Für sein jüngstes Werk Two Seasons, Two Strangers wurde er gerade erst in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet. Dass Shô Miyake (Keiko, me wo sumasete) den Wettbewerb des Film Festivals gewinnen würde, war noch unbekannt, als er sich einen Tag vor der Preisverleihung mit Lidanoir über das melancholische Porträt von Menschen und Landschaften unterhielt. Im Interview gewährt der japanische Regisseur Einblicke in seinen Arbeitsprozess, teilt seine Bewunderung für den Manga-Künstler Yoshiharu Tsuge und dessen Vorlage, und verrät, warum Film für ihn eine Kunst der Zeit ist.
Lida Bach: Dein basiert auf zwei Geschichten aus einem Manga des berühmten Künstlers und Autoren Yoshiharu Tsuge, „Mr. Ben and his Igloo“ und „A View of the Seaside“
Sho Miyake: Yoshiharu Tsuge ist ein legendärer Manga-Künstler! Ich glaube, ich habe die Essenz seines Manga-Stils genommen und daraus einen Film gemacht. Ich denke, dass das Filmemachen sich von Manga, Fotografie, Theater oder Malerei unterscheidet. Es gibt Dinge, die nur durch Film ausgedrückt werden können. Das ist es, was ich beim Filmemachen versuche. Natürlich ist es etwas anderes als das Gleiche bei Manga oder Fotografie, Malerei oder Theater zu tun. Das ist eine Gemeinsamkeit zu Yoshiharu Tsuge.
Nach meiner Ansicht hat er versucht, sich von der allgemein gängigen Richtung von Manga zu befreien. Er wollte sich vom traditionellen Stil lösen und hat nach einem neuen Wege gesucht, sich in diesem Medium auszudrücken.
LB: Ist dein Film visuell nah an den Bildern der Manga-Vorlage oder versuchst du, etwas zu schaffen, das sich deutlich von der Vorlage unterscheidet?
SM: Es ist so, dass er mit seinen Bildern nicht nur oberflächlich die Geschichte illustriert hat. Ich habe selbst recherchiert, wie er seine Werke gezeichnet hat. Er war sehr speziell. Ich habe ihn nicht kopiert, sondern ich habe tatsächlich studiert, wie er seinen Manga geschrieben hat.
Er ist tatsächlich an bestimmte Schauplätze gereist und hat Fotos gemacht, als er diesen Manga geschrieben hat. Aber er selbst hat gesagt, dass die Fotos sich von dem unterscheiden, was er gesehen und gefühlt hat. Also zeichnet er einen Manga, um auszudrücken, was er sieht und fühlt. Das ist vielleicht der Grund, warum er, wenn er Landschaften in seinen Szenen zeichnet, sehr detailreich ist. Und ich weiß gar nicht, wie viel Zeit er gebraucht hat, um den Rahmen zu realisieren.
Es ist ein Manga, der mit unglaublicher Mühe eine sehr detaillierte Landschaft schafft. Es ist ein überwältigender Manga! Ich wollte die Welt durch meine Kamera tiefgründig und feinfühlig beobachten und diese wunderbaren Momente im Manga festhalten. Deshalb wollte ich bewusst meine Beobachtungsgabe einsetzen. Durch die Vorlage habe ich gelernt, wie dies so raffiniert wie möglich gelingen kann. Ich habe seinen Stil nicht einfach visuell oder oberflächlich kopiert, nein.
Es ist sehr kraftvoll. Ich versuche, dasselbe zu tun wie er, nur mit der Kamera beim Filmemachen. Was ich in der schönen Welt sehe, die ich vor mir habe, zu beobachten und in einem raffinierten Stil umzusetzen. Das ist es, was ich beim Filmemachen versuche.
LB: Auf der Pressekonferenz früher sagtest du, dass du unbedingt mit deiner Hauptdarstellerin Yuumi Kawai zusammenarbeiten wolltest. Hast du ihre Filmrolle speziell für sie geschrieben, oder hat ihre Persönlichkeit deine Vorstellung dieser Figur beeinflusst?
SM: Vorher hatte ich natürlich eine Vorstellung von der Hauptfiguren - von beiden Figuren. Aber es war eine schemenhafte Vorstellung mit vagen Umrissen. Aber in dem Moment, als ich sie traf, konnte ich die Art ihrer Rolle klar erkennen. Das vage Bild wurde klarer. Ich denke, das liegt an ihrer Persönlichkeit, ihrem Wesen als Schauspielerin und der Art, wie sie mit anderen Menschen umgehen. Es ist schwer zu erklären, aber es hat meine Art, die Figuren darzustellen, beeinflusst, und ich konnte anfangen, die Dinge aus ihrer Perspektive zu sehen.
