„Fassen Sie nichts an, sonst umkreisen wir die Sonne.“ - „Sie würden ein hübsches Sternbild abgeben!“
Heute es die von den Marvel Studios für Unsummen ins Rennen geschickte Superheldentruppe„The Avengers“, die in den Kinos aller Herren Länder reichlich Bohei stiften. In den 1960er Jahren kamen die sogenannten Rächer noch aus dem vereinten Königreich, wurden in Deutschland dann aber unter dem weitaus charmanteren und der Sache letztlich auch durchaus dienlicheren Titel „Mit Schirm, Charme und Melone“ publiziert. Wer Angehörige aus dieser Dekade um sich führt, der muss sie nur einmal auf die britische Fernsehserie ansprechen: Ein Straßenfeger, ein Novum war das; ein Format, das dem obligatorischen Kriminalkomplex aus – exemplarisch - etwaigen „Stahlnetz“-Folgen in ein geradezu abstraktes Verhältnis transferierte. Gemeinschaftlich vor den Mattscheiben versammelt, lüftete sich mit „Mit Schirm, Charme und Melone“ ein staubiger Vorhang aus vergangenen Tagen und der abenteuerlustige Aufbruch in eine neue, von physikalischen Gesetzmäßigkeiten wenig tangierte Welt war für eine Laufzeit von gut 50 Minuten gewährleistet.
Über die Qualität der Serie muss nicht weiter gesprochen werden: Für jeden ist „Mit Schirm, Charme und Melone“ ein gängiger Begriff, hat sich die Deklaration ohnehin schon fest in den alltäglichen Sprachgebrauch einquartiert und funktioniert so tadellos als gebräuchliche Redewendung. Was viele heutzutage schon gar nicht wissen: In Deutschland begann die kunterbunte Genre-Melange aus Großbritannien nicht mit Staffel 1 (inzwischen aber auch auf DVD erhätlich), die wurden nämlich seiner nur Zeit Live abgedreht, sondern mit Staffel 4, die sich erstmalig auf Film produziert sah und somit auch ins Ausland verkauft werden konnte. Folgerichtig gab es in deutschen Landen auch nur eine Traumbesetzung: Patric MacNee als John Steed sowie Dianna Rigg als Emma Peel. Führt man sich die vierte Staffel von „Mit Schirm, Charme und Melone“ nun zu Gemüte, überrascht vor allem die Tatsache – auch im Kontext kontemporärer Sexismusdebatten -, mit welch fortschrittlichem Frauenbild die Serie in Zeiten der festgefahrenen Rollenmodelle bereits bestückt war.
Emma Peel, zuvor nur als Theaterdarstellerin tätig, war eine emanzipierte Lady, die austeilen konnte, die niemanden von ihren Qualitäten überzeugen musste und sich von niemanden hat etwas gefallen lassen. Besondere Highlights waren da dann nicht nur die skurrilen Einfälle, „Mit Schirm, Charme und Melone“ war auch ein herrliches Kuriositätenkabinett voller knalliger und selbstredend analog getrickster Gadgets, sondern auch die dialogischen Schlagabtäusche zwischen Emma und John, die sich wie beim Pingpong schnittig die Bälle zuspielten. Als Fan stilvoller 1960er-Jahren-Klassikern ist die vierte Staffel von „Mit Schirm, Charme und Melone“ natürlich eine unbedingte Empfehlung, wenngleich die Serie dann und wann etwas obsolet erscheinen mag, überwiegt der ungezwungen-eskapistische Spaß, die mal gedämpfte und im nächsten Augenblick vollständig entfesselte Atmosphäre, die Detailvielfalt und Kreativität, mit der hier über 26 Folgen voller Herzblut und Tatendrang zu Werke geschritten wurde.
Zur Blu-ray von Studiocanal gibt es nur eine Sache zu sagen: Fantastisch. Nicht nur, dass die Bild- und Tonauflösung noch einmal re-remastered wurde und „Mit Schirm, Charme und Melone“ so in nie dagewesener Schärfe von sich überzeugen darf, nein. Endlich gibt es die vierte Staffel auch in ihrer Gesamtheit zu bestaunen - ohne Abstriche. Darüber hinaus haben es sich Oliver Kalkofe und Wolfgang Bahro nicht genommen, jede einzelne Folge mit einem kleinen Resümee zu versehen, bei dem sie nicht nur eine persönliche Wertung abgeben, sondern auch mit unnützen, aber höchst interessanten Halbwissen glänzen. Von daher ist klar: Diese Veröffentlichung ist keine Kaufempfehlung, sondern eine Kaufaufforderung!
Bewertung: 8 von 10