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Das Fantasy Filmfest 2014 - Unser Ré­su­mé

von Sebastian Stumbek

Wenn einem der Schweiß auf der Stirn steht, während man zugleich freudig erregt, als auch müde genervt zum x-ten Mal vor der goldenen Tür des Kinosaals Nummer 9 steht, mit Popcorn (das man sich eigentlich gar nicht hatte kaufen wollen und über dessen Preis man sich erneut scheinheilig aufregt) und schwerem Rucksack bepackt und der Frage im eigenen Kopf, ob die laminierte Dauerkarte, inklusive nettem Foto, welche ans eigene T-Shirt gepinnt ist, möchtegern doof oder tatsächlich cool auf Leute wirkt, weswegen man sie immer halb unter der Jacke versteckt, aber immer noch so, dass andere sie sehen können. Wenn man von der Arbeit geschafft zum Kino sprintet und sich in einen der roten Sitze fallen lässt, der dann bei jeder Bewegung nervig quietscht und einen dazu zwingt sich erneut aufzurichten und sich einen neuen Platz zu suchen, während man innerlich darüber nachdenkt, dass diese reservierten Plätze doch vielleicht ein, zwei Reihen zu weit vorne sind und ob das Absicht der Verantwortlichen war, um die wahnsinnigen Dauerkartenbesitzer mit der vollen Ladung Sound und Bild zu strafen. Wenn zum hundertsten Mal die Trailer von Flug Was-Weiß-Ich und The Evil Within über die Leinwand laufen, während das halbe Kino fast mitreden kann, es sich aber doch peinlich berührt unterdrückt und man insgeheim aber doch immer wieder ein wenig erschreckt ob der dargestellten Bilder ist. 
All diese Gedanken verfliegen in dem Moment, wo das Licht ausgeht, sich die Leinwand ein wenig weiter öffnet und einem so dieses erhabene Gefühl übermittelt, dass man nun für ein paar Momente nichts andere tun braucht, als das, was kommt, auf sich wirken zu lassen. Kino hat einfach seine ganz eigene Magie und auch wenn der Kerl neben dir vielleicht ein bisschen zu viel wiegt, ein wenig zu laut schnauft und ein Fitzelchen zu viel Armlehne für sich beansprucht, wenn wieder nur der Kuschelsitz frei ist, auf dem Sören und ich verkrampft versuchen uns nicht ständig gegenseitig zu berühren oder wenn von hinten wieder dieses säuselnde Schnarchen des Dauerkartenbesitzers erklingt, der vermutlich jeden Film des Filmfests im Kinosaal verschlafen hat, vergisst man doch all das, wenn die Magie des Kinos beginnt ihre süßen, audiovisuellen Tentakel in dein Gehirn zu graben.
12 Tage Kino, 31 gesehene Filme, Arbeit, Essen und letztlich Kritiken schreiben, so sah mein Anfang September aus und obwohl ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte („Hey Sören, welchen Tag haben wir heute? Montag?“ „Es ist Freitag Abend, Mann.“ „Um Gottes Willen.“), Freunde und Verwandte mich vermutlich für tot oder zumindest als lebender Toter erklärt haben und der Sport, den ich mir so eifrig vornahm, sich auf Kauen und Schlucken von Popcorn und anderem ungesunden Zeug beschränkte, würde ich es doch immer wieder gerne tun. Mit einer ordentlichen Pause dazwischen, klar, aber jedes Festival macht dich auf seine eigene, wunderbare Art zur Sau, verlangt dir jegliche Energie ab und spuckt sie dir dann in Form von Kotze oder auch Käsedipsoße vor die Füße. Und dennoch bücken wir uns immer wieder gern. 12 Tage einfach mal aus dem Leben austreten zu können ist durchaus eine nette Sache. Und warum dazu weit reisen? 
Ausreißen, das muss immer gleich Safari sein, sich mit Bären auf Einrädern über tiefen Schluchten boxen, Hirsche eigenhändig erlegen und ins Feuer eines Vulkans kicken, in der Antarktis mit Pinguinen gegen mutierte Eisbären kämpfen und enge Pinguinfreundschaften knüpfen, oder auf irgendeiner Flugreise auf einer einsamen Insel verschwinden und ihre mysteriösen Geheimnisse aufdecken, bis man selbst letztlich zum Hüter des Purgatoriums erhoben wird. Dabei kann dieses Ausreißen direkt vor unserer Haustür stattfinden, in den dunklen Katakomben des Kinos, in denen schon so viele Menschen verschwunden sind und wo man immer wieder auf alte Schädel und Knochen tritt. Zumindest in Frankfurt. Und während man popcornmampfend fett wird, sich langsam mit den Kinositzen das Saals assimiliert, emotional und sozial abstumpft, sich den zehntausendsten Horrorstreifen ansieht und sich über Plotholes aufregt und dann mit 30 vor die Hunde geht, eins mit dem Kino wird, so wie der Grünseher aus Game of Thrones, weiß man, man hat ein gutes und erfülltes Leben gelebt. Kein soziales, oder gar nützliches, aber immerhin ein Leben. Live fast, die young. Im Kino. Ich mach's auf jeden Fall nochmal. 



Meine persönlichen Top 5: 

1. The Rover
Die Top 1 ist gleich der Eröffnungsfilm? Ist das nicht ein schlechtes Zeichen für das Festival? Wurde es nie wieder besser als am Anfang? Nicht ganz richtig. Das Filmfest bot einfach so viel Abwechselung, dass man eigentlich für jedes Genre eine Topliste erstellen könnte. Aber „The Rover“ war so eindringlich, gut gemacht und letztlich packend, dass er die Top 1 ohne Frage verdient hat.

