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Moviebreak bittet zu Tisch: Hannibal Staffel 3.8

von Sandra Scholz

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Ihr bemerkt es schon am Titel: "Hannibal" löst in dieser Woche die bisherigen Strukturen beinahe völlig auf. Ab jetzt sind die kommenden Episoden nicht mehr nach Speisen benannt, stattdessen wird es biblisch. "The Great Red Dragon and the Woman Clothed in Sun" ist der vollständige Name des Gemäldes von William Blake, und darauf aufbauend ist die restliche Staffel benannt. Für alle Kunstinteressierten gibt es am Ende einen kleinen Exkurs zu Blake und seinen Werken. 


Aber widmen wir uns der Folge. Nach einer kurzen Rückblende, in der noch einmal betont wird das Hannibal sich freiwillig ergeben hat werden wir als Zuschauer ins eiskalte Wasser geworfen. Mitten in der Staffel findet ein Zeitsprung von drei Jahren statt. Und nach drei Jahren geht es direkt nervenaufreibend los. Knappe fünf Minuten beobachten wir die Transformation eines normalen Menschen hin zum Roten Drachen. Ein Dialog findet nicht statt, die Musik ist minimalistisch gehalten. Unter der sicheren Regie von Neil Marshall, der zuletzt durch seine Arbeit bei "Game of Thrones" ("Blackwater" und "The Watchers on the Wall" gingen auf seine Kappe) liefert Richard Armitage eine Glanzleistung ab. Visuell gewohnt ästhetisch dient er, und vor allem sein Rücken, als Leinwand für die Entstehung eines schrecklich faszinierendes Kunstwerkes. Als Zuschauer sind wir mit ihm allein und ungeschützt, der Schrecken tropft zähflüssig und düster aus jedem Millimeter Bildmaterial. Dieser Stil bleibt durch die Folge hinweg erhalten. Die mentalen Episoden, die der Rote Drache hat werden durch nervenaufreibende Töne angekündigt, und im visuellen Bereich wird sich erneut ausgetobt. Highlight dürfte die Szene sein, in der er scheinbar von Film eingewickelt wurde und das Licht des Projektors aus seinen Augen und dem Mund hervorbricht.


Dem gegenüber steht, stark kontrastierend, Hannibal. Die Folge macht sich einen Heidenspaß daraus, ihn auf verschiedene Leute treffen zu lassen und den Eindruck zu ermitteln, dass er sich in Freiheit befinden würde. Doch Hannibal steckt im Baltimore State Hospital und freut sich darüber, dass er erfolgreich für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Eine Lüge, und das wissen auch die beiden Leiter der Anstalt, Alana Bloom und Frederick Chilton. Natürlich flüchtet Hannibal sich in seinen Gedankenpalast, doch er hält großzügig Audienz und legt dabei eine erfrischende Offenheit an den Tag. So teilt er Alana gerne mit dass er ihr jemanden in ihr Bier gemischt hat, und auch Chilton erfährt einige unerfreuliche Neuigkeiten in Sachen Dessert. Nebenbei ist er auf bestimmt-freundliche Art mal wieder überaus bedrohlich und verspricht Alana, dass sie keinesfalls sicher ist. Charmant, charmant. 

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Überhaupt, der gute Doktor Chilton begibt sich mal wieder auf dünnes Eis. Hannibal zu provozieren scheint sein liebstes Hobby zu sein. So erzählt er Hannibal beim gemeinsamen (nur in Hannibals Gedanken stattfindendem?) Essen über den Mörder, den alle nur Tooth Fairy, also Zahnfee, nennen. Durch das reine Beobachten haben wir schon gelernt, dass sowohl Hannibal als auch der Rote Drache körperlich recht fit sind, beide sind auch sonst sehr nett anzusehen. Die äußere Schale wirkt also hübsch, geradezu anziehend. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Hannibal wird in dieser Folge ausschließlich durch seine Gedanken beschrieben, während wir den Drachen nur durch die Dinge, die er macht, kennenlernen. Auch in ihren Morden könnten beide nicht unterschiedlicher sein. Während Hannibal die Ästhetik über alle Maßen wichtig ist, sind die Morde des Drachen willkürlich und äußerst brutal. Chilton schlussfolgert daraus, dass der Drache ein größeres Publikum anspricht: "You, with your fancy allusions and your fussy aesthetics, you will always have niche appeal.". Noch mehr Meta-Ebene könnte man mit aller Gewalt dieser Welt nicht in einen einzelnen Satz legen. Nun ja, wenigstens können wir Fans uns nun über unsere Nischendasein freuen. 

 

Doch natürlich muss der Rote Drache gefasst werden, und Jack Crawford hat schon eine Idee, wer helfen kann. Kurzerhand steht er vor Wills Haustür, doch der ist nicht sonderlich erfreut über den Besuch. Nur widerwillig lässt er Jack ins Haus, und wir erfahren dass er sich in den drei Jahren eine Partnerin samt elfjährigem Sohn zugelegt hat. Oh, und natürlich noch mehr Hunde. Doch die Tatsache dass der Killer sich auf scheinbar perfekte Familien stürzt, zusammen mit dem Drängen seiner neuen Partnerin, reicht aus um Will umdenken zu lassen. Skandal, denn Hannibal hat ihm doch extra noch einen Brief geschickt, in dem er ihn genau davor gewarnt hat:  "Dear Will, we have all found a new life, but our old lives hover in the shadows. Soon enough I fear Jack Crawford will come knocking. I would encourage you, as a friend, not to step back through the door he holds open. It's dark on the other side, and madness is waiting.". Jack verspricht zwar auf Will aufzupassen, doch das hat er in der ersten Staffel auch schon getan, und das Ergebnis kennen wir alle. Aber es hilft nichts, Will findet sich am letzten Tatort wieder. 

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Und plötzlich fühlt "Hannibal" sich wieder an wie in der ersten Staffel. Will erkundet den Tatort und wir kriegen ein paar wunderschöne Bilder zu sehen. Also, nicht so schön im klassischen Sinne, aber toll umgesetzt. Die Leichen der Familie tauchen erst im Licht der Taschenlampe auf, und die Flügel aus den roten Fäden der Spurensicherung sind beeindruckend. Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Morde abgrundtief hässlich und bestialisch sind. Dementsprechend hat Will hart mit dem Tatort zu kämpfen. Der Ausblick auf den Wahnsinnigen, in dessen Gedanken er sich versetzen muss, erschüttert ihn, und es dauert einen Moment bis er sich gefangen hat. Doch dann zeigt sich, dass Will in den drei Jahren Zeit hatte, zu sich selbst zu finden. Seine Beschreibungen der Tat klingen kalt und abgeklärt, distanziert. Hugh Dancy steht oft zu Unrecht im Schatten von Mads Mikkelsen, doch diese Folge zeigt erneut, welch fantastische Arbeit er leistet.


Am Ende sind sie dann alle wieder vereint. Will, Jack, Zeller und Price. Nur Hannibal, der sitzt in seiner Zelle, doch Will möchte ihn zu den Morden befragen. Es fühlt sich an wie eine Rückbesinnung auf die erste Staffel, doch die Karten sind völlig neu gemischt. Vor uns liegen nur noch fünf Folgen, aber ich gehe fest davon aus dass "Hannibal" uns auf die bestmögliche Weise verlassen wird.



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