Bildnachweis: © From Software / Bandai Namco

Videospiel "Elden Ring" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Die Goldene Ordnung wurde zerschlagen. Im gesamten Zwischenland streiten und bekriegen sich Halbgötter, die nur Fragmente des Eldenrings besitzen, um die Ruinen eines perfekten Reichs, das ehemals vom Höheren Willen mit goldener Hand geführt wurde. Während das Echo dieses Konflikts in der Ferne dröhnt, taucht ein Ausgestoßener auf. Einst haben seine Vorfahren das Zwischenland als ihre Heimat angesehen, doch es ist nun schon lange her, dass sein Stamm aus dem gesegneten Licht der Gnade gefallen ist und aus dem Königreich verbannt wurde. Sie sind die Befleckten und sie kehren zurück, um ihren Titel als Eldenfürsten einzufordern, der ihnen der Legende nach zusteht.

Kritik

Immer dann, wenn ein neuer Titel von From Software ansteht, ist die Freude unter Spielern enorm groß. Immerhin hat das japanische Entwicklerstudio mit Demon's Souls, der Dark Souls-Reihe, Bloodborne und Sekiro schon reihenweise Hits produziert und damit sogar ein eigenes Genre erschaffen, das über die Jahre zunehmend an Beliebtheit gewann. Sogenannte Soulslikes findet man mittlerweile überall und in verschiedensten Ausführungen, sie zeichnen sich in der Regel durch komplexe Kampfsysteme, ihrem düsteren Design und dem hohen Schwierigkeitsgrad aus. Letzteres mag manch Spieler abschrecken, andere fühlen sich davon aber regelrecht angezogen. Im Falle von Elden Ring, dem neuesten Action-RPG von From Software, sogar eine ganze Menge Leute. Schon seit Jahren besteht ein riesiger Hype um das Game, der mit jeder News noch weiter angeheizt wurde. Am 25. Februar ist der Titel nun endlich für PC und Konsolen erschienen. Praise the Sun!

Interessant an Elden Ring ist zunächst die Zusammenarbeit mit George R. R. Martin, dem Autor der Das Lied von Eis und Feuer-Buchreihe, auf der die Game of Thrones-Serie basiert. Von offizieller Seite heißt es, dass Martin an der Story, dem Lore und einigen Designs mitwirkte. Wie groß sein Einfluss tatsächlich war, lässt sich schwer beurteilen, tatsächlich ist für Souls-Veteranen wenig erkennbar, was nicht die DNA von From Software trägt. Daher sei an dieser Stelle die Behauptung aufgestellt, dass das Studio auch ohne die prominente Kooperation sehr gut zurechtgekommen wäre. Ein PR-Push kann aber natürlich nie schaden. 

Auch wenn Genrevertreter in der Regel große verwinkelte Welten haben, in denen man mehrere Pfade einschlagen kann, um voranzukommen, ist Elden Ring eine Art Evolution der bekannten Souls-Formel. Erstmals handelt es sich um eine echte Open World, in der man sich völlig frei bewegen kann. Und das wirft natürlich die Frage auf, ob das überhaupt gut gehen kann. Denn Open Worlds müssen ganz anders mit Inhalten gefüllt werden als komplett durchstrukturierte Spiele, die den Spieler gewissermaßen führen. Hat sich From Software hier also übernommen? Die erfreuliche Nachricht: Ganz und gar nicht, der neue Ansatz ist sogar die größte Stärke des Spiels und entfesselt einen ungeheuren Entdeckerdrang, wie ihn in der Form nur wenige andere Games hinbekommen.

Bevor wir in die Welt aufbrechen, gilt es zunächst einen Charakter zu erstellen. Dabei wird neben kosmetischen Anpassungen auch eine Startklasse gewählt, die grob eine Richtung zur Entwicklung vorgibt und mit jeweils anderem Gear beginnt. Festgenagelt ist man auf diesen Weg jedoch nicht, im Laufe des Abenteuers kann man seinen Helden nach Lust und Laune formen. Wer also als Nahkämpfer startet, später aber doch noch zaubern möchte, kann das jederzeit tun. Das System ist höchst flexibel und bietet etliche Möglichkeiten, seinen perfekten Build zu erstellen. Viel zum Herumtüfteln also, um all die gefundene Ausrüstung optimal zu nutzen. Und davon gibt es im Spiel eine ganze Menge an abgefahrenen Vertretern, die nicht nur mit unterschiedlichen Werten ausgestattet sind, sondern auch ganz eigene Movesets und Spezialattacken besitzen. Ausprobieren macht also echte Freude! Mit erbeuteter Kriegsasche lassen sich die Spezialattacken von Waffen sogar noch nach Belieben umformen. Etwas, das in Bloodborne oder Dark Souls so noch nicht möglich war. Ansonsten können Waffen mit seltenen Materialien wieder gezielt aufgewertet werden, während magische Talismane (ersetzen Ringe aus Dark Souls) unserem Charakter besondere Boni spendieren. 

