Bildnachweis: © Ubisoft

Videospiel "Watch Dogs: Legion" im Test

von Sebastian Stumbek

Story

In Watch Dogs: Legion erlebt London seinen Untergang. Inmitten der wachsenden Unruhe im rastlosen London hat ein mysteriöser Gegner namens Zero-Day den geheimen Untergrundwiderstand DedSec für koordinierte Bombenanschläge in der gesamten Stadt verantwortlich gemacht. Daraufhin ergriffen kriminelle Opportunisten aus jeder dunklen Ecke Londons die Macht und füllen die Lücke, die eine zerfallene Regierung hinterlassen hat. Als Mitglied von DedSec werden Spieler gegen kriminelle Opportunisten antreten: Sadisten, Söldner, Cyberkriminelle und viele mehr. Daher müssen sie für eine Vielzahl an Situationen gewappnet sein. Spieler müssen neue Mitglieder für ihren DedSec-Widerstand rekrutieren, um es mit diesen kriminellen Opportunisten aufzunehmen, London zu befreien und das Geheimnis hinter Zero-Day zu lüften.

Kritik

Mit Watch Dogs: Legion läutet Ubisoft die dritte Runde seiner Hacker-Reihe ein, die 2014 ihren Anfang nahm und 2016 eine Fortsetzung bekam. Neben dem Release auf dem PC wird das Spiel als Cross-Gen-Titel auf der aktuellen und der kommenden Konsolengeneration veröffentlicht. Wer jetzt schon zugreift, kann auf die spätere, sicherlich leistungsstärkere Next-Gen-Version kostenlos updaten. Da Sony und Microsoft ihre neuen Konsolen zum Testzeitpunkt noch nicht gelauncht haben, haben wir uns auf der PS4 Pro ins Open-World-Abenteuer gestürzt. Mit ambitionierten Ideen möchte Legion nicht nur die Reihe auf ein neues Level heben, sondern auch innerhalb des Genres für Staunen sorgen. Für den ganz großen Wurf mag es zwar nicht gereicht haben, ein gutes, unterhaltsames Spiel ist dabei aber definitiv entstanden.

Nach Chicago und San Francisco geht es diesmal in ein dystopisches London der nahen Zukunft, wo nach einer Reihe von terroristischen Anschlägen absolutes Chaos ausbricht. Polizeigewalt, volle Staatskontrolle, eine unbekannte Hackergruppe, die bei den Unruhen ihre Finger im Spiel hat, sowie ein brutal vorgehendes Sicherheitsunternehmen, das den Kontrollwahn sogar noch ausweitet, bilden hier die spannende Ausgangslage, der wir mit einer Gruppe von Aktivisten begegnen. Klingt fast ein bisschen nach Sam Esmails Hit-Serie Mr. Robot, die thematisch ähnliche Wege ging. Ubisoft hat mit diesem gelungenen Opener zumindest alle Möglichkeiten gehabt, eine faszinierende Geschichte zu erzählen, die gesellschaftskritisch in die Tiefe gehen und sich mit wichtigen moralischen Fragen beschäftigen kann.

Auch wenn die Haupthandlung gewiss nicht ihr Potenzial ausschöpft, fällt sie dennoch ganz ordentlich aus, erlaubt sich manch subtil eingestreuten politischen Kommentar, stößt interessante Gedankengänge an und profitiert von der gelungenen Atmospshäre, die das Spiel zu erzeugen weiß. Open-World-Games haben es immer ein wenig schwer, ihren Erzählfluss aufrechtzuerhalten, da viele Nebentätigkeiten den Fokus vom Wesentlichen ziehen. Das ist hier nicht anders, hängt letztendlich aber auch davon ab, wie man spielt.

Einen klassischen Hauptcharakter wie zuvor gibt es in Watch Dogs: Legion nicht, stattdessen stellen wir gleich ein ganzes Team an Widerstandskämpfern zusammen, das wir fortan nach Belieben steuern oder wieder neu zusammensetzen können. Rekrutieren lässt sich jeder Bewohner der Stadt, was in der Theorie bedeutet, dass 9 Millionen Charaktere mit eigenem Aussehen, Namen, Beruf, Hintergrundgeschichte und besonderer Fähigkeit spielbar sind. Natürlich wird hier ein wenig getrickst und prozedural generiert, all diese Charaktere sind nicht von Hand entworfen und teilen sich einen bestimmten Pool an Eigenschaften und Fähigkeiten. Das macht sie rein aus Sicht der Story ein Stück weit zu austauschbaren Figuren, was vor allem in Zwischensequenzen bemerkbar wird, in die jeder Charakter in vorgegebene Platzhalter passen muss, ganz gleich, wer er oder sie eigentlich ist. Beeindruckend und löblich ist der Ansatz aber dennoch und wird all jenen Freude bereiten, die sich eine bunt zusammengewürfelte Truppe nach eigenem Geschmack zusammenstellen wollen. 

Denn aus spielerischer Sicht ergeben sich damit viele abwechslungsreiche Möglichkeiten, da man sich Leute suchen kann, die mit ihren besonderen Fähigkeiten für bestimmte Situationen besonders nützlich sind. Manch einer bringt fortgeschrittene Hacking-Skills mit sich, während andere gut kämpfen oder unerkannt bestimmte Bereiche betreten können. Rekrutierbar ist wirklich jeder, selbst ein klappriger alter Rentner kann sich uns anschließen und für uns heikle Missionen bewältigen. Um jemanden für unsere Sache zu gewinnen, müssen zunächst Gefallen in Form von Missionen getätigt werden. Manche Personen sind aufgrund ihrer Gesinnung schwerer zu überzeugen als andere, das herumprobieren macht in jedem Fall Spaß und ist den Aufwand wert. Wer es besonders spannend mag, kann optional einen Permadeath-Modus aktivieren, bei dem niedergestreckte Charaktere für immer verloren sind.

Was jede Person in jedem Fall beherrscht, ist ein Set an grundlegenden Hacking Skills, wie man sie aus den vorherigen Serienteilen auch schon kennt. Damit interagieren wir stets mit unserer gesamten Umgebung, können beispielsweise die Kontrolle von Kameras übernehmen, Sicherheitssysteme infiltrieren, Drohnen ausschalten oder Kurzschlüsse in elektrischen Geräten auslösen. Damit lassen sich Gegner ablenken oder gar ausschalten oder komplexe Mechanismen aushebeln, denen wir in vielen Missionen begegnen. Daran geknüpft sind oftmals kleine Logikrätsel oder auch Geschicklichkeitsaufgaben, bei denen man auch schon mal ein bisschen um die Ecke denken und herumprobieren muss. Ist gut inszeniert und weiß zu gefallen.

Jede Mission erlaubt uns in der Regel mehrere Herangehensweisen. Watch Dogs: Legion bietet sich prima für Stealth-Ansätze an, bei denen man herumschleicht, sich versteckt und Gegner ablenkt oder sie leise ausschaltet. Wer es lieber brachial mag, kann sich den Weg aber auch stets freischießen. Die KI unserer Gegenspieler verhält sich leider nicht immer clever, Spaß machen die Auseinandersetzungen aber dennoch. Empfehlenswert ist es auf einer höheren Schwierigkeitsstufe zu spielen, da Legion gelegentlich etwas einfach ausfällt.

Neben Waffen stehen uns auch eine Reihe an Gadgets zur Verfügung, die uns die Arbeit erleichtern sollen. Beispielsweise können wir eine Spinnendrone einsetzen, um damit schwer zugängliche Bereiche zu erreichen und uns dort ins System zu hacken. Oder mit einem AR-Mantel auch kurzzeitig unsichtbar machen. All das lässt sich mit gefundenen oder verdienten Technikpunkten auch noch weiter ausbauen oder an Neuzugängen erweitern, was dann der gesamten Truppe zur Verfügung steht und ihr weitere taktische Möglichkeiten schenkt.

Neben den Hauptmissionen gibt es in London auch so eine Menge zu tun, manches davon mehr, manches weniger nützlich. Für die vielen verfügbaren Nebenaufträge sammeln wir in der Regel Geld, während einige darauf abzielen, die Bevölkerung auf unsere Seite zu ziehen. Ist uns das in einem der acht Bezirke mit zahlreichen Aktionen gelungen, bekommen wir zum Abschluss sogar Unterstützung von einem echten Agenten, der gewöhnlichen Charakteren mit ganz besonderen Skills und noch besserer Ausrüstung stark überlegen ist. Wer Spaß daran hat, kann auch einige Zeit in eines der angebotenen Mini Games investieren. Neben Dart und Fußball sind hier vor allem die Bare Knuckle Fights interessant, die einen illegalen Fight Club im Underground darstellen. Bei Erfolg können wir auch hier besonders fähige Charaktere rekrutieren.

Unser verdientes Geld lässt sich für etliche kosmetische Artikel ausgeben, mit denen wir unsere Charaktere optisch nach Wunsch anpassen können. Das Angebot an Kleidung ist ziemlich groß, wer in Spielen Spaß am Umgestalten hat, wird bei Watch Dogs: Legion viele Möglichkeiten geboten bekommen. Auch gegen Echtgeld lässt sich noch weiteres freischalten, das bleibt jedoch rein optional und ist nie zwingend nötig.

Auf der PS4 Pro läuft das Spiel weitestgehend sauber und flüssig, eine Reihe von Bugs wurde zum Release bereits per Patch behoben, sodass es nur noch selten zu kleinen technischen Patzern kommt. Die Gestaltung Londons fällt unheimlich detailverliebt aus und wurde eindrucksvoll mit futuristischen Elementen erweitert. Auch wenn die Engine selbst keine Höchstleistungen vollbringt, sorgt sie dennoch für einen guten Look. Wie Watch Dogs: Legion demnächst auf der PS5 und Xbox Series X aussehen wird, ist zum Testzeitpunkt noch unbekannt, man darf aber davon ausgehen, dass es mit versprochenen Raytracing-Reflexionen und 4K-Grafik sicherlich einen markanten Sprung nach vorn geben wird. Überdies ist auch noch unbekannt, wie der Multiplayer-Modus ausfallen wird, der erst im Dezember kostenlos nachgereicht werden soll.

Fazit

Gutes Open-World-Abenteuer vor atmosphärischer Kulisse, angereichert mit spannender Thematik, das vor allem mit seinem einzigartigen Rekrutierungssystem viel Freude bereitet. Diverse Baustellen mögen vorhanden sein, sie seien dem spielerisch spaßigen "Watch Dogs: Legion" aber gern verziehen.

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