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Moviebreaks Monatsrückblick: Mai

von Sebastian Groß

1. Highlights aus den Kinosälen: 

Get Out - Wiegekonnt Newcomer Jordan Peele die auf den afroamerikanischenHauptdarstellung einschlagenden Beklemmungen verdichtet, das führtschon ein ums andere Mal zu echten Nägelkaumomenten. Dass GET OUTsein reines, genreaffines Angstgefüge auch transzendieren möchte,gibt dem Film zum einen den doppelten Boden, auf einegesellschaftliche Problematik hinzuweisen, die nach wie vor aktuellist, allerdings fehlt GET OUT letzten Endes der Mut, diesen Ansatz zunutzen, um den Zuschauer in seinen Gedankenwelten zu entlarven. GegenEnde, wenn alles endgültig aus den Fugen gerät, wird GET OUT zuoffensichtlich, zu greifbar, das Nebulöse, das Schemenhafte, dasVerschwommene, das Unbestimmte, es weicht klaren Strukturen. Dasunangenehm Diffuse wird unbeholfen blutig.

Sieben Minuten nach Mitternacht - Diebedachte Annäherung an den Themenkomplex der Trauer, derVerdrängung, Wut und irgendwann auch Akzeptanz in sich trägt, wirdvon Juan Antonio Bayona bisweilen schön kreativ genutzt, in dem ersich nicht nur auf seinen Referenzen zu Steven Spielberg undGuillermo del Toro ausruht, sondern originäre visuelle Wege sucht,um das komplexe Thema allegorisch respektive metaphorisch zubehandeln. Warum es aber nicht SO RICHTIG geknistert, liegt letztlichauch daran, dass es sich SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT ungeachtetseiner Ambitionen zu einfach macht. Der Schmerz des Hauptdarstellerswird nicht trivialisiert, die Situation nicht bagatellisiert, aberdas Parabelhafte nötigt SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT regelrechtdazu, im Finale einen klaren Entschluss zu fassen. Gemessen an derexistentiellen Schwere des Inhalts ist dieser geschmeidige Verlauf injedem Fall fragwürdig. Nichtsdestotrotz – ein gutes Genre-Amalgam.

2. Flops aus den Kinosälen: 

Nix zu meckern! (weil verdammt wenig gesehen, hehe). 

3. Highlights im Heimkino: 

Jerichow - Manmöchte applaudieren und sich gleichzeitig die schmerzdurchdrungeneBrust halten. JERICHOW ist großes, deutsches Kino. Also genau dieArt von Film, die die schlichten Gemüter rund um den GlobusDeutschland nicht mehr zutrauen. Klar, Christian Petzold ist eineInstitution in der nationalen Kinolandschaft (und darüber hinaus) –aber JERICHOW ist besonders, das merkt man sehr schnell. Petzoldlässt den Menschen seine Geheimnisse und beschreibt mit derDreiecksbeziehung um Thomas, Laura und Ali keine klassischePersonenkonstruktion, die sich in Leidenschaft verrennt. Stattdessengibt es ganz viel Schuld und keinerlei Sühne. Wer meint, dasinszenatorische Vokabular des scharfsinnigen Regisseur wäreübersichtlich, der unterschätzt die hochgradige Strahlkraft derReduktion.

I wie Ikarus - Henri Verneuil ein meisterhafterPolit-Thriller gelungen, der nicht nur durch seine herausragendenBildkompositionen, dem Soundtrack von Ennio Morricone und dem famosenSpiel des großen Yves Montand überzeugt. Als offenkundigerKommentar auf den Anschlag auf John F. Kennedy versteht sich I WIE IKARUS als nachdenklich stimmende Reflexion über dieGefahr von Autoritätsstrukturen internationaler Geheimdienste fürden Staat.

Greenberg - GREENBERGaber versucht sich nicht daran, die von Zwangsstörungen dominierteHauptfigur krampfhaft rehabilitieren zu müssen, damit jederschnellt: Oh, dieser Mensch ist doch ganz normal! Nein, das ergibtsich selbst. Das ist der Figur des Greenberg von Beginn aneingeschrieben, weil Baumbach diesen Charakter nicht ausstellt,sondern sich diesem voller Hingabe annimmt. Ihn gewähren lässt. Inseinen Ambivalenzen. In all seiner Anstrengung. In seinerUnfähigkeit, eine intakte Beziehung zu führen. In seinenHilferufen. Seiner Einsamkeit. Seiner Normalität. GREENBERG istwirklich wahrhaftiges Kino. Scheiß auf eure Pseudo-Souveränität.Wer über sich selbst aussagt, keinen Dachschaden zu haben, istohnehin die größte Gefahr. Verletzte Menschen verletzen nun malandere Menschen.