Nach einer kurzen Tutorial-Phase, in der wir schnell die Steuerung erlernen (wer Dark Souls gespielt hat, kennt sie eigentlich schon – neu sind lediglich der Sprung aus dem Stand und eine Schleichfunktion) und traditionell sogleich von einem überstarken Gegner plattgemacht werden, treten wir aus einer Höhle in die weite Welt hinaus. Von hier an kann man tun und lassen, was man will. Die grobe Richtung, um in der Story voranzuschreiten, ist zwar ersichtlich, doch wie man da hin kommt und wann man es tut, bleibt jedem selbst überlassen. Anders als Open Worlds der Marke Assassin's Creed und Co. ist unsere Karte komplett leer. Keine Icons, keine Richtungsvorgaben, keine Questmarker, einfach gar nichts. Das hat etwas zutiefst Befreiendes, endlich einmal nicht von lauter Icons erschlagen zu werden. Besondere Orte werden erst bei Entdecken auf unserer Karte eingezeichnet, alles andere muss bzw. kann man selbst darauf markieren.

Und zu entdecken gibt es reichlich, die Welt von Elden Ring ist vollgestopft mit wundersamen Orten, die einen magisch anziehen. Hier ein Dungeon, da ein dunkler Minenschaft, dort eine alte Burg oder ein verlassenes Dorf. Jeder Ausflug fühlt sich lohnenswert an, denn nicht nur ist die Atmosphäre unbeschreiblich dicht und weiß tadellos zu fesseln, auch lassen sich dabei immer nützliche Dinge finden, die für das Abenteuer nützlich sind. Dabei offenbart sich auch schnell die eigentliche Größe dieser Welt, die auf den ersten Blick überschaubar wirkt, dann aber immer gewaltigere Dimensionen annimmt. Denn Elden Ring geht auch in die Vertikale und schickt uns in tiefe unterirdische Gebiete oder in weit entlegene Regionen, von denen man anfangs nichts ahnt. Und die Faszination, die dabei entsteht, all das zu erkunden, ist hier einfach sensationell. Wie schon eingangs erwähnt schaffen das nur wenige Games. Skyrim, The Witcher III oder Zelda: Breath of the Wild mögen einem dabei vielleicht in den Sinn kommen. Elden Ring steht diesen Klassikern in nichts nach. 

Ausgelöst wird die Faszination auch durch das grandiose Artdesign, für das From Software bestens bekannt ist. Sowohl die abgefahrene Gestaltung des grotesken Figurenkabinetts als auch die vielen mystischen, aufwendig kreierten Orte sind eine echte Augenweide. Abwechslungsreich fallen die Umgebungen dabei auch aus: Mal sind wir auf grünen Wiesenlandschaften und in nebeligen Wäldern unterwegs, mal geht es in apokalyptische, verfaulte Areale  oder in finstere Verliese. Dabei auch immer mal brennende Kadaver hier, gekreuzigte Leichen dort. Wer Dark Fantasy mag, ist hier definitiv an der richtigen Adresse. Elden Ring findet dabei eine ideale Mischung aus glänzender Schönheit und abstoßender Grausamkeiten. Und durch die enorme Weitsicht hat das Ganze auch etwas zutiefst Monumentales an sich, wenn man über das ganze Land blickt. Lediglich die Technik ist nicht mehr ganz taufrisch, vor allem wenn man kürzlich gesehen hat, wie hervorragend ein echter Next Gen-Titel wie Demon's Souls aussehen kann. Das ist ein klein wenig schade, allerdings nicht wirklich der Rede wert. Denn Elden Ring gleicht den Makel durch oben beschriebene Designstärken schnell wieder aus, sodass das Spiel letztendlich doch wieder richtig gut aussieht. Jedoch lässt die Performance noch ein wenig zu wünschen übrig, da die Framerate (auf der getesteten PS5) etwas schwankt. Lange nicht so schlimm wie beim kürzlich erschienenen Elex II, auch im jetzigen Zustand ist Elden Ring bereits gut spielbar, dennoch ist es ein Punkt, der nicht unerwähnt bleiben sollte. 

