Wer hätte damals, 1994 um genau zu sein, gedacht, zu welch einer Größe "Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI" einmal aufsteigen würde. Stolze neun Jahre hat man durchgemacht, gegen Ende auch teilweise ohne einen der beiden Hauptdarsteller, bis man die Serie 2003 beendete. Daneben gab es auch zwei Kinofilme, eine Comic-Serie oder gar Videospiele. "Akte X" lebte also stets weiter und genießt schon seit Langem Kultstatus. Man kann die Serie auch als Vorreiter unserer heutigen TV-Landschaft sehen, die von hochkarätigen Serienformaten nur so überfüllt wird. In den 90er Jahren gab es solch ein Überangebot im Fernsehen noch nicht, in dem Sinne war "Akte X" damals etwas ganz Besonderes.
Wenn nun 13 Jahre nach Beenden der Originalserie das komplette Stammteam wieder zusammenfindet um weiterzumachen, sind Erwartungen und Freude kaum noch im Zaum zu halten. Die neue 10. Staffel, welche erneut aus der Feder von Serienschöpfer Chris Carter stammt, umfasst diesmal jedoch nur 6 Folgen. Die Tv-Landschaft hat sich nun mal verändert, die Zeiten, in denen Serien pro Staffel mal eben über 20 Folgen ausgestrahlt wurden, sind schon längst vorüber. Sicherlich auch wollte man kein Risiko eingehen und erst einmal austesten, wie gut die unheimlichen Fälle des FBI heutzutage noch beim Zuschauer ankommen. Wir haben uns alle sechs Folgen nun angesehen und ziehen ein trauriges Fazit.
Der Moment, wenn die erste Folge beginnt, versetzt sicherlich jedes Fanherz in Raserei. Fox Mulder (David Duchovny) fasst kurz das Wesentliche aus der Vergangenheit zusammen und schon ertönt die bekannte Titelmelodie zum originalen Vorspann, der heute wirkt, als würde er von einer VHS abgespielt werden. Nostalgie pur, ein fantastischer Start. Schnell finden sich Fox Mulder und Dana Scully (Gillian Anderson) zusammen, sogleich ist auch das Feeling vergangener Zeiten wiederhergestellt. Auch Charaktere wie Walter Skinner (Mitch Pileggi) finden hier erneut ihren Platz. Für den Start hat man sich auch eine kleine Überraschung ausgedacht, die Vergangenes ein klein wenig auf den Kopf stellt. Ein kleiner Twist, der heute wohl passender wirkt als die altbekannte Alienstory der 90er. Die Grundlage für eine interessante Staffel ist also durchaus gelegt, die Lust auf mehr ist definitiv geweckt.
Doch schon mit dem Start der zweiten Folge macht sich Ernüchterung breit, zuvor gibt es aber Verwunderung. Denn plötzlich spielt all das, was die Grundlage für eine spannende Staffel hätte werden können, gar keine Rolle mehr. Ein nicht nachvollziehbarer Zeitsprung hat stattgefunden, erzählt wird nun eine völlig andere Geschichte, welche nicht im Zusammenhang zu vorherigem steht. Mulder und Scully sind plötzlich wieder im Dienst und lösen einfach einen neuen Fall, der für sich genommen auch nicht einmal besonders spannend ist. Schade, dass man sich dafür entschieden hat, keine zusammenhängende Story zu erzählen. Nun mag manch einer sicherlich argumentieren, dass das früher auch schon so war. Wohl wahr, aber heute wirkt das Konzept nicht mehr zeitgemäß und verbaut der Serie auch die Chance, erzählerisch zu punkten. Und genau das wäre wichtig gewesen, immerhin befindet sich "Akte X" quasi auf dem Prüfstand.
Genau so verhält es mit den weiteren drei Folgen, jede von ihnen ist völlig losgelöst von den anderen und erzählt von einem anderen Fall. Während man der dritten Folge immerhin gelungenen Humor und jede Menge gute Laune zusprechen kann, wird es mit der vierten, in der man sich mit einem neuen "Monster of the Week" beschäftigt, ziemlich öde. Den absoluten Tiefpunkt erreicht dann aber tatsächlich noch einmal die fünfte Episode, in der man aktuell wichtige Themen (islamistischer Terror, Vorurteile) mit Humor (einem neu eingeführten Agentenpaar, welches Mulder und Scully zum verwechseln ähnlich sein soll) und Paranormalem mischt. Hier haben die Drehbuchautoren völlig daneben gegriffen. Nicht nur dass die Folge selbst keinerlei Unterhaltungswert bietet und sich wie ein zäher Kaugummi zieht, sie übernimmt sich mit ihrer thematischen Brisanz völlig und tut eigentlich genau das, wovor sie sich ursprünglich vermutlich selbst kritisch distanzieren wollte: Sie schafft selbst Vorurteile. Von den vielen albernen Einschüben (Mulders surrealer Drogentrip, der mit aufgesetztem Cowboyhut in einem Country-Club gipfelt, in welchem alle gemeinsam tanzen) wollen wir an dieser Stelle lieber gar nicht erst anfangen. Absolut furchtbar und beschämend.
Und schon sind wir auch beim Finale angelangt, dass nun tatsächlich doch an die Storyline der ersten Folge anknüpft und damit wenigstens für ein wenig Fluss sorgt. Lange hält die Freude jedoch nicht an, denn schon zu Beginn leistet man sich einen gewaltigen stilistischen Patzer, der völlig deplatziert wirkt. Dass Dana Scully Alien-DNA in sich trägt wurde ja bereits in der ersten Folge erwähnt. Doch wozu das Ganze Visualisieren? Völlig bescheuert.
Der eigentliche Plot dreht sich nun um einen Virus, der die ganze Menschheit bedroht. Groß und episch versucht das Finale daherzukommen, auch das Tempo ist hoch und man bemüht sich, die Folge furchtbar ernst und dramatisch aufzubauen. Nur ist es am Ende viel Lärm um nichts, spannend oder unterhaltsam ist das Finale, trotz weiterer Gaststars, leider nicht.
Beendet wird die Miniserie zudem mit einem Cliffhanger der bereits andeutet, dass es mit "Akte X" vermutlich weitergehen wird. Doch auch dieser verfehlt seine Wirkung und wirkt am Ende einfach nur belanglos.
Fazit: Groß war die Vorfreude auf die zehnte Staffel, noch größer ist nun aber die Enttäuschung. "Akte X" verpatzt sein Comeback leider völlig und fährt eine einst so großartige Serie an die Wand. Das ist sehr bedauerlich, denn die Möglichkeiten zu einem gut funktionierenden Neustart waren dank der Beteiligung des Originalteams und der großen Fangemeinde durchaus gegeben. Weitergehen wird es vermutlich dennoch, denn quotentechnisch ist auch die zehnte Staffel ein voller Erfolg. Die Frage ist nur, wie viele der Zuschauer noch auf eine elfte Staffel Lust haben werden. Denn "Akte X" ist in der jetzigen Form alles andere als innovativ, zeitgemäß oder wenigstens auf nostalgischem Level unterhaltsam. Viel mehr ist es ein lahmer und uninspirierter Versuch, an alte Glanzzeiten anzuknüpfen. Es gibt mittlerweile einfach zu viele weitaus bessere Serienalternativen, in die man seine Zeit wohl lieber investieren sollte. Das Team hinter "Akte X" hat in seiner langem Pause offensichtlich keine von ihnen geschaut um dazuzulernen.