So, der Oktober ist vorbei und es wird Zeit die finale User-Kritik der Woche zu küren, um den ersten, großen Monatsgewinner auszeichnen zu können. Wer der großer Gewinner im Oktober ist, verraten wir morgen. Heute geht es darum, wer in der 44. Kalenderwoche 2015 unsere Jury überzeugt hat.
Gewonnen hat unsere Userin flightattendantlovesmovies mit ihrer Kritik zu „Steve Jobs“. Hier ihre Kritik:
“Steve Jobs” basiert auf dem gleichnamigen Buch von Walter Isaacson.
Danny Boyle hat seinen neuesten Film wie ein Theaterstück inszeniert. Es sind drei Akte von jeweils ungefähr 40 Minuten. Die Ereignisse eines einzelnen Segments sind vor der jeweiligen Präsentation eines neuen Apple- (bzw. NeXT-) Produktes angesiedelt. Die erzählte Geschichte spielt hinter der Kulisse und zeichnet ein berufliches und privates Portrait von Steve Jobs. Der erste Akt spielt im Jahr 1984 als der erste, der Original Macintosh Computer vorgestellt wird, im zweiten Akt, im Jahr 1988, ist Steve Jobs mittlerweile nicht mehr bei Apple und stellt in seiner neuen Firma den schwarzen NeXT-Cube vor und im Jahr 1998, nach seiner Rückkehr zu Apple, den iMac. Jeder Akt in dem Film ist in einem anderen Format (16mm, 35mm und Digital) gedreht worden.
Ursprünglich sollte David Fincher (Fight Club, Zodiac, The Social Network, Gone Girl) Regie führen und Christian Bale sollte die Hauptrolle spielen. Nach einigen Unstimmigkeiten über die Finanzierung des Films stieg David Fincher aus dem Projekt aus und der Oscar-Gewinner Danny Boyle (“Trainspotting”, “The Beach”, Slumdog Millionaire, 127 Hours) übernahm. Christian Bale distanzierte sich schließlich auch noch von dem Projekt und Danny Boyle hatte keinen Hauptdarsteller mehr. Leonardo DiCaprio war mal im Gespräch, Steve Jobs zu spielen, bis dann irgendwann Michael Fassbender die Hauptrolle übernahm.
“Steve Jobs” ist ein ungewöhnlicher Danny Boyle-Film. Wenn man diesen Film sieht, ist seine Handschrift nur selten zu erkennen. “Steve Jobs” könnte man fast als Aaron Sorkin-Film beschreiben. Der Film ist reich von brillanten Dialogen. Das von Aaron Sorkin (The Social Network, Moneyball, TV-Serie “The Newsroom) geschriebenen Drehbuch macht den Film aus. Aaron Sorkin gilt als einer der besten Drehbuchschreiber Hollywoods. Er hat eine eigene, so smarte, schnelle und messerscharfe Sprache kreiert. Die “Sorkin-Sprache” wird von den Schauspielern gerne als moderne Shakespeare-Sprache bezeichnet. Die Texte müssen präzise so wiedergegeben werden wie sie im Skript stehen. Improvisationen sind tabu, es darf kein Satz abgewandelt werden, kein Füllwort eingebracht, nicht mal ein Wort in der Betonung geändert oder gar eine Pause eingebaut werden, wenn sie nicht dort hingehört. Wenn man nur etwas an einem sogenannten Sorkin-Text ändert (und da gebe ich u.a. Kate Winslet wieder) bricht die gesamte Poesie, der Rhythmus und die Kraft der Worte zusammen. Ich habe mir bislang noch nie ein sogenanntes Sorkin-Werk in der Synchronisation angeschaut. Ich kann mir kaum vorstellen, dass in der Übersetzung nichts von der Intensität verlorengeht. Der Film “Steve Jobs” war für die Schauspieler jedenfalls mit exakter Vorbereitung, zahlreichen Proben und einigen Wiederholungen beim Dreh verbunden. Kate Winslet hat angegeben, dass eine der Anfangsszenen im ersten Akt 39x wiederholt werden musste.
Optisch hat Michael Fassbender (Hunger, Jane Eyre, Shame, 12 Years a Slave) nun keinerlei Ähnlichkeit mit dem Apple-Mitbegründer. Er hat auch zugegeben, dass er erst in seine Rolle reinwachsen musste. Und dabei kann man förmlich zuschauen. Michael Fassbender wird Steve Jobs immer ähnlicher. Am Anfang habe ich noch einen meiner Lieblingsschauspieler gesehen, der mich wieder mal mit einer ganz neuen Rolle begeistert. Mit Beginn des dritten Aktes habe ich regelrecht Gänsehaut bekommen, war schlichtweg verblüfft, wie sich Michael Fassbender in Steve Jobs verwandelt hat. Die Oscar-Nominierung ist ihm sicher, es ist aber durchaus denkbar, dass ihm diese Performance den Academy Award einbringt.
Ebenso oscarwürdig ist zweifelsfrei Kate Winslet. Im Gegensatz zu Fassy sieht man hier aber von Beginn an Joanna Hoffman und nicht die Schauspielerin. Zugegebenermassen hatte sie es auch etwas einfacher, jeder weiß wie der Apple-Chef aussah, die wenigsten aber wie Steve Jobs Marketing-Managerin und engste Vertraute.
Danny Boyles Film ist keine Heldenzeichnung von Steve Jobs. Er war sicherlich ein Genie, Visionär und ein Perfektionist, aber halt auch ein Kontrollfreak, charismatischer Größenwahnsinniger und ein A….. “Steve Jobs” ist eine Charakterstudie dieses schwierigen Mannes. Wahrscheinlich wird es keinen Film geben, der aus ihm einen Sympathieträger macht, aber für mich wird er immer dafür verantwortlich sein, dass ich mir ein Leben ohne MacBook, MacBookAir, iPhone und iPod nicht mehr vorstellen kann (oder will).
Dieser Spielfilm gibt einem eine Idee davon, wie er getickt hat. Joanna Hoffman (gespielt von Kate Winslet) schien ihm als Einzige, richtig Paroli bieten zu können. Ihr gegenüber und später auch seiner Tochter Lisa (gespielt von Perla Haney Jardine, Ripley Sobo und Makenzie Moss) gegenüber erscheint Steve Jobs auch etwas zugänglicher und weniger hart. Man bekommt hier auch einen recht guten Eindruck von Steve Jobs Beziehung zu dem Computeringenieur Steve Wozniak (gespielt von Seth Rogen), dem Softwareentwickler Andy Herzfeld (herausragend gespielt von Michael Stuhlbarg) und zu Apple CEO John Scully (gleichbleibend großartig gespielt von Jeff Daniels) bekommen.
Meine Lieblingssequenz im Film ist eine Dialogszene zwischen Michael Fassbenders Jobs und Jeff Daniels Scully. Es ist eine Parallelmontage von Ereignissen aus dem Jahr 1984 und 1988. Diese Sequenz war in meinen Augen charakteristisch für Danny Boyle.
“Steve Jobs” wurde erstmalig auf dem Telluride Film Festival 2015 gezeigt. Am 9.10.15 ist der Film in vier ausgewählten Kinos in New York und Los Angeles. gestartet. In NYC wurde der Film in nur zwei Kinos gezeigt. Ab dem 16.10.15 wird “Steve Jobs” dann in ganzen 60 amerikanischen Kinos zu sehen sein und ab dem 23.10.15 in ganz U.S.A. Ich habe den Film am Eröffnungsabend in New York gesehen. Soweit ich das verfolgen konnte, waren alle abendlichen Vorstellungen in meinem Kino ausverkauft. Einige Repräsentanten von Universal Studios waren anwesend und haben einen ausführliche schriftliche Umfrage zu diesem Film durchgeführt. Neben den üblichen persönlichen Angaben und warum man ausgerecht diesen Film gewählt hat, wollten sie natürlich wissen wie einen der Film gefallen hat, aber – und das hat mich überrascht – haben sie auch einige Fragen zu dem vorgeschalteten Trailer des Coen Bros. Film “Hail, Caesar!” gestellt. “Hail, Caesar!” hat derzeit einen Kinostart von Februar 2016 in den USA. Ist Universal am überlegen, den Film noch dieses Jahr herauszubringen und damit in die Oscar-Saison 2015/2016 vorzuverlegen?
“Steve Jobs” ist für folgende Oscar-Nominierungen im Gespräch: Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller (Michael Fassbender), Bester Nebendarsteller (Jeff Daniels), Beste Nebendarstellerin (Kate Winslet) Bestes adaptiertes Drehbuch und einige technische Kategorien.
Keine Sorge, wer gerne auch einmal für die User-Kritik der Woche verantwortlich sein will, muss nicht so viele Wörter niederschreiben wie unser heutiger Gewinner. Was nötigt ist, um in unsere engere Auswahl zu kommen, haben wir für euch einmal kurz zusammengefasst. Ausführlicher wird’s dann hier.
Die Regeln:
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Wir freuen uns auf eure User-Kritiken und hoffen, dass so langsam aber sicher auch die Schreibfaulen erwachen.
Herzlichen Glückwunsch der Gewinnerin.