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Adventskalender 2018 *FÜR TEXTERSTELLUNG*

von Thomas Repenning

Später, in ferner Zukunft, werden wir uns gerne an den November des Jahres 2018 zurückerinnern, diesen überdurchschnittlich guten Monat, der uns mit einigen filmischen Schmankerln die Ehre erwiesen hat, über die wir in Jahren noch sprechen werden. So zum Beispiel Suspiria, dem Remake zum Klassiker von Dario Argento. Wir zeigten uns mit 9 Punkten restlos begeistert:

In formvollendeter Optik und lebensechter Kulisse inszeniert Luca Guadagnino einen enigmatischen Totentanz, gekrönt von einer blutrünstigen, in mehrfacher Weise symbolreichen Wiedergeburt. Gewagte künstlerische Abstraktion, eigenwillige Ästhetik und zahlreiche Bezüge zu Kunstgeschichte, Geisteswissenschaft und Weltgeschehen machen die in Akte unterteilte Schauer-Symphonie teils opak. Die Komplexität steigert indes nur die Faszination der triumphalen Metamorphose eines Kultfilms in ein makaberes Manifesto revolutionärer Innovation.

Ein neuer Film von Lars von Trier. Ein weiterer Siegeszug des Kinos. Warum der dänische Filmemacher eine unermesslich wichtige Erscheinung des kontemporären Kinos ist, versteht sich von selbst: Der Mann ist in der Lage, Reaktionen zu forcieren. Ob das nun Bewunderung oder Ablehnung ist, sei an dieser Stelle mal dahingestellt, sein The House That Jack Built allerdings ist eine cineastische Pflichtveranstaltung, wie auch unsere Kritik verifiziert:

Ein Selbstgespräch mit Gott in der Kloake. Lars von Trier ist sich völlig bewusst, was er hier dem Publikum vorsetzt. Das lässt sich bestimmt als Provokation um seines selbst Willen abtun, wäre jedoch nicht vollends fair. Jack ist als Serienkiller ein satirisches Medium für seinen Regisseur, der sch selbst und seine Filme einschätzt. Mal selbstkritisch, mal provokant, mal etwas weinerlich. Einen Serienkiller-Genrefilm zu erwarten (oder diesen Fehlgedanken dem Film anzulasten) wäre falsch. Natürlich ist „The House that Jack Built“ irgendwo Horrorkino, allein wegen des dargestellten Grauens und dem expliziten Gore, aber vor allem ist der Film eine Charakterstudie seines eigenen Regisseurs. Ob gelungen oder nicht, ob wertvoll oder nicht; dieser Film ist so einzigartig und so eine riesige Frechheit. Lars von Trier erweitert einmal mehr die Grenzen des Weltkinos.

Ebenfalls eine Pflichtsichtung stellt der 230-minütige An Elephant Sitting Still dar. Regisseur Hu Bo, der hier sein Debütwerk abgeliefert hat, wählte noch vor der Kinoauswertung den Freitod. Kein Wunder, dass dieser Film wie ein Abschiedsbrief auf den Zuschauer einschlägt und sich unvergesslich macht. Hier ein Ausschnitt aus unserer 8-Punkte-Kritik:

Hu Bo ist kein Regisseur, der von außerhalb auf das System blickt, der etwas vortäuschen muss. Vielmehr ist er ebenso wie die Figuren selbst darin gefangen. Letztlich gibt es keine Flucht, weder an einen anderen Ort noch aus dem Leben selbst. Der Hoffnungsschimmer, ebenjener titelgebende Elefant, wird zum gemeinsamen Ziel. Hoffnung gibt es keine, doch die Gemeinschaft macht die Hölle auf Erden erträglich.

Und dann noch etwas ganz und gar Erfreuliches: Mandy, inszeniert von Panos Cosmatos und besetzt mit Nicolas Cage, hat es tatsächlich auch in Deutschland auf die großen Leinwände geschafft. Zwar handelte es sich dabei nur um einen limitierten Kinostart, aber meine Güte, endlich wieder Nicolas Cage im Kino – und dann noch in einer dermaßen suggestiven LSD-Grenzerfahrung. Warum Mandy bestes Mitternachtskino ist, weiß auch unsere Kritik:

Cage, der ohnehin gern zum Overacting tendiert, darf hier nun ungezügelt das zum Besten geben, was Fans an ihm lieben. Nachdem eine ordentliche Ladung Koks und Alkohol zu sich genommen wurden, werden noch schnell die Armbrust und selbstgeschmiedete(!) Hellebarde eingepackt, um damit der abgefuckten Sektenbande den Garaus zumachen. Mandy ist gewiss keine leichte Kost und lässt seiner ausufernden Gewaltorgie freien Lauf. Und inmitten dessen einen blutüberströmten Cage dabei zu beobachten, wie er sich mit wahnsinnsüberzogendem Blick unter anderem Zweikämpfe mit ratternden Kettensägen liefert, ist wahre Genugtuung.

Freunde des Zauberschülers mit der markanten Narbe auf der Stirn kamen in diesem Monat ebenfalls auf ihre Kosten, denn mit Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen haben David Yates und J.K. Rowling erneut in die Harry Potter-Welt eingeladen. Mögen 6,5 Punkte auch auf den ersten Blick etwas mager erscheinen, gelungen ist der Film dennoch, wie unser Fazit zeigt:

Besser strukturiert, als sein Vorgänger, hat Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen leider mit Problemen beim Pacing zu kämpfen. Trotzdem erweist sich der zweite Teil als zufriedenstellende, düstere Fantasy-Unterhaltung und das Ende dürfte wohl dafür sorgen, dass sich Potter-Fans den Starttermin des dritten Teils Im November 2020 schon jetzt dick im Kalender markieren werden – wenn sie das nicht schon längst getan haben.

Auf Oscar-Kurs konnte man zudem im November noch mit Aufbruch zum Mond bringen, in dem Ryan Gosling unter der Regie von Busenfreund Damien Chazelle zu Lance Armstrong wurde und sich als fester Bestandteil der Zeitgeschichte unsterblich machte. Warum der Film so gelungen ist? Deswegen:

Mit authentischen Bildern, in einem angenehm getrimmten Pacing und ohne sich in patriotischem Pathos zu suhlen erzählt „Aufbruch zum Mond“ die Geschichte einer der größten Helden des 20. Jahrhunderts. Wer sich auch nur im Geringsten für das Thema Raumfahrt interessieren kann, der wird mit Aufbruch zum Mond seinen Spaß haben.

Zu guter Letzt haben wir sogar noch einen Film im Angebot, der in unserer Kritik ganze 10 Punkte einfahren konnte: Philip Grönings Mammutwerk Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot. Noch nie gehört den Titel? Tja, dann schämt euch mal ganz dolle, ihr Kunstverächter. Hier ein Auszug aus unserer euphorischen Kritik:

Gröning erzählt eine Geschichte von zwei Geschwistern, die lernen müssen, bald ohne einander klar zu kommen, die für diesen Schritt noch nicht bereit sind und erst zu spät erkennen, was sie einander wirklich bedeuten. Wie viel Freiheit, wie viel Schönheit und wie viel Grausamkeit die Welt für sie bereit hält, offenbart sich in einem Mikrokosmos der alles Bekannte einreißt und Platz für die Endlosigkeit der Zeit macht.

Außerdem sehenswert im November: In My Room, A Prayer Before Dawn

Unbedingt zu vermeiden: Operation: Overlord, Night SchoolVerschwörung

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