DIE TOP 10 FILME 2016:
1. Anomalisa
Charlie Kaufman ist immer noch ein Genie und beweist sein Können selbst nach all den Jahren noch. Ruft man sich nach der Sichtung einzelne Szenen oder den gesamten Film in Erinnerung, so hat man keine animierten Figuren oder künstlich erschaffenen Welten vor Augen, sondern echte Menschen, wahrhaftig gezeichnet und mit einer derartigen Menschlichkeit versehen, wie man es in einem charakteristisch ruckeligen Stop-Motion-Animationsfilm nie für möglich gehalten hätte. Das emotional rührendste Juwel des Jahres.
2. Raum
Raum ist einer dieser Filme, die einen die Welt kurzfristig mit anderen Augen sehen lassen. Das schön angerichtete Frühstück auf dem Teller, das Rauschen des Windes durch die Blätter der Bäume, das weiche Gefühl eines Hundefells oder der unaufhörliche Strom an Geräuschen und kleinen Ereignissen. Allesamt Augenblicke, die uns selbstverständlich erscheinen, vom Film allerdings in Momente beeindruckender Intensität aus zärtlicher Wärme und staunenswerten Errungenschaften verpackt.
3. Paterson
Was in der Theorie nach dem banalen Alltag unzähliger Menschen auf diesem Planeten klingt, wird von Independent-Legende Jim Jarmusch zu einem der schönsten Filmerlebnisse des Kinojahres geformt. Paterson ist eine Ode an das augenscheinlich Banale, Jarmusch entlockt selbst den trivialsten Momenten bewegende Facetten und erschafft auf diese Weise einen Film, der trotz seiner minimalistischen Struktur, bei der lediglich kleine Details aus dem repetitiven Handlungsfluss herausstechen, wie ein verträumtes Märchen wirkt, das jedem noch so unbedeutend wirkenden Augenblick einen faszinierenden Nachhall verleiht.
4. Krisha
Selten hat ein junger Filmemacher das amerikanische Independent-Kino in den letzten Jahren so glühen und erbeben lassen. Die Heimkehr einer Frau, die sich für Thanksgiving nach vielen Jahren der vollständigen Abwesenheit wieder mit ihrer Familie vereint, entfaltet sich nach und nach zu einem ebenso erschütternden wie bewegenden Drama, in dem es um alte Narben geht, die niemals zu verheilen scheinen, um Fehler und Probleme, die im Kreis der eigentlich engsten Vertrauten unausgesprochen und unzureichend aufgearbeitet bleiben und somit zur tragischen Eskalation führen, und um den Wunsch nach Nähe, dem Verlangen nach familiärer Geborgenheit, das im Angesicht von Unsicherheit, Rückfällen und Ängsten in blanken Horror umschwenken kann.
Nie wieder wird man zukünftig Rihannas "We Found Love" hören können, ohne dabei an den auf der Ladentheke tanzenden Shia LaBeouf zu denken. Ein elektrisierendes Gemälde einer desorientierten, ziellosen Jugendkultur und zugleich das schönste Amerika-Porträt des Jahres.
The Neon Demon seziert die Besessenheit nach Schönheit in unserer heutigen Welt, sowohl von einem Standpunkt des letzten Auswegs heraus als auch aus der destruktiven Perspektive, die sich aus Neid, Hass und Lust zusammensetzt. Im letzten Drittel klopft der Regisseur immer stärker gegen die künstlichen Fassaden, taucht ab in einen schwindelerregenden Strudel abstoßender Gewalt- und Sexual-Akte, bis es ganz am Ende soweit ist, dass perfekte Schönheit noch nie einen solch ekelerregenden Eindruck des blanken Horrors hinterlassen hat.
Wäre Hitchcock noch am Leben, würde er diesen Film mit einem genüsslichen Lächeln schauen. The Invitation ist ein Thriller, so pur, so aufregend und so mitreißend, als wäre es das erste Mal.
8. Toni Erdmann
Toni Erdmann fängt die Absurdität der Welt der Unternehmensberatung, die eng mit abschreckenden Begriffen wie Turbo-Kapitalismus und Outsourcing verbunden ist, ebenso präzise ein wie ein intimes Familienporträt, in dem die Gefühle regelmäßig hoch kochen. Obwohl Maren Ade ihren Film inszenatorisch unaufällig und mit einer fast schon biederen Handschrift versehen hat, schenkt sie dem Publikum ein paar unvergessliche Kinomomente, in denen blutbespritzte Hemden, Sperma-Desserts, eine so wahrscheinlich noch nie gesehene Geburtstagsparty und ein markerschütterndes Whitney-Houston-Cover für offene Augen, Zwerchfellerschütterungen und klopfende Herzen sorgt.
