1. Highlights aus den Kinosälen:
Get Out - Auf virtuose Art findet Get Out zu einem besonderen Rhythmus, der düstere Vorzeichen, gesellschaftliche Mechanismen und selbst urkomische Einschübe zu einem Albtraum verdichtet, der im letzten Drittel eskaliert. Wie der Regisseur mit den Mitteln des Horrorfilms Impressionen kreiert, welche Themen wie Ausbeutung und Sklaverei auf gleichermaßen groteske wie irreale Weise neue Impulse verleihen und ein lange zurückliegendes, nichtsdestotrotz unaufgearbeitetes Kapitel der Menschheitsgeschichte innovativ umfunktioniert, ist faszinierend anzusehen und verliert selbst im finalen Akt voller wirrer Panik nichts an Wirkung.
Song to Song - Stilistisch bleibt sich Terrence Malick weiterhin treu, was ihm viele mittlerweile als müde Variation oder Stagnation auslegen möchten. In Song to Song lässt er die Figuren, die greifbare Intimität zwischen ihnen sowie die tiefe Verletzlichkeit von ihnen jedoch so unmittelbar spürbar werden wie länger nicht mehr. Dabei schließen sich bei einem der letzten großen Poeten des Kinos unerreichbare Höhenflüge und bittere Verzweiflung nie aus, sondern verknoten sich in formvollendeten Momenten, in denen die quälende Einsamkeit im Angesicht überwältigender Schönheit glücklicherweise regelmäßig ins Stocken gerät, bevor sie sich einen Weg zurück ins Bewusstsein kämpft.
2. Flops aus den Kinosälen:
Alien: Covenant - Der schwächste Teil der Saga, der seine eigenen Ambitionen einer innovativen Schreckensvision sabotiert, indem der Xenomorph-Aspekt nachträglich eingefügt wirkt und lieblos abgehandelt wird. Michael Fassbender und die Geschichte(n) seiner Figur(en) sind das einzige, das diesem Film einige Szenen beschert, die wohlig unter die Haut kriechen und großen Horror andeuten, der fernab des eigentlichen Alien-Terrors nie aus sich selbst hervorbrechen darf.
3. Highlights im Heimkino:
Tarnation - Indem der Regisseur prägende Songs seiner Jugend wie nostalgisch wärmende Echos durch die frenetisch montierten Bildfolgen hallen lässt, mit verstörenden Impressionen und Verzerrungen arbeitet, die den Eindruck einer gefestigten Realität im nächsten Moment bewusst ins Surreale kippen lassen und die zerbrechlichen Linien seines Familienstammbaums immer wieder mit Erschütterungen, Fragen, Selbstzweifeln und Ängsten verziert, entsteht in Tarnation auf unvergleichliche Weise das Porträt einer gestörten Seele, die in der Kunst Bedeutung findet, und ein zärtliches Memoir voller aufrichtiger, roher Emotionen eines Sohns, der seiner Mutter voller Liebe und Furcht zugleich endgültig ein Denkmal errichtet hat.
I Am Not Your Negro - I Am Not Your Negro ist eine Sternstunde des Kinos und ein unverzichtbares Meisterwerk im Filmjahr 2017, in dem sich intimste Details aus dem Privaten mit der universellen Lage eines ganzen Landes zu einem Porträt verbinden, dessen zentrale Aussagen Allgemeingültigkeit für die gesamte Welt besitzen dürften.
Der siebente Kontinent - Hinter den schlichten Einzelszenen, die Michael Haneke mit unverkennbarer Handschrift als unaufgeregte, präzise Detailbeobachtungen inszeniert und durch abrupte Schnitte in lose Fragmente zerteilt, kommt schon bald zum Vorschein, was die meisten Werke des Regisseurs auszeichnet. Am Ende bleibt der Schockzustand einer schmerzhaft klaffenden Wunde, die der österreichische Regisseur tief ins Bewusstsein seines Publikums einritzt.
4. Flops im Heimkino:
Recovery - Die Social-Media-Prämisse entpuppt sich als oberflächlich abgehandeltes Alibi, um einen schlecht konstruierten, klischeebeladenen sowie handwerklich unsauberen Horrorfilm von der Stange zu inszenieren. Nach einem viel zu langen, belanglosen Auftakt, der knapp die Hälfte der Gesamtlaufzeit für sich beansprucht, zerstört das darauffolgende Home-Invasion-Szenario mit müden Schocks, verpassten Thrills und unnötigen Gewalteinlagen auch die letzten Hoffnungsschimmer auf einen zumindest halbwegs überzeugenden Genrebeitrag.
Free Fire - Etwas mehr als eine farblose Gangster-Action-Komödie, deren einziges Gimmick, der pausenlose Schusswechsel, sich aufgrund von fehlenden Ideen und eindimensionalen Charakterschablonen überraschend schnell abnutzt, hätte man nach High-Rise schon erwarten dürfen.
Trash Fire - Indem der Regisseur in der zweiten Hälfte vor allem das Verhältnis der beiden Hauptfiguren beinahe vollständig entschärft und aufