Bildnachweis: © inXile Entertainment, Deep Silver, Koch Media

Videospiel "Wasteland 3" im Test

von Thomas Repenning

Überblick 

Der geistige Nachfolger von Fallout 1 und Fallout 2? Nun, eigentlich waren die Fallout Spiele eher die geistigen Nachfolger von Wasteland aus dem Jahre 1988. Und auch wenn das Spiel von Brian Fargo Ende der 90er schon etwas in Vergessenheit geraten ist, folgte 2014 die Rückkehr der Desert Ranger. Mit dem dritten Teil Wasteland 3 von inXile Entertainment, erreicht das Spiel allerdings eine völlig neue Dimension: Als Blockbuster-Rollenspiel, welches nicht nur eine große Geschichte erzählen möchte, sondern auch spielerisch die ganz großen (und verrückten) Geschütze auspackt (gekonnt in ein 3D-Modell gegossen). Herausgekommen ist eines der besten Rollenspiele des Jahres 2020 und ein Spiel, welches sowohl Nostalgiker als auch Neulinge perfekt abholt und gigantischen Spaß bietet. Und trotz kleiner technischen Makel, ist die Reise nach Colorado ebenso faszinierend wie unvergesslich. Seit dem 28.08.2020 ist Wasteland 3 auf PC, PS4 und Xbox One erhältlich. Wir haben unterdessen auf PC und PS4 getestet.

Story

In Wasteland 3 übernimmst du das Kommando über einen Trupp von Desert Rangern - Gesetzeshüter in einer postnuklearen Welt, die versuchen die Gesellschaft aus der Asche wiederaufzubauen. Mehr als ein Jahrhundert nach dem Fall der Bomben, kämpfst du eine schier aussichtslose Schlacht, um dein geliebtes Arizona zu erhalten. Aus dem Nichts heraus meldet sich der selbsternannte Patriarch von Colorado und verspricht Hilfe, wenn du für ihn einen Auftrag erfüllst, den er nur einem Außenseiter anvertrauen kann – rette sein Land vor den Ambitionen seiner drei blutrünstigen Kinder.


Kritik

Schon der Beginn von Wasteland 3 ist eine kleine Reise: Während die Ranger durch das verschneite Colorado reisen, geraten sie in einen fürchterlichen Hinterhalt, der kurzerhand in einem Massaker endet. Raketenbeschuss, jede Menge tote und viele Kugeln später wird klar … es war ein Hinterhalt. Doch damit nicht genug, denn die politischen Wirren sind weit vielschichtiger, als man auf den ersten Blick erahnen könnte: Während der tyrannische Patriarch (der definitiv auf US Flaggen steht) Probleme mit seinen drei rebellischen Kindern hat, gibt es auch wohlhabende Familien, Flüchtlinge, die Mafia, eine Monsterarmee, Synths, Roboter, religiöse Clans, Monster sowie die stete Bedrohung des Ödlandes. Kurzum: Die Spielwelt von Wasteland 3 ist nicht nur groß, sondern auch spielerisch immens umfangreich und tief. Das Stichwort ist: Konsequenzen! Denn alles was wir tun, alles was wir entscheiden und jeden den wir (brutal) erledigen, verändert die Spielwelt nachhaltig. Die Entscheidungen mit denen wir konfrontiert sind, sind auf jeden Fall gigantisch: Egal welche Präferenz wir haben, wir können Wasteland 3 so spielen wie wir wollen. Egal ob rechtschaffend, abgrundtief böse oder auch völlig naiv. Verschiedene Antwortmöglichkeiten – die auch mit unseren Fähigkeiten ergänzt werden – bieten eine Hülle an Möglichkeiten, die man schon von Beginn an gut nutzen kann. Aber Vorsicht: Die erste Antwortmöglichkeit ist nicht immer die Beste und kann schon einmal Figuren vergraulen.