2. Housebound
Fresh Blood Award hier, Fresh Blood Award da. „Housebound“ hat es verdient. Vollkommen überraschend hatte ich bei keinem anderen Film so viel Spaß im Kinosaal. Hinzu kam eine großartige Stimmung des Publikums, die sich, was man schon an den Awards sieht, scheinbar auf jeden einzelnen Filmgucker übertragen hat. 

3. Man on High Heels
Trailer meh. Und da kommt da dieses Ding um die Ecke gefahren! Viele Filme haben sich beim FFF mit schwierigen Themen befasst, aber keiner hat seines so humorvoll und dennoch angemessen und tiefgründig behandelt wie "Man on High Heels". Dafür gibt’s immer Pluspunkte!

4. The Babadook
Horror, Horror, Horror. Es gab gar nicht so viel Horror auf dem FFF dieses Jahr. Zumindest nicht so viel Zeug, das einen wirklich gegruselt hat. Nicht so „The Babadook“. Spannung, Angst und Beklemmung: Alles auf einmal über fast die ganze Laufzeit. Dazu eine gute Geschichte und tolle Schauspieler. Was will man mehr? 

5. What we do in the Shadows (5 Zimmer Küche Sarg)
Mein Most Wanted des Fests. Umso erstaunlicher ist es, dass ich "Housebound" im Endeffekt cooler fand. Aber „What we do in the Shadows“ liefert was er verspricht, ist kreativ und witzig und macht einfach 90 Minuten lang Spaß. 



Meine Flop 3

1. Redirected
Nicht der schlechteste Film des Fantasy Filmfests. Aber der anstrengendste und letztlich für mich durch und durch enttäuschendste Beitrag. Wenn man total viel Bock auf einen Film hat und sich dann nur noch durchquälen muss, dann ist der Film zurecht ein großer Flop. 

2. The Canal
War für einen Gruselstreifen einfach nur langweilig. Und das bricht ihm das Genick. Ich hatte auf jeden Fall viele nette Gedanken während des Films, die aber nix mit dem Geschehen auf der Leinwand zu tun hatten.

3. Wrong Cops
War einfach nicht witzig. Punkt. 



Leider verpasst: 

Starry Eyes
Sören schwärmte und schwärmte und ich war sauer. Und will den Film unbedingt sehen! 

R100
Der bizarrste Film des Festivals? Und ich hab ihn verpasst! 

The House at the End of Time 
„Hey, also der „House at the end of time“-Film war so überraschend gut, so eine tolle Story. War eine richtige Perle.“ 13 Uhr am Dienstag. Damit rechnet doch keiner. 



Überraschende Filme

Zudem gab es ein paar Filme, die ich kopfschüttelnd und selbstmitleidig besucht habe und die im Endeffekt kleine Augenöffner waren. „On the Edge" kommt mir da direkt in den Sinn. Zweiter Tag, zweiter Film. Freitag um 15 Uhr, das Kino fast leer und auf der Leinwand passiert eine Art „Fast and Furious“ aus Dänemark. Aber richtig gut! Kein Raserfilm, ein emotional packendes Charakterdrama mit Autos und toller Musik. Auf jeden Fall ein Tipp!
Und dann kam da „Man on High Heels“, auf den ich ungefähr 0% Bock hatte, der mich aber mehr als zwei Stunden super unterhielt und einen emotional richtig mitnahm. 
Auch „Coherence“ überraschte mich, wenn auch auf anderem Level. So viel eigenes Tüfteln, Rätselraten und freudiges Miterleben hatte ich bei kaum einen Film. Tolle Idee und viel Spaß bei der Umsetzung!
Und letztlich natürlich „Housebound“. Das Kino hat einfach zu recht getobt. Hinzu kam die beste Publikumsatmosphäre im sonst sehr verhaltenen Frankfurt. 



Fazit

Still alive. Ich hatte einfach eine tolle Zeit. Zeitweise war ich total am Boden, hab mir teils Schmerzmittel reingehaun, weil ich natürlich am zweiten Tag des Festivals krank wurde, die Klos und ich sind jetzt altbekannt und immer dieser etwas verwirrte und abschätzige Blick der Kinoangestellten, wenn sie meine Dauerkarte sahen. Eine Mischung aus „Irgendwie ist das ja cool, aber was für ein einsamer, trauriger Mensch musst du sein um freiwillig 12 Tage im Kino zu hocken.“ So einsam und traurig war es aber gar nicht, obwohl ich mir jetzt erst einmal fünfzig Hundewelpen zugelegt habe um Gesellschaft vorzutäuschen. Ich finde immer noch Popcornreste zwischen meinen Zähnen, der staubige und klebrige Geruch des Kinosaals hat seine Wege in meine Träume gefunden und der Rewe um die Ecke wurde zu meiner zweiten Heimat. Aber insgesamt habe ich so viele coole Filme gesehen, die ich sonst nie hätte anschauen können, hatte so interessante Einblicke in die Arbeit eines Regisseurs (Danke, Herr Stamm) und konnte am Ende mit meinen Kritiken sogar noch andere Menschen aufs Übelste beeinflussen. Kann es eigentlich etwas schöneres geben? Jetzt muss man es nur noch schaffen sich wieder ins Leben zu integrieren. 

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