LB: Die Jahreszeiten und das Vergehen der Zeit sind ein zentrales Element der Geschichte, das auch im Titel erwähnt wird. Was bedeutet das Vergehen der Zeit für dich in diesem Kontext und wie viel Zeit haben die Dreharbeiten zu diesem Film gebraucht?
SM: Zunächst einmal beantworte ich den letzten Teil der Frage. Der Sommerteil? Ich habe die Sommersaison etwa 10 Tage lang gedreht. Der Rest der Zeit dauerte etwa anderthalb Monate. Natürlich gab es viele freie Tage. Es war ein Zeitraum von etwa anderthalb Monaten.
Was die Zeit angeht, den Lauf der Zeit, denke ich, dass Filme eine Kunstform sind, die sich mit Zeit beschäftigt. Bei Manga, Fotografie, Malerei ist es dem Publikum liegt es beim Publikum oder der Person, die das Bild betrachtet, wie viel Zeit sie vor dem Kunstwerk verbringen möchte. Manche Leute stehen nur kurz vor einem Bild, andere stehen drei lang Stunden davor. Bei einem Film ist die Zeit jedoch festgelegt. Jeder hat eine bestimmte Zeit zur Verfügung und schaut sich den Film an.
Als Regisseur ist es also meine Aufgabe, die mir im Film zur Verfügung stehende Zeit zu verwalten und zu lenken. Ich denke, dass die Zeit, die man im wirklichen Leben verbringt, und die Zeit, die man in der Dunkelheit des Kinos verbringt, unterschiedlich sind. Das Vergehen der Zeit, das Empfinden der Zeit…
Wenn Sie den Film zu Ende gesehen haben und dann aus dem Kino treten, welche Empfindung haben Sie dann, wenn Sie in das reale Leben zurückkehren? Das ist für mich auch ein interessanter Gesichtspunkt.
LB: Wie fühlt es sich an, jetzt hier in Locarno zu sein und den Film auf dem Festival zu zeigen? Ich habe deine Arbeit oft auf der Berlinale gesehen. Wie empfindest du den Unterschied zwischen diesen beiden Festivals?
SM: Ich weiß nicht, ob der Ausdruck „Filmland” richtig ist, aber ich habe das Gefühl, dass es über die Grenzen der Nationen hinausgeht. Als ich mit 20 zum ersten Mal hierher nach Locarno kam, habe ich den Respekt zwischen den Filmemachern und dem Publikum wirklich gespürt.
Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, die Filme lieben oder über Filme nachdenken, kommen zusammen. Es ist eine besondere Zeit. Ich war inspiriert von der Beziehung zwischen Film und Publikum, einer gleichberechtigten Beziehung. In Berlin war ich insgesamt dreimal. Ich mag beide Orte. Meiner Meinung nach ist Locarno etwas für Filmfans und Menschen, die es einfach nur lieben, Filme zu schauen.
Die Berlinale hingegen ist ein großes Event, und die Filme werden dort als etwas angesehen, das man sich nach der Arbeit zum Abschalten ansehen kann. Es sind also keine Kunstfilme, sondern eher Filme für den Alltag, sagen wir es mal so. Sie sind also für eine breite Öffentlichkeit gedacht. Aber ich finde das auch in Ordnung und mag beide Aspekte.
LB: Vielen Dank für das Gespräch!
SM: Ich weiß nicht, ob der Ausdruck „Filmland” richtig ist, aber ich habe das Gefühl, dass es über die Grenzen der Nationen hinausgeht. Als ich mit 20 zum ersten Mal hierher nach Locarno kam, habe ich den Respekt zwischen den Filmemachern und dem Publikum wirklich gespürt.
Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, die Filme lieben oder über Filme nachdenken, kommen zusammen. Es ist eine besondere Zeit. Ich war inspiriert von der Beziehung zwischen Film und Publikum, einer gleichberechtigten Beziehung. In Berlin war ich insgesamt dreimal. Ich mag beide Orte. Meiner Meinung nach ist Locarno etwas für Filmfans und Menschen, die es einfach nur lieben, Filme zu schauen.
Die Berlinale hingegen ist ein großes Event, und die Filme werden dort als etwas angesehen, das man sich nach der Arbeit zum Abschalten ansehen kann. Es sind also keine Kunstfilme, sondern eher Filme für den Alltag, sagen wir es mal so. Sie sind also für eine breite Öffentlichkeit gedacht. Aber ich finde das auch in Ordnung und mag beide Aspekte.
LB: Vielen Dank für das Gespräch!