Bildnachweis: © Bethesda Game Studios

Videospiel "Fallout 76" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

Rückeroberungstag. Wir schreiben das Jahr 2102. 25 Jahre, nachdem die Bomben abgeworfen wurden, steigen die Spieler aus ihrem Vault und erblicken zum ersten Mal das postnukleare Amerika. Ausgewählt als Beste und Klügste dieses Landes obliegt es ihnen – alleine oder zusammen –, das Ödland zu erkunden, wieder aufzubauen und gegen die größten Bedrohungen zu verteidigen.

Kritik

Fallout 76 hatte es von Beginn an schon nicht leicht: Das Projekt als Multiplayer-Titel anzukündigen entsprach nicht unbedingt den Erwartungen der Fans, die sich seit dem tollen Fallout 4 von 2015 auf einen echten Nachfolger freuen. Erwartungen können gefährlich sein, in der Internet-Community arten sie bei Nichterfüllung auch schon mal richtig böse aus, wie Blizzard es aktuell mit seinem Diablo Immortal erlebt. So schön ein echtes Fallout 5 auch wäre (das sicherlich irgendwann auch noch kommt, da Bethesda auch weiterhin an großen Singleplayer-Games festhält), ist die Idee, Spieler gemeinsam in eine verstrahlte Endzeitwelt zu schicken, grundsätzlich gar keine schlechte, sodass Fallout 76 eine faire Chance verdient hat. Schade nur, dass das Vorhaben aufgrund einiger technischer Patzer und Designentscheidungen nicht ganz geglückt ist. 

Wir beginnen unser Abenteuer in einem Bunker, der sich nun nach 25 Jahren erstmals wieder öffnet und uns in die zerbombte, völlig verstrahlte Welt hinauslässt. Als Mann oder Frau, je nachdem, was wir uns zuvor im umfangreichen Charakter-Editor zusammengebastelt haben, finden wir eine tote Welt vor, die nur noch von Mutanten und Robotern bewohnt wird. Die Fallout-Spiele zogen schon immer ihren Reiz aus ihrer atmosphärischen Welt, auch Fallout 76 lädt zum Erkunden geradezu ein. Verlassene Fabrikgebäude, Ruinen, heruntergekommene Städte und geheimnisvolle Bunker, überall in der Welt wollen Orte entdeckt und erforscht werden. Während uns zuvor in Fallout 4 eine Geschichte durch diese Welt führte und zahlreiche NPCs mit haufenweise Quests versorgten, ist Fallout 76 ein wenig anders strukturiert, wo auch schon eins der Probleme liegt. 

Eine Haupthandlung ist zwar auch hier vorhanden, wenn wir auf den Spuren der Aufseherin wandeln, ziemlich schnell verliert man jedoch das Interesse an ihr. Das liegt größtenteils daran, dass sie sehr unspektakulär über gefundene Holobänder und Computerterminals erzählt wird, das Aufsuchen dieser ist zudem ein sehr repetitiver Ablauf. Das gleiche Problem betrifft auch alle sonstigen Quests des Spiels, wovon es auch in Fallout 76 zwar wieder unzählige gibt, die jedoch ohne jegliche NPCs auskommen, dafür weitestgehend durch weitere Holobänder und gefundene Gegenstände gestartet werden. Da wir uns immer noch in einem Rollenspiel befinden machen sich fehlende Entscheidungsmöglichkeiten und fehlende Dialoge arg bemerkbar. Stattdessen werden wir zum passiven Zuhörer oder Leser, was einiges an Geduld und guten Willen voraussetzt, im Voicechat aber auch stille Mitspieler. Bis auf gewonnenen Loot sind die Quests, die uns in der Regel von A nach B schicken und sich aufs Sammeln oder Töten beschränken, damit recht austauschbar, da wir mit dem Erfüllen dieser weder etwas an der Handlung bewirken, noch an ihrem narrativen Ausgang interessiert sind, den wir in dieser ausgestorbenen Welt ohnehin schon kennen. 

All das waren eigentlich immer große Stärken der Reihe, im Zusammenspiel mit den verschiedenen Fraktionen, unseren Begleitern bis hin zu jedem Bewohner der Welt, mit dem wir uns ausführlich austauschen konnten, fühlte sich die zerstörte Welt dadurch lebendig an. Dieses Gefühl fehlt hier nun, ein paar Roboter, die kurze Oneliner von sich geben, sind dafür leider kein vollwertiger Ersatz. Natürlich lässt sich argumentieren, dass dadurch das Survival-Erlebnis gefördert wird, doch braucht es auch einen spannenden Handlungsbogen, der uns zum weiterspielen motiviert. Für Einzelspieler wird Fallout 76 somit schnell belanglos, was besonders ärgerlich ist, da zuvor genau das Gegenteil versprochen wurde. 

Umso wichtiger ist es sich mit anderen Spielern zusammenzuschließen, erst dann kann Fallout 76 einige seiner Stärken ausspielen. Im Koop mit bis zu drei Mitspielern auf Mutantenjagd zu gehen, die Welt zu erkunden oder verschiedenen Events beizutreten, ähnlich wie man es aus Spielen wie Destiny kennt, macht dann tatsächlich Spaß. Alles was man gemeinsam lootet wird schließlich für den Aufbau eines (gemeinsamen) Camps verwendet, was im Team ebenfalls motivierender ausfällt und das Überleben vereinfacht. Fallout 76 setzt neuerdings generell stark auf Survival-Elemente, was bedeutet, dass wir regelmäßig essen und trinken müssen. Da in dieser Welt alles radioaktiv oder verdorben ist, müssen einige Tricks herhalten: Wasser wird beispielsweise gefiltert und gekocht, Fleisch muss ordentlich durchgebraten werden, damit das Risiko sinkt, sich Krankheiten einzufangen. Wer solche Überlebensmechaniken nicht mag, wird sich über die hohe Selbstverpflegungsrate aber womöglich schnell ärgern. 

Ganz sicher ärgern dürfte man sich aber über das viel zu knappe Inventar. In der Welt von Fallout 76 finden wir haufenweise Gegenstände, die wir mitnehmen wollen, unser Platz im Gepäck ist jedoch stark beschränkt und verlangt uns regelmäßiges umsortieren, wegschmeißen oder verwerten ab. Das war zwar auch schon in Fallout 4 nicht anders, in einem Multiplayer-Spiel ist die Zeit dafür aber oftmals knapper bemessen, wenn Mitspieler auf andere warten müssen, bis sie wieder unter ihrem Maximalgewicht liegen. So etwas nervt. 

Technisch ist Fallout 76 ein zweischneidiges Schwert: Zum einen glänzt die Welt durch ihren hohen Detailgrad und ihre stimmungsvolle Gestaltung, die auch den typisch schwarzen Humor der Reihe nicht vermissen lässt, die angestaubte Technik, zahlreiche Bugs und mehrere Framerate-Einbrüche trüben dann aber doch den Spaß. Bethesda scheint zumindest schon daran zu arbeiten und das Spiel an mehreren Ecken zu polieren, was einen ersten Patch mit einer unfassbaren Größe von 50 GB nach sich zog, der Weg zum fehlerfreien Produkt ist aber noch lang. Zu verbessern gäbe es darüber hinaus noch einiges: Das derzeitige PvP-System ist beispielsweise recht öde, während die Shooter-Mechaniken im Allgemeinen sehr ungenau ausfallen, was bei einem Game, das seinen Fokus so stark auf Action legt, schon sehr ins Gewicht fällt. Und es braucht an mehr spannenden Inhalten, um die Spieler, vor allem Solospieler, auf Dauer zu fesseln. Mit dem Zünden von Atombomben über der Landschaft, wofür mehrere aufwendige Schritte nötig sind, zeigten sich die Macher bereits kreativ, nun braucht es aber mehr solcher Spielereien, um Fallout 76 am Leben zu halten.  


Fazit

Auch die Welt von "Fallout 76" weiß atmosphärisch zu packen und lädt zum Erkunden ein, hat von technischen Problemen bis hin zur reizlosen Einzelspielererfahrung aber noch viele Baustellen, um vollends zu begeistern. Ein im Grunde spannendes Projekt mit viel Potenzial, das in seiner derzeitigen Form aber lange nicht alle "Fallout"-Fans abholen wird. Möglicherweise ändert sich das in Zukunft, wenn Bethesda schnell reagiert und an den richtigen Schrauben dreht.    

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