Typisch From Software ist die Story wieder sehr kryptisch gehalten. Auch in Gesprächen mit NPCs versteht man oft nur Bahnhof. Vielmehr muss man sich Zusammenhänge selbst erschließen, indem man aufmerksam am Ball bleibt und auch gefundene Items genauestens studiert. Möglicherweise kommt man auch nicht drumrum, extern nach Hilfe zu suchen, wenn man einen echten Durchblick gewinnen will. Elden Ring ist, wie schon die anderen Spiele des Entwicklers, ein Spiel, das ganz stark auf Environmental Storytelling setzt. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache, denn wer klare Erzählstrukturen gewohnt ist, wird dabei schnell auf Durchzug schalten. Elden Ring kann damit aber auch eine sehr starke Anziehungskraft ausüben, sich näher mit dem umfangreichen und durchaus spannenden Lore zu beschäftigen. Das muss man aber natürlich wollen. 

Für die Haupthandlung spielt das aber keine allzu große Rolle, grob nimmt man auch so wahr, worum es geht. Die vielen optionalen Nebenquests aber sind für Casual Spieler ohne Hilfe kaum lösbar. Dabei handelt es sich wieder um umfangreiche Questreihen, bei denen man genau wissen muss, wo, wie und wann man den nächsten Schritt auslöst. Und da dem Spiel eindeutige Hinweise oder ein Questbook, in welcher Form auch immer, komplett fehlen, werden viele Spieler sie verpassen. Auch hier kann man wieder unterschiedlich argumentieren: Gestaltet man Nebenquests einfacher und übersichtlicher, um für die breite Masse zugänglicher zu werden? Oder belässt man es beim Geheimnisvollen, um den Kern der Hardcore-Gamer zu belohnen, die sich ausführlich damit beschäftigen und die Nuss knacken? Elden Ring bleibt der Unternehmenslinie treu und wählt den Weg, den auch Bloodborne, Dark Souls und Co. schon gewählt haben. Ein Spiel voller Mysterien, die nicht so einfach preisgegeben werden. Wer sie aber löst, wird auch schon mal mit komplett neuen Gebieten belohnt!

Dennoch ist Elden Ring gewissermaßen zugänglicher als frühere Titel des Studios. Dadurch das Spiel in beliebiger Reihenfolge spielen zu können, kommt es kaum noch zu Bottle Necks. Tappt man einmal in ein Gebiet, das einem zu schwer ist oder scheitert immer wieder an einem Boss, macht man eben an anderer Stelle weiter. In Elden Ring gibt es immer etwas zu tun. Hat man in der Zwischenzeit fleissig gelevelt und bessere Waffen oder Zaubersprüche entdeckt, versucht man es zu einem späteren Zeitpunkt einfach nochmal und wird feststellen, dass einst unmöglich zu bewältigende Hindernisse nun wesentlich machbarer sind. Aber auch sonst kann man sich das Leben auf vielfache Weise einfacher machen. Beispielsweise lassen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Geistern beschwören, die an unserer Seite in den Kampf ziehen. Zudem besteht mit Internetanbindung auch immer die Möglichkeit, andere Spieler für eine Koop-Partie zu Hilfe zu holen. 

Auch unser Pferd Sturmwind ist ein nützliches Werkzeug, das nicht nur zur schnellen Fortbewegung und zum Erreichen von unüberwindbaren Hindernissen gedacht ist, sondern auch im Kampf eingesetzt werden kann. Denn vom Pferd aus lassen sich ebenfalls Zaubersprüche abfeuern und Nahkampfhiebe austeilen, im nächsten Moment lässt sich darauf schnell wieder davonflitzen, um gegnerischen Attacken auszuweichen. Da sich das Ross wunderbar griffig steuert,ist es eine echte Bereicherung für das Spiel. Man möchte es nicht mehr missen.

Neben fiesen Standardgegnern treffen wir im Laufe des Abenteuers auf eine Vielzahl an Bossen, die auch schon mal aus dem Nichts in der freien Welt auftauchen können. Den ersten, den berittenen Baumwächter, sogar direkt am Startpunkt mitten auf der Wiese, womit neue Spieler wohl kaum rechnen und höchstwahrscheinlich gleich brutal aufgespießt werden. Einige Bosse des Spiels müssen für den Story-Fortschritt besiegt werden, viele jedoch sind rein optional und bewachen besondere Durchgänge oder Schätze. Einige sind sogar so gut versteckt, dass man schon ordentlich knobeln muss, um sie überhaupt aufzuspüren. Manche tauchen wiederum nur nachts an bestimmten Orten auf. Möglicherweise ist sogar ein weiterer Spielgang nötig (z. B. im New Game+, für eine noch größere Herausforderung), um andere Entscheidungen innerhalb der Story zu treffen, die zu ihnen führen. Die Konfrontationen lohnen sich aber, denn nicht nur bekommt man für jeden erlegten Boss irgendetwas Besonderes, sie sind auch wieder erstklassig designte Kontrahenten, die das Können des Spielers ordentlich auf die Probe stellen und zu spielerischen Höhepunkten werden. 