9. The Witch
Kaum zu glauben, dass man es hier mit einem Langfilmdebütanten zu tun hat. Unglaublich stilbewusstes, selbstsicheres Horror-Kino der Superlativen, das wirkt, als wäre ein langjähriger Meister am Werk gewesen, der sich vorab bereits an mehreren Filmen dieser Art ausprobiert hat, um nun auf dem Zenit seiner Fertigkeiten anzukommen. The Witch zeigt sich als inhaltlich überaus reichhaltiges Werk, funktioniert aber auch als geradlinige Schauergeschichte, sozusagen eine verrohte Variante der Gebrüder Grimm, in der Regie-Neuling Robert Eggers durch kraftvolle Impressionen, wunderbare Schauspieler und Momente puren Horrors jeden Ton trifft.
Ein kraftvolles sowie unkonventionelles Drama, das die beinahe unmöglich zu bewerkstelligende Trauerarbeit der komplexen Figuren, die sich alle selbst in einer Identitätskrise befinden, auf bewegende, nachdenklich stimmende und kreative Weise ausdrückt. Ebenso ein zerbrechliches Fragment, das sich aus vielen einzigartigen Momenten, wahnsinnig starken Dialogen und schmerzlichen Leerstellen zusammensetzt.
DIE FLOP 5 FILME 2016:
1. Yoga Hosers
Der große Absturz des Kevin Smith. Ein grottiges Machwerk, das eher einem ausgelassenen Familienspaß gleichkommt, bei dem der Regisseur, seine Familienmitglieder sowie befreundete Schauspieler einen albernen Insider-Witz ins Leben gerufen haben, der auf Außenstehende, in diesem Fall den Betrachter, wie ein unverständlicher Anti-Film erscheint
2. XOXO
Hektische Musikvideo-Montagen, platte Klischees, peinliche Floskeln, die sich gut auf einer kitschigen Postkarte aus dem Urlaub machen würden und überhaupt: YOLO!
Müll, aber wer hätte auch nur eine Sekunde lang etwas anderes gedacht?
4. Gänsehaut
Tolle Jugenderinnerungen an die Bücher und die TV-Serie werden in dieser Kino-Adaption, die sich als zappeliges, liebloses sowie komplett am Kern der Marke vorbeirauschendes Debakel entpuppt, schnell komplett zerstört
Ein Trash-Desaster, das sich selbst viel zu ernst nimmt. Die Effekte erinnern in den schlechtesten Momenten an Zwischensequenzen aus einem Playstation 2-Spiel.
GEHEIMTIPPS AUS DEM JAHR 2016:
Drei Dokumentationen möchte ich in meinen Geheimtipps erwähnen. Den Anfang macht ein Film über einen Jungen, der früh in seinem Leben mit Autismus diagnostiziert wird und mithilfe von Disney-Filmen lernt, mit seinem Umfeld zu kommunizieren. Owens Schicksal und wie er selbst damit umgeht ist bereits an sich von inspirierender Kraft, die einen daran erinnert, wie schwer man es sich manchmal mit Belanglosigkeiten im eigenen Leben macht. Darüber hinaus handelt Life, Animated aber auch von der überwältigenden Kraft des Mediums Film, das in diesem Fall ganz im buchstäblichen Sinne ein Leben von Grund auf verändert und zum Positiven wandelt.
Weiner, die Dokumentation, ist ihrer nicht-fiktionalen Hauptfigur Anthony Weiner nicht ganz unähnlich. Voller Temperament, ein wenig unangenehm, mit schwungvollen Höhen und zähneknirschenden Tiefschlägen nimmt der Film den Zuschauer mit auf eine Reise durch den aktuellen Politik- und Medienzirkus, von dem man selten so detailliert, intim und ungeschönt Zeuge werden durfte wie hier. Fast schon zu kurios, um ihn glauben zu können und mit einem Ende, das über den Film hinaus erst dieses Jahr in der Realität stattfand.
City of Gold
In dieser Dokumentation wird man nicht nur Zeuge von der Vergangenheit und dem Alltag eines Restaurantkritikers, sondern viel mehr von zahlreichen, erhellenden Momenten, in denen City of Gold unheimlich viel über die Wirkung des geschriebenen Wortes ausdrückt, das hier im besten Fall Leben verändert, aber genauso ein Bild von Los Angeles entwirft, das von einem Mann beschrieben und beschwärmt wird, der durch seine Passion zum Essen einen Zugang gefunden hat, um das kulturelle Herz einer ganzen Stadt einfangen zu können.
10 MOST WANTED FILME 2017:
MEIN SERIENJAHR 2016:
Horace and Pete und die erste Season von Atlanta sind mir eindrucksvoll in Erinnerung gelieben. Ansonsten merke ich immer mehr, dass mir viele der aktuellen Serien, selbst die hochgelobten, nicht mehr allzu viel geben...
FAZIT:
Jetzt ist aber genug geschrieben worden.