Der Einstieg von Wasteland 3 ist allerdings nie überfordernd: Während wir nach und nach alle einzelnen spielerischen Elemente kennenlernen, dürfen wir erst einmal unsere eigene Basis aufräumen und aufbauen. Schon hier fühlt sich Wasteland 3 so an, als wenn wir tatsächlich was entscheiden und beeinflussen können. Überhaupt verändert sich die Welt gekonnt. Doch bevor ins karge Ödland aufbrechen, brauchen wir erst einmal einen Arzt, neue Rekruten, einen Gefängnisaufseher, jemanden für unsere Werkstadt und die Waffenkammer. Dann wäre da aber auch noch Colorado Springs, wo sich unsere Basis befindet: Hier treiben sich noch Marodeure herum, es gibt Ärger im Casino und Merkwürdigkeiten im ansässigen zerfallenden Wohnkomplex. Schnell füllt sich so unsere Quest-Liste, die uns immer wieder antreibt. Während wir sehen können welche Level es für diverse Aufgaben bedarf (stärkere Monster, höhe Fähigkeiten die gebraucht werden), können wir auch irgendwann mit unserem eigenen Fahrzeug durch den Rest von Colorado fahren. Die Karte (Level- und Weltkarte) die wir dabei an die Seite bekommen, ist zwar unübersichtlich, die Missionen selbst sind aber zumeist auf einem hohen Niveau: Als Mischung aus Tragik und Komik dürfen wir mal schockiert sein, mal über das Bizarre lachen. Wasteland 3 mag es eben sehr ironisch und abgedreht, auch wenn nicht immer jeder Gag perfekt sitzt. Wie wir aber eine Mission erledigen, das bleibt uns überlassen: Trotz Schlauchwegen, gibt es aber nie ein A oder B … wir nutzen meist lieber C oder schießen einfach alles zu Schutt und Asche.

Unser Kernteam – bestehend aus 4 Rangern (die mit zwei weiteren Spielfiguren unterstützt werden) – können wir unterdessen zu Beginn frei auswählen. Unser Startpaar ist dabei gemäß unserer Präferenz: Tank oder Scharfschütze, Nahkampf oder Schnellfeuerwaffen. Ergänzen können wir dies später mit einer Hülle an Rekruten, die alle gewisse Fertigkeiten mitbringen (schade ist hingegen, dass es wenig Interaktionen zwischen den Figuren gibt). Dabei gibt es klassische Fähigkeiten wie Schlösserknacken, Sprengstoffe oder Nerdkram, aber auch ungewöhnliches wie verrückte Wissenschaften, Arschkriecher, Hinterhältiger Scheiß sowie Toaster-Reparatur (ja, richtig gelesen). Neben den normalen Attributen (Stärke, Glück etc.) und den Fähigkeiten, gibt es auch noch Vorteile, wo wir beispielsweise bessere unsere Waffen Händeln können (was bei Gefechten aufgeladen wird) oder über Minen laufen dürfen. Dank dem schnellen hochleveln zu Beginn können wir uns hier auch schnell spezialisieren und viele Fähigkeiten freischalten, die dann schon zu Anfang gute Boni bringen können. Wer früh auf Schlösserknacken setzt, wird beispielsweise schnell mit vielen Waffen und Munition belohnt – und gerade letzteres ist Überlebensnotwendig in der Welt von Wasteland 3. Die Fähigkeiten selbst sind aber auch nie schnödes Beiwerk: Mit Nerd-Fähigkeiten lassen sich Roboter manipulieren und Computer nach Infos durchstöbern. Doch auch reichlich Irrsinn gibt es: Ihr wollt Gegner schrumpfen oder mit gefrorenen Hamstern schießen – kein Problem!

Die Welt von Wasteland 3 lebt – wie alle großen Rollenspiele – indes von seinem Detailreichtum. Überall gibt es etwas zu entdecken und auch der Grafikstil, der stark Comicmäßig daherkommt, passt sich dem perfekt an. Es lohnt sich auf jeden Fall auch jede Ecke auf den Karten zu untersuchen (Stichwort Schätze und vergrabene Gegenstände). Viele Nebenmissionen, Ungewöhnlichkeiten und auch Verrücktheiten gibt es nur am Rande. Und spätestens, wenn man durch Zufall mitten in einem Monsterrudel steht und dieses überlebt, hat man ein absolutes Glücksgefühl. Abseits der Missionen und Städte fahren wir indes mit unserem Überlebensfahrzeug umher, welches ebenso Kampfmaschine ist wie aufrüstbarer Mannschaftswagen. Auf der Weltkarte müssen wir auch manchmal schnell handeln: Lieber ein paar Trucker retten oder doch die Farmer? Abseits dessen gibt es aber auch viel zu entdecken. Egal ob Händler, Schätze oder eben auch Banditen. Je nach seiner Fähigkeit im Überleben kann man Überfälle sogar umgehen. Hier hilft unterdessen auch der Ruf der Ranger: Ist dieser hoch genug, kann es sogar vorkommen, dass Feinde einfach fliehen. Dies fühlt sich nicht nur mächtig an, sondern ist auch spielerisches Feedback, welches sich erfrischend anfühlt.

Wenig erfrischend, dafür aber handwerklich sehr gut gemacht, sind unterdessen die Kämpfe: An XCOM angelehnt, können wir so Rundengefechte mit abwechselnden Gruppen bestreiten, die aber vor allem eines sind – explosiv. Die Gefechte sind schnell, hart und unglaublich taktisch. Nicht nur können wir auf unsere Ausrüstung vertrauen, wir müssen auch Fähigkeiten, Vorteile, Deckungen und Besonderheiten des Geländes (wie explodierende Fässer oder manipulierbare Gegenstände) einplanen. Hinzu kommen dann unsere Aktionspunkte, die wir für den Kampf einsetzen, die sich aber auch zum heilen oder verschanzen nutzen lassen. Für die Heilung selbst gibt es unterschiedliches Material, je nachdem, ob es sich um Lähmung, Vergiftung oder gar Blutung handelt. Und auch Roboter sowie unser Fahrzeug können repariert und versorgt werden. Apropos Fahrzeug: Als fahrbarer Panzer wird unser Gefährt kurzerhand gekonnt in das Gefecht eingebunden und liefert ein um das andere Mal den Sieg für uns. Neben kleinerein KI-Aussetzern sind die Kämpfe selbst insgesamt sehr fordernd (spätestens auf Schwierigkeitsgrad 3 und 4), was aber oftmals der Masse an Gegnern oder deren Besonderheiten geschuldet ist. Mit viel Planung und gut eingesetzten Fähigkeiten fühlt sich dies aber niemals unfair an. Zumal wir auch jederzeit einfach den Raketenwerfer auspacken können und alles in ein Flammenmeer verwandeln dürfen. Bezüglich Material muss sich der Spieler hingegen keine Sorgen machen: Es gibt schlichtweg keine Traglast, dafür aber leider ein ziemlich hässliches Menü, was gerade beim Verkaufen arg hakelig wirkt. Schade. 

Schade sind auch die noch vorhandenen technischen Fehler: So hatten wir teils Probleme mit der Kollisionsabfrage bei Schüssen, die durch Mauern wanderten oder mit mit Schüssen, die in die falsche Richtung zielten, aber dennoch trafen. Bei der Bewegung zwischen Türen gibt es gelegentlich Steuerschwierigkeiten und auch das Schlösserknacken funktioniert manchmal nur, wenn die Figur direkt neben dem Objekt steht. Überhaupt sind Wegfindungen derzeit – gerade von der eigenen Gruppe – noch ein großes Problem, da diese gerne auf Minen laufen oder in Fallen treten. Ebenfalls wenig Begeisterung hat bei uns das Positionieren vor einem Kampf ausgelöst (mehr Glück als taktische Tiefe) sowie die leider schwierig umzusetzende Stealth-Technik. Extrem lange Ladezeiten – trotz SSD Festplatte – und Probleme bei der Übersetzung (Stichwort "Gegenstand auf Regal verwenden") runden die Liste schließlich ab. Bleibt zu hoffen, dass Entwickler inXile Entertainment noch nachbessert und so über die Zeit einen besseren Spielfluss schafft.

Trotz diverser Bugs läuft die PC-Version immerhin weitestgehend stabil, als Konsolenspieler hat(te) man leider noch mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen. So fror das Geschenen auf der getesteten PS4 Pro in großen Kämpfen teilweise für mehrere Sekunden ein, oder aber das Spiel stürzte auch schon mal komplett ab. Gerade der Koop-Modus zeigte sich in der Hinsicht anfällig. Immerhin wurden schon diverse Patches für den PC und beide Konsolen veröffentlicht, die für einzelne Verbesserungen sorgen. Alle Probleme sind damit zwar noch nicht aus der Welt, Besserung ist aber in Sicht. Im Vergleich zur Release-Fassung läuft das Spiel auch bereits um einiges sauberer.

Fazit

"Wasteland 3" ist groß, explosiv, bizarr, humorvoll, actionreich und bietet eine faszinierende Welt voller Geschichten, Veränderungen und Konsequenzen, die für Stunden um Stunden fesseln kann. Wer auf Ödland, Monster und marodierende Endzeit-Gegner steht – gemischt mit verrückten Waffen und Figuren – wird hier ein Rollenspiel bekommen, welches hervorragend an Meisterwerke des Genres anknüpfen kann.

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