Auch hier gilt: Elden Ring bleibt trotz des knackigen Schwierigkeitsgrads immer fair, der Erfolg ist stets an das eigene Können geknüpft. Nur wer die Angriffsmuster genau studiert, clever und geschickt vorgeht und womöglich Schwachstellen ausnutzt, wird bestehen. Stumpfes Gekloppe gibt es in Soulslikes nicht und würde ganz schnell zum Tod führen. Wer einfach auf Knöpfe hämmern will, ohne sich anzustrengen zu müssen oder nachzudenken, spielt lieber ein anderes Spiel. Das komplexe Kampfsystem ist das Herzstück von Soulslikes und bietet vielfältige Möglichkeiten für jeden Spielstil, egal ob man als Nahkämpfer, als Zauberer oder etwas anderes unterwegs ist. Fehler werden zwar hart bestraft, sie motivieren aber zur Perfektion. Der Erfolg über erlangte Siege ist dabei ein Freudenmoment, wie man ihn in anderen Spielen so eben nicht spürt, weil er anderswo mit keiner echten Leistung verbunden ist. Bei dem übergroßen Aufgebot an Bossen kommt es in Elden Ring zwar hin und wieder zu recycelten Gegenspielern, die nur minimal abgeändert wurden, doch auch so ist die Palette wieder höchst umfangreich und aufregend ausgefallen. Und die Inszenierung nimmt auch gern mal höchst epische Ausmaße an. From Software ist darin einfach ein echter Experte.

Ein weiteres Highlight innerhalb der ohnehin schon tollen Spielwelt sind die sogenannten Legacy Dungeons. Hierbei handelt es sich um ganz besondere Festungen und Einrichtungen, in denen storyrelevante Bosse auf uns warten. Dabei geht es mal in eine gewaltige Burganlage, dann auch schon mal in eine Magierakademie. Solche Abschnitte stellen die klassische Dark Souls- oder Bloodborne-Erfahrung dar, da wir uns in einem großen verwinkelten Gebiet befinden, das mit Geheimnissen, Fallen und Gegnern nur so vollgestopft ist und die Welt drumrum einmal vergessen lässt. Das Leveldesign zeigt sich hier von seiner besten Seite und das Artdesign läuft zu Höchstformen auf. Eine großartige Erfahrung.

Zu guter Letzt sei natürlich auch noch der fantastische Soundtrack hervorgehoben, der ebenfalls eine ganz wichtige Rolle für die intensive Spielerfahrung trägt. Verantwortlich dafür ist wieder Komponistin Yuka Kitamura, die auch schon die anderen Spiele aus dem Hause From Software meisterhaft vertonte. Bereits der Theme, der im Menü erklingt, ist ein echter Kracher und stimmt auf dieses grandiose Abenteuer bestens ein. Insgesamt reicht die Klangpalette von angenehm zurückhaltend bis hin zu opulent-wuchtig. Elden Ring ist somit nicht nur etwas für die Augen, sondern definitiv auch für die Ohren.


Fazit

Es lässt sich nicht anders sagen: "Elden Ring" ist ein Meisterwerk, an dem sich Rollenspiele und Open World-Games künftig messen müssen. Was From Software hier alles an spannendem Content hineinpackt, um seine atmosphärisch dichte Fantasy-Welt zum Leben zu erwecken, ist schlichtweg unglaublich. Wer erst einmal eintaucht, versinkt darin für unzählige Stunden und wird immer wieder neue aufregende Dinge erleben, die einen so richtig aus dem Häuschen bringen. Zusammen mit dem bewährt großartigen Gameplay eines "Dark Souls", das hier noch erweitert und verbessert wurde, kommt es zu einer ganz besonderen Spielerfahrung, wie man sie so selten erlebt. Der kryptische Ansatz der Story und die vielen komplexen, unzureichend erklärten Mechaniken könnten Neulinge allerdings verschrecken. "Elden Ring" mag zwar zugänglicher sein als frühere Spiele des Entwicklers, eine gewisse Hürde stellt die übermäßige Geheimniskrämerei dennoch dar. Hier haben es Soulslike-Veteranen deutlich einfacher, da sich vieles sehr vertraut anfühlt. Abhalten sollte es aber hoffentlich niemanden davon, in dieses grandiose Spiel einzusteigen.

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