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James Bond - Im Namen der Populärkultur

von Pascal Reis

Sein Name ist Bond, James Bond: Frauenheld, Chauvinist, Weltretter - und wie er seinen Martini am liebsten genießt, muss an dieser Stelle wohl kaum noch erwähnt werden. Die vom britischen Schriftsteller Ian Fleming im Jahre 1953 ins Leben gerufene Kunstfigur ist nicht nur im literarischen Bereich ein echtes Monument, sondern gerade in der Kinematographie hat James Bond eine gar einzigartige Position eingenommen. Über 50 Jahre ist der Agent im Namen Ihrer Majestät bereits im Einsatz, mehrfach hat er sein Äußeres gewechselt und doch immer wieder auf seine ganz eigene Art und Weise ins (kommerzielle) Schwarze getroffen. Die Frage, die sich bei der außerordentlichen Erfolgsbilanz des „James Bond“-Franchise zwangsläufig stellt, ist, was hat diese Figur des von höchster Instanz autorisierten Geheimagenten nun eigentlich an sich, dass sie sich seit dem Jahre 1962 und dem ersten Auftritt von Sean Connery in „James Bond 007 jagt Dr. No“ auf derart viel Gegenliebe betten darf?

Die Antwortmöglichkeiten darauf sind von mannigfacher Fasson, vor allem aber scheint sich die Beliebtheit von James Bond darauf zu begründen, dass er dem bürgerlichen Zuschauer seit Dekanden die Chance gewährleistet, die Schalen seines festgefahrenen Alltags aufzubrechen und Teil dieser sinnenfreudigen Exklusivität, die das Leben von James Bond nun mal seit jeher charakteristisch bestimmt, zu werden. James Bond, diese persistente Trade Mark, steht immerzu in Relation mit Abenteuer und Spektakel, mit Kuriositäten und nicht zuletzt jeder Menge Exotik (verstärkt durch Ken Adams brillantes Set Design). Unerlässlicher Bestandteil der James-Bond-Filme ist das dementsprechend das ausgebige Worldhopping: Dank der freundlichen Unterstützung von James Bond sind wir in Länder wie Thailand, Jamaika, Kairo, Nordkorea und Bolivien eingereist und durften diese ausgefallenen Plätze auf Mutter Erde durch die privilegierten Augen der Doppelnull betrachten. Wichtig ist es nun an dieser Stelle zu erwähnen, dass das Realitätsbewusstsein der „James Bond“-Serie parallel neben unserer Wirklichkeit fungiert. Das, was wir geboten bekommen, ist nur in Ansätzen mit tatsächlichen Gegebenheiten verknüpft.

Das soll bedeuten, dass die Filme gekonnt mit greifbaren Oberflächenreizen jonglieren und immer ein gewisses Maß von Wirklichkeit in der bildlichen Ebene zurücklassen, im Endeffekt erliegen die James-Bond-Filme aber eine rigorosen Lust am Fabulieren, Überdehnen und Verzerren. Ebenso lässt sich diese Dissonanz auch an den Bezügen zur Weltpolitik erklären, die James Bond immer wieder bemüht: Ob es sich dabei nun – beispielsweise - um die Kubakrise oder den kalten Krieg handelt. Die „James Bond“-Reihe gebraucht diese realen Grundlagen nicht, um seine Filme als politischen Kommentar zu definieren, sondern nur, um die aktuelle politische Lage zur Stimmungsverdichtung zu verwenden. Also im Prinzip genau die gleiche Mechanik, die man auch im Katastrophenkino beobachten kann – Die Brücke zum Realen muss gegeben sein, um affektive Reaktionen im Zuschauer hervorrufen zu können. Darüber hinaus ist es natürlich eine unverkennbare Stärke der James-Bond-Filme, dass sie sich nicht als Politikum betrachten lassen wollen, sondern immer noch die stürmische Unterhaltung im Vordergrund steht.

Und um diese Kurzweil zu generieren, greifen die James-Bond-Filme beständig auf ein ritualisiertes Schema zurück, welches sich in einem eindeutigen Handlungsmuster niederschlägt: Von der Pre-Titel-Sequence, die unseren Egomanen in halsbrecherischer Aktion zeigen, darf sich die oftmals knallige Titel-Sequence mit entsprechender (von Prominenz intonierter) musikalischer Begleitung über den Bildschirm ergießen, bis James Bond anschließend dann einen Auftrag von seinem Vorgesetzten M erhält und sich auf den Weg macht, die vorliegenden Probleme aus dem Weg zu räumen. Dabei trifft er attraktive Frauen, die (nach dem Schäferstündchen) wahlweise ihr Leben lassen müssen oder sich an seine Seite heften, um gegen die überlebensgroßen Bösewichte in den Kampf zu ziehen und diese sodann selbstverständlich auch zur Strecke zu bringen – nachdem James Bond einer Situation ausgesetzt wurde, die den Anschein erweckt, dass unser galanter Heroe dem fadenscheinigen Treiben des jeweiligen Antagonisten genau in die Arme gelaufen ist. Dass sich dieses Muster schnell abnutzt und der dramaturgischen Formelhaftigkeit erliegt, hat unsere umfassende Retrospektivemehr als einmal zum Ausdruck gebracht.

Ein James-Bond-Film ist daher auch immer dann am besten, wenn er bereit ist, seine festgefahrenen Formalitäten einer gewissen Variation zu unterziehen, wie es der 1969 entstandene „James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät“getan hat: Hier hab es zwar auch einige Standards, die die Reihe nun mal auszeichnen, doch die nur einmal von George Lazenby verkörperte Doppelnull durfte sich verlieben, anstatt pausenlos Schlüpfer zu stürmen. Außerdem hat man darauf verzichtet, dem von Peter R. Hunt meisterhaft in Szene gegossenen Film ein obligatorisches Happy End zu vergönnen, in dem James Bond mal wieder zum unzweifelhaften Helden stilisiert wurde – Die emotionale Fallhöhe wurde auf eine Ebene geschraubt, die man so kaum erwarten konnte. Später wurde diese Dimension in den Timothy-Dalton- und Daniel-Craig-Abenteuern wieder aufgenommen und weiterentwickelt, nicht umsonst sind genau diese James-Bond-Episoden die wirklichen Geniestreiche der Reihe und liegen folgerichtig in der mehrwertigen Endabrechnung vor den populären, aber ebenso von Sexismus, Ethnozentrik und Unilateralismus bestimmten Sean-Connery- und Roger-Moore-Werken.

Die referenzielle „James Bond“-Serie, die natürlich auch immer fest im Zeitgeist ihres Entstehungsdatums verankert war, aber hat natürlich auch eine weitere, zu Anfang kurz angesprochene Funktion, die sich aus all den Attributen speist, die die Filme zu den Kassenschlagern gemacht haben, die sie nun mal bis heute darstellen und immer darstellen werden: Sie verleihen dezidiert den Träumen der männlichen Schöpfung Ventil. Welcher maskuline Zuschauer der James-Bond-Filme hat insgeheim nicht davon geschwärmt, ein aufregendes Leben wie James Bond zu führen? Die Aufträge erledigen sich wie von selbst, hat man doch immer das richtige futuristische Gadget zur Hand und die entscheidenden Idee im Kopf, um sich aus jeder noch so misslichen Lage zu befreien. Dazu sieht man viel von der Welt, darf sich als prädestinierter Adrenalinjunkie und Süßholzraspler ständig von den hübschesten Frauen anhimmeln lassen, egal welcher Kultur sie auch abstammen mögen, und gockelt jederzeit in maßgeschneiderten Anzügen durch die Gegend. James Bond ist die ikonographische Erfüllung einer zivilen Sehnsucht und somit auch Objekt der Begierde – Geschlechterübergreifend, in diesem Fall.

Da kann man doch dann auch ganz gut nachvollziehen, warum dieser James Bond seit Jahrzehnten die Blicke im Rampenlicht auf sich richten lässt, oder? Und man muss dazu auch postulieren, dass so eine Retrospektive, wie wir sie in den letzten Monaten hier durchgeführt haben, auch immer mit einer gewissen nostalgischen Schwermut verbunden ist, sind die James-Bond-Abenteuer doch auch immer Reisen in die Kindheit, in der man sich noch nicht über all die despektierlichen Zwischentöne der Filme aufgeregt und sich bei dem Gedanken, dass man das Gebaren von James Bond damals wirklich als Gentlemanlike wahrgenommen hat, verwundert bis entsetzt den Kopf gekratzt hat. Außerdem darf sich James Bond immer noch als die stilprägende Figur adeln lassen, die den modernen Action-Helden initiiert hat, in dem sie eine gewisse Distinguiertheit mit Zynismus in eskapistischen Einklang gebracht hat und, wenn man sich denn getraut hat, nicht nur die Projektionsfläche des Helden mit der weißen Weste in ihm gesehen hat, sondern einen kaltblütigen Mörder und Herzensbrecher, der genauso mit seiner eigenen Berufung hadert, wie mit dem gesamten Universum, in dem er sein Dasein fristet, wie es Sam Mendes in „James Bond 007 – Skyfall“ zuletzt getan hat. Man möchte ihn also nicht missen, diesen Geheimagenten (wider Willen).

Und jetzt seid ihr gefragt: Wie steht ihr zu James Bond? Sind mit seiner Person Sentimentalität verbunden oder lässt euch die ikonische Doppelnull seit jeher eher kalt?

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