T2: Trainspotting -  Ersteinmal die große Irritation: Warum eine Fortsetzung vom nahezuperfekten TRAINSPOTTING? Die Antwort darauf liefert Danny Boyle mitT2 sehr schnell: Weil sich das mit Kotze beschmierte Karussell namensLeben immer weiterdreht – und auch wenn wir gerne wollen, gelingtuns der Absprung nun mal nicht zwangsläufig. Was gut so ist. Wer nundenkt, T2 würde sich in Nostalgie und Sentiment wähnen, umgeschundene Fanboy-Herzen zu liebkosen, der täuscht sich ebenfalls:In einer Szene ist es Sick Boy, der es deutlich in Rentons Gesichtwirft: "Du bist Tourist in deiner eigenen Jugend". T2 istder Aufruf, Erinnerungen in sich zu bewahren, aber nicht in derVergangenheit verloren zu gehen. Und genau da wird T2 ein unheimlichlebensnaher, ehrlicher Film, wenn er das universale Problem aufzeigt,wie schwer es doch ist, einfach loszulassen. Weiterzumachen. Sichabzunabeln. 

American Honey - Bewegung.Zittern, beben, flirren, flimmern. Und tanzen, ob zum Beat oderschräg daneben. AMERICAN HONEY ist ein Film, der keinen Stillstandkennt. Keinen Stillstand verträgt. Die 18-jährige Star bricht auseinem Leben aus, welches ihr keine Träume mehr schenken konnte,und findet sich in einem Abenteuer wieder, in dem der Traum vomAusbruch nur eine Lüge ist. Andrea Arnold, die womöglich besteRegisseurin, die das Weltkino momentan aufzubieten hat, hat in ihrerersten amerikanischen Produktion einen Weg gesucht, um mit Amerikaauf Tuchfühlung zu gehen. Ihre Eintrittskarten in das Land derunbegrenzten Möglichkeiten? Musik und Träume, natürlich. Beides.Fast über drei Stunden. Und auch wenn die Musik verstummt und Träumezerplatzen, weil es am Ende eben doch nur darum geht, Geld zu machen,bleibt AMERICAN HONEY ein außerordentlich „schöner“ Film.Schön, weil er sich einen so naturalistischen Blick in eine wildeAmericanakultur erlaubt, in dem noch der Glaube an die Gemeinschaftbeständig scheint. Ebenfalls beeindruckend: Andrea Arnolds Gespürfür unverfälschte Alltagspoesie und zwischenmenschliche Dynamiken. 

4. Flops im Heimkino: 

Das neunte Leben des Louis Drax - Was war denn das? Alexandre Ajas neuster Film ist eine einzige Zumutung. Selten hat man in diesem Jahr einen Film gesehen, der aus filmerzählerischer Sicht derartige Mängel aufgewiesen hat. DAS NEUNTE LEBEN DES LOUIS DRAX wirkt auf dem Papier wie eine stimmungsvolle Menage aus Tim Burton und PANS LABYRINTH, bleibt in Wahrheit aber nur ein konfuses, unausgeglichenes Geseier, welches den Zuschauer ob seiner tonalen Zerstreutheit geradewegs ins Reiche der Träume nötigt.

Die Besucher - Sturm auf die Bastille - Nein,danke. Alle Fans von DIE BESUCHER und DIE ZEITRITTER mögen bittegroßen Abstand von dieser direkten Fortsetzung nehmen. Verstandensich die ersten beiden ersten Teile noch als wirklich spritzigerZeitreiseklamauk, so verkommt "Die Besucher - Sturm auf dieBastille" zum anstrengenden Rohrkrepierer.

5. Alles über Serien: 

Im Mai hab ich leider nichts Neues aus dem Serien-Markt gesehen. 

6. Was ich im Juni gucken möchte: 

Filme. Filme. Filme.

7. Filmschaffender des Monats: 

Danny Boyle. Weil er einen Mythos nicht zerstört hat.

8. Der Monat in einem Wort:

Vorfreude.

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