechts von mir und ihre Clique versucht, sich an mir und meinem voluminösen Umfang vorbei zu schleichen. Ich fühle mich wie ein alter Sack, denn ich finde es unverschämt, dass die Damengruppe mit gezückten Smartphones das Kino verlässt und nicht einmal versucht ihre abwertende Haltung gegenüber der Veranstaltung zu vertuschen. Dann schaue nach hinten: Der Kinobetreiber spielt mit seinem Funkgerät, die nette Vertreterin von Splendid steht an der Tür und macht einen ernüchternden Gesichtseindruck. Das Gefühl der Enttäuschung macht sich bei mir breit. Das soll es gewesen sein? Ich habe das Gefühl, dass nicht nur ich mehr erwartet habe. Aber an Uwe Boll liegt es nicht. Er gibt sich Mühe.

So, noch eine letzte Frage“ sagt er. Ich strecke meine Hand in die Höhe. Er zeigt auf mich. „Hast du eine Erklärung, warum Teil zwei uncut eine FSK-Freigabe bekam, aber Teil eins nicht? Ich fand die Fortsetzung jetzt nicht brutaler als den Vorgänger.“ Kurz bin ich stolz, bis mir einfällt, dass auch diese Frage ein läppischer, alter Hut ist. Boll antwortet routiniert. Nennt die Kürzungen, die der erste Teil erfahren hatte, eine „Kulturzensur“ und verabschiedet sich danach. Enttäuscht sieht er nicht aus, nur etwas konsterniert. Das hier ist eben nicht Berlin oder Mainz, das ist ein rheinländischer Vorort. Großstädter würden es als Kaff bezeichnen. Boll verlässt den Saal 4, der mittlerweile beschämend leer wirkt. Die Bollfans hasten ihm nach. Genau wie ich. Die Splendid-Dame fragt, wo ich das Interview mit Uwe Boll führen will. Ich schüttele mit dem Kopf und sage ihr, dass sie mich mit jemand anderem verwechselt. Sie lächelt. Boll steht neben ihr. Obwohl er es nicht nötig hat, tut er mir ein wenig leid. Gleichzeitig denke ich mir, dass er bestimmt auch mal genug hat von dieser Kinotour. Ich nutze noch einmal die Gelegenheit und bedanke mich bei ihm und reiche ihm die Hand. Ich hätte nicht gedacht, dass er so einen schwachen Händedruck hat. Dasselbe mache ich mit der Splendid-Dame, deren Griff für ihre ihre zierliche Statur eher etwas kräftiger ist. Dann verlasse ich das Kino. Draußen regnet es immer noch. Meine Sachen sind gerade wieder einigermaßen trocken geworden. Auf dem Weg zu Bus komme ich am Thai-Imbiss vorbei. Da sollte ich mal essen gehen. Uwe Boll würde die Chili-Krabben empfehlen.

Wer Uwe Boll in voller Aktion sehen will, er darf sich dieses Video nicht entgehen lassen. Es zeigt seine Podiumsdiskussion nach dem Screening von "Rampage - Capital Punishment" in Mainz. Viel Spaß.

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