GoldenEra: In Deinem Film geht es in gewissermaßen auch um das Kollidieren von Religionen. Gerade zur Zeit des IS wird immer die positive Wirkung von Religionen in Frage gestellt und als Keimzelle des Extremismus gewertet.
2015 erschien ein Buch mit dem Titel „Ethik ist wichtiger als Religion“. Darin wird ein Appell des Dalai Lamas verdeutlicht, dass wir ethische Grundsätze über die Religion stellen sollten und das diese letztlich den Weltfrieden herbeiführen könnten. Kannst Du diesem Gedanken zustimmen?
Katja Benrath: Ich wurde letztens gefragt, warum unsere Protagonistin nicht zum Islam wechselt. Ich habe den Film in Katar gezeigt und hatte erstmals ein durchgehend arabisches Publikum. Das war total faszinierend, weil wie gesagt die Frage am Ende kam, wieso sie nicht zum Islam wechselt, wenn sie doch während der Reise erfährt dass der Islam die bessere Religion sein… Bevor mir die Frage aus dem Arabischen ins Englische übersetzt wurde, ging ein Raunen durch das Publikum. Es wurde dem Übersetzer zugeraunt, er solle doch nicht übersetzen. Es war ihnen offensichtlich peinlich, dass diese Frage gestellt wurde. Meine Antwort, dass es in dem Film nicht darum geht, welche Religion wir uns aussuchen, sondern dass wir einander inklusive Religion akzeptieren könnten, - dass wir unser Gegenüber als das respektieren, was es ist. Ich war sehr glücklich darüber, dass das gesamte Publikum daraufhin mit extrem lauter und motivierter Zustimmung reagiert hat.
In meiner Welt sollte Religion vor allem auf Menschlichkeit beruhen und so stimme ich der Aussage im Kern erstmal zu.
Gleichzeitig ist Religion aber auch immer ganz dicht mit Kultur verbunden und prägt uns. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, ich bin in einem christlich geprägten Wertesystem groß geworden, ich bin auch evangelisch getauft, bin trotzdem keine Kirchgängerin - außerdem starke Kritikerin und dennoch hat mein/unser Wertesystem ganz viel mit der Religion zu tun.
Ich hatte mit allen Menschen, mit denen ich im Rahmen des Filmprojekts gesprochen habe, sehr interessante Gespräche über Religion, über Kultur bis hin zu Beschneidung - ganz viele unterschiedliche (auch religiös geprägte) Themen und habe immer wieder gemerkt, dass es alles gibt - und eben auch diese "gemäßigte" auf menschliche Werte ausgelegte Religion: sie wachsen in einem muslimisch religiösen Wertsystem auf, nur dass diejenigen die ich kennengelernt habe noch mal deutlich mehr mit ihrer Religion verbunden waren als die meisten Menschen, die ich in Deutschland kenne…Ich habe gemerkt, dass es auch da bei den meisten deutlich um die guten Menschenwerte geht.
Dennoch: Alle Religionen haben extremistische Verformungen gehabt, und haben sie noch .Alles was rigide gelebt wird und unter dem Ausschluss anderer Gedanken und Perspektiven, sehe ich sehr kritisch und hinterfrage ich intensiv.
Ich stimme zu: Ethik ist wichtiger als Religion, dennoch kann man das nicht so einfach von einander trennen.
GoldenEra: An einigen Stellen Deines Films wird subtil immer wieder klargestellt, dass der Terrorismus zwar durchaus auf der Basis des Islams stattfindet, dass er aber nicht mit dem Islam gleichzusetzen ist. Das fällt zum Beispiel an einer Stelle auf, an der ein Charakter zu dem Terroristen sagt „ why do you shoot at muslims?“. Wie wichtig war es Dir, dass Du in Zeiten, in denen vor allem von der rechtskonservativen Seite wie von der AfD der Islam als Grundlage von Terror gewertet wird, diese Unterscheidung klarstellst?
Katja Benrath: Das war mir sehr wichtig. Ich möchte nicht sagen, dass der Islam mit dem Terrorismus gar nichts zu tun hat, das ist ein wahnsinnig schwieriges Thema. Der Islam hat in dem Sinne keine Reformation erlebt, keine Aufklärung.
Ich will den Islam weder heiligen, noch verteufeln. Ich finde es aber sehr wichtig eine Grenze zu ziehen zwischen Terrorismus und Religion, zwischen Terroristen und anderen Gläubigen. Terroristen sind Menschen, die ihren Glauben aufs Radikalste auslegen, auch wenn sie behaupten es fände keine Interpretation statt. Mir ist es ganz wichtig, dass da eine klare Abgrenzung gezogen wird…das ganze Publikum in Katar war zum Beispiel in Tränen. Und ich wusste vorher nicht wie sie mit einer christlichen Identifikationsfigur umgehen würde. Und den Somalis, die bei uns im Bus waren, war es unheimlich wichtig, diese Geschichte zu erzählen, darzustellen dass ihr Glaube eben nicht mit Terrorismus gleichzusetzen ist.
Insofern: ja, ich wollte diese Grenze ziehen, wobei ich nicht weiß inwiefern mir das zusteht, das so klar zu sagen. Schließlich steht durchaus einiges im Koran, das man als fragwürdig werten kann. (Übrigens - ebenso in der Bibel)