Mittlerweile neun Jahre ist es her, seitdem wir als Präsident den Kampf gegen Aliens in Saints Row IV aufgenommen und mit Dubstep Waffe sowie Riesendildo bewaffnet für reichlich Chaos gesorgt haben. Wahnsinniger wurde es hier nur noch mit dem Addon Saints Row: Gat Out of Hell, wo wir kurzerhand gleich aus der Hölle entkommen mussten. Klingt verrückt? Nun, das war lange Zeit eben Saints Row: Unangepasst, manchmal unter der Gürtellinie und vor allem mit voller Fahrt voraus. Nun folgt von Volition der Neuanfang. Neue Stadt, neue Saints und damit eine neue Open World. Doch kann der Neustart auch überzeugen? Bleibt das Saints Row der brutale wie peinliche Bruder von GTA? Nun, zuweilen würden wir gerne alles mit „Ja“ beantworten, doch die Sache mit Saints Row ist leider kompliziert. Wir haben uns auf jeden Fall einmal nach Santo Ileso aufgemacht und haben eine Gangster-WG gestartet.
Kritik
Zuallererst eine Entwarnung: Allzu schlimm sind die Figuren in Saints Row – anders als wie in den ersten Trailer zu erwarten war – nicht. Uns erwarten keine Hippster-Coolen Gen-Z Figuren, die ständig von freier Liebe, veganem Essen oder Technik-Quatsch schwadronieren. Im Gegenteil: Neena, Eli und Kevin wachsen uns tatsächlich über die knappe Spielzeit ans Herz und bringen uns sogar zum Schmunzeln – vereinzelt gar zum Lachen. Doch der Reihe nach: Zu Beginn erstellen wir uns im aberwitzigen und gigantischen Editor die passende Figur unseres genannten „Boss“. Mit einer kleinen Cut-Szene sind wir dann am Anfang unserer Karriere, in einer Gangster-WG. Und nachdem schließlich alle Bewohner kurzerhand von ihren Gangs „entlassen“ wurden, gründen wir schließlich die Saints. Aber, wie es zu Beginn der Verbrecher Karriere eben so ist, sind wir pleite, ambitioniert, ziellos und haben kein Problem mit Gewalt.
Im Großen und Ganzen kann die Geschichte schließlich nicht bei Saints Row überzeugen. Wir haben eher das Gefühl, dass Volition niemanden auf die Füße treten wollte und gibt daher so wenig Gas wie möglich. Klar, der Pippi-Kacke-Pimmel Humor der beiden letzten Teile hat nicht jedem gefallen, aber zumindest gab es ordentlich Peaks nach oben und unten, sodass vieles im Gedächtnis geblieben ist. Zwar sind die Figuren nicht so schlimme Stereotypen geworden wie befürchtet, aber am Ende eben doch recht austauschbar. Gleiches gilt für die Missionen und die Geschichte im Gesamten. Aber ist das bei einem Saints Row überhaupt wichtig? Immerhin hatte bislang keiner der Teile eine Shakespeare-Ähnliche Richtung eingeschlagen. Nun, im Kern nicht. Aber wo der Überbau fehlt, muss eben das Gameplay vieles rausholen und hier ist Saints Row vor allem eines: Überholt.
Während wir zumindest immer wieder einige Missionen entdecken, die dann doch mal kreativ ausgestaltet sind und mit ordentlich Action aufwarten (hier unser Highlight die LARP Episode im Mad-Max Stil), ist der Rest eher Genre-typisch gewohnt und routiniert. Fahre nach Ort X und töte dabei Person Y. Hier ist indes die Gewaltgeilheit der Figuren dann doch ein Problem, denn abseits von ihren Sprüchen, gibt es wenig, was die Gewalt in einem surrealen Kontext setzt oder diese mit ihrer Konsequenz gespiegelt wird. Es bleibt kurzerhand Gewalt, die noch mehr Gewalt hervorruft und dabei unsere Saints reicher macht. Und auch die Open World von Saints Row ist ein Problem: Abseits recht generischer und langweiliger Sammelaufgaben – Sehenswürdigkeiten fotografieren oder Fahrzeuge klauen – gibt es wenig zu entdecken. Schlimmer noch. Die Welt fühlt sich an vielen Stellen – auch wenn sie abwechslungsreich und recht hübsch daherkommt – sehr leer an.
Potenzial dagegen hat das kriminelle Vorhaben System: Mit Sub-Unternehmen bauen wir in der Stadt unser kriminelles Netzwerk aus und holen uns so einige Missionen und vor allem mehr Geld. Da wären zum Beispiel Giftmüllentsorgung oder Versicherungsbetrug über ein Krankenhaus. Am Ende bleibt aber auch dieses verschenkt: Nur wenige solcher Aufgaben warten auf uns und einige der Missionen sind richtig langweilig und repetitiv. So hatten wir spätestens beim 10 Giftmüll LKW keine Lust mehr. Und auch das Geld ist ein Problem: Richtig gebraucht hatten wir dieses nicht, da nur wenig teures Spielzeug auf die Saints wartet. Überhaupt ist das Arsenal im Vergleich zu den Vorgängern richtig verklemmt und traditionell. Hier hätten wir deutlich mehr erwartet.
Doch wie ist denn nun die Action? Nun, zugegebenermaßen müsste gerade hier Saints Row auf allen Ebenen glänzen, sodass Fans mit ordentlich Kawumm durch die Stadt ziehen können. Doch während die Open World schon recht leer ist, so sind auch die Mechaniken wie Autofahren oder schießen eher aus der Zeit gefallen und recht unpräzise. Die Fahrphysik ist plump, einfach und kommt ohne wirkliches Gewicht daher – sodass wir recht schwammig von Punkt A zu B fahren – und auch das schießen selbst ist niemals wuchtig oder befriedigend. Weder haben diese einen ordentlichen Sound, noch macht es richtig Spaß mit ihnen hunderte Feinde zu bekämpfen. Zwar ist das System kein völliger Ausfall, aber gerade bei einem solchen Spiel, hätten wir hier mehr erwartet. So verkommt das Fahren und gerade das Ballern zur Pflichtlektüre, an der an vielen Stellen wenig Spaß herauskommt. Schade. Zumindest die Finisher sind ganz in Ordnung und gerade der Multiplayer holt vieles wieder raus, wenn man eben gemeinsam Spaß haben kann. Angesichts der beiden Vorgänger ist hier aber klar ein Absturz erkennbar.
Und die Technik? Nun, während die Open World abwechslungsreich gestaltet ist und gerade visuell an vielen Stellen überzeugt, ist sie technisch dennoch etwas aus der Zeit gefallen. Animationen wirken holprig, die Figuren wie aus der anfänglichen PS 4 Zeit und auch viele Texturen werden in der Ferne zum braunen Einheitsbrei. Hinzukommen einige Bugs, die von lustig zu „ich muss den Spielstand“ neu laden reichen. Zumindest in Sachen FPS gibt es auf dem PC wenig zu meckern. Angesichts GTA 5 und dessen Alter, wäre hier aber deutlich mehr möglich gewesen.
Fazit
Saints Row macht einem das Leben wahrlich schwer: Hinter der alternden Grafik, dem schwammigen Gameplay und der nichtssagenden Story, steckt an vielen Stellen ein wirklich tolles Spiel. Zumindest auf dem zweiten (oder dritten) Blick. So macht der Multiplayer jede Menge Spaß und auch einige der Missionen bringen den Spieler oder die Spielerin zum Schmunzeln. Selbst die Charaktere wachsen einem ans Herz und können mit ihren Dialogen immer mal wieder punkten. Doch all dies reicht am Ende nicht, um Saints Row zu einem richtigen guten Spiel zu machen. Zu sehr wirkt alles wenig durchdacht, technisch überholt und auch zu oft wird der Spielspaß gebremst. Am Ende kann man mit Saints Row durchaus Spaß haben, man sollte aber seine Erwartungen deutlich reduzieren. Leider.