Bereits im Vorfeld, nachdem die Serie „Vikings“ angekündigt wurde, gab es eine Menge Spekulationen sowie natürlich eine starke Vorfreude darauf, was uns denn MGM zusammen mit dem History Channel bringen würde. Immerhin ist die Figur des Ragnar Lothbrok regelrecht sagenumwoben und durfte bereits 1958 in „Die Wikinger“ (gespielt von Ernest Borgnine) sowie 1976 in „Normannerne“ (gespielt von Preben Lerdorff Rye) das Publikum begeistern. Als schließlich dann am 3. März 2013 die Wikinger erstmals auf die Mattscheibe durften, waren die Begeisterungsstürme kaum noch zu bremsen. Und ja, „Vikings“ zählt aktuell zu den besten Serien, die uns im freien TV begeistern können. Kein Wunder, sind es doch gerade die rauen, ungehobelten, rabiaten wie mysteriösen Wikinger, die sich schnell in unser Herz spielen.
Die Faszination hinter „Vikings“ ist somit schnell auszumachen: Die Mischung aus rauer (teils sehr realistischer) Wikinger-Inszenierung und einer Geschichte, die aus Macht, Verrat, dem Wunsch nach Unsterblichkeit, Ruhm sowie Gold, eine regelrecht spannende Sogwirkung erzeugt. Somit liefert uns Autor Michael Hirst („Die Tudors“) abermals das, was ihn bereits bei seinen früheren Produktionen auszeichnete: Nachvollziehbare, starke wie einprägsame Charaktere. Doch „Vikings“ ist noch viel mehr als nur ein tolles Schauspiel der Figuren. Denn neben prächtigen Kulissen, die das doch recht kleine Budget niemals durchscheinen lassen (und zudem fantastische Bilder liefern), präsentiert uns Hirst eine Wikinger-Welt, die sich recht nah an die aktuelle historische Forschung hält. Natürlich ist diese gepaart mit einer eigenen Interpretation sowie einer gewissen Fiktion, doch das düstere, blutige wie grobe Mittelalter weiß zu gefallen. Es ist eben eine grandiose Inszenierung aus Blut, Wasser und Götter. Eine voller Skrupellosigkeit und ohne Gnade. Und dies mag zuweilen mehr Überraschungen bringen, als man als Zuschauer gewohnt ist.
Die Geschichte hinter „Vikings“, die sich lose und recht frei an der realen Person Ragnar Lothbrok sowie der Wikinger-Mythologie orientiert, ist unterdessen ein gelungenes Spiel aus Macht, Gier und teils blutigem Wahnsinn. Allerdings begeht Autor Michael Hirst nicht den Fehler, zu lange auf einzelnen Handlungen stehen zu bleiben, und somit eventuelle Längen zu produzieren. „Vikings“ ist schnell, hart und ohne Gnade. Gerade in Bezug auf verschiedene Charaktere oder Konflikte. Dies weiß zu gefallen, hat allerdings auch seinen Preis: Denn während die Hauptcharaktere genügend Screentime bekommen, um ihre Motivationen dem Zuschauer näher zu bringen, verkommen Nebencharaktere schnell zum Stichwortgeber. Zwar können sich einige von ihnen (hier sei besonders die geniale Leistung von Gustaf Skarsgård als Floki zu erwähnen, ohne den die Geschichte nur halb so skurril wie humoristisch wäre) genügend Präsenz verschaffen, doch gerade im Verlauf der Geschichte, wird dieses Manko sehr deutlich. Dies zusammen mit der Episodenhaften Erzählung, die sich immer nur auf einige Zeitaspekte konzentriert und sonst große Sprünge liefert, ergibt eine Schwäche, die aber gemessen am Rest durchaus zu verschmerzen ist.
Der Rest der Geschichte wird von kleineren wie großen Konflikten zwischen den einzelnen Figuren der Welt bestimmt. Sei dies Ragnars Kampf gegen seinen Earl, König und sich selbst, die Unzufriedenheit seines Bruders Rollo gegenüber dem Ruhm seines Bruders, die Angst Lagerthas gegenüber ihrem Mann und Kindern oder der Priester Athelstan, der sich in einer neuen Welt zurechtfinden muss und mit seinem einstigen Glauben hadert. Doch gerade die Ausflüge nach England liefern die meiste Spannung, wenn zwei verschiedene Kulturen aufeinander prallen und mehr als einmal die Nordmannen vollkommen unterschätzt werden. Die Zielrichtungen der Serie sind unterdessen zwar immer erkennbar, doch hat „Vikings“ einen großen Überraschungswert, der gar dem von „Game of Thrones“ nahe kommt. Und auch darstellerisch, kann sich die Serie mehr als sehen lassen. Während vor allem Hauptdarsteller Travis Fimmel mit seinem Spiel aus Wahnsinn, charmanten Gesten, innerer Zerissenheit und Wissbegierde zu überzeugen weiß, kann sich auch der Rest aus unbekannten wie bekannten (hier zum Beispiel Donal Logue als König Horik oder Jessalyn Gilsig als Siggy) Castes perfekt in die Welt einfügen.
Während die Inszenierung indes durchaus kein Blatt vor dem Mund nimmt (und gerne auch Köpfe rollen, Brüste Richtung Kamera zielen oder die sexuelle Freizügigkeit der Wikinger zelebriert wird), kann auch die Ausstattung von „Vikings“ seinen Teil zum Hype beitragen. Egal ob Schiffe, Dörfer, Tempel oder Burgen. Die optischen Highlights der Serie sind nicht von der Hand zu weißen und liefern mehr als nur einmal fantastische Kulissen.
Das Finale der ersten Staffel unterdessen, dürfte dem einen oder anderen Zuschauer durchaus ein Dorn im Auge sein. Egal ob sprunghafte Erzählung oder das offene Ende. Die Wartezeit auf die nächste Staffel wurde so nicht unbedingt angenehm gestaltet. Bleibt zu hoffen, dass der Einstieg in die zweite Staffel und somit die nächste Reise von Ragnar Lothbrok etwas ruhiger geschieht und die Opfer der bisherigen Reise betrauert werden können.
Ein Hinweis zur deutschen Fassung: Wer die Chance besitzt „Vikings“ im O-Ton schauen zu können, sollte sich diese nicht entgehen lassen. Gerade die Synchronstimme von Ragnar ist furchtbar unpassend und störend. Doch auch der Rest ist gemessen an der sonstigen Synchron-Qualität eher unterstes Drittel. Schade, hier wäre durchaus mehr drin gewesen.
Blu-Ray: Vor allem angesichts der epochalen Kulissen sowie der Schlachten, sollte sich jeder (der die Möglichkeit besitzt) „Vikings“ auf Blu-Ray holen. Nicht nur das Bild liefert eine fantastische Schärfe, auch der Ton (vor allem O-Ton) liefert wahre Gänsehaut-Momente. Dies zusammen mit einer mehr als ansprechenden Ausstattung, macht die Serie zum tollen Sammel-Objekt.
Fazit
„Vikings“ liefert uns, gerade durch seine aufwendige Inszenierung, spektakuläres Mittelalter-TV und ein historisches Epos, welches gerade Fans mehr als begeistern wird. Die Mischung aus grandiosen wie starken Charakteren, einer spannenden unvorhersehbaren Geschichte, blutigen Konflikten sowie fantastischen Kulissen, liefert Wikinger-Action, wie sie so noch nicht zu sehen war. Qualitativ, zählt somit „Vikings“, trotz kleinerer Schwächen, aktuell mit zu den besten Serien seines Faches.
Wertung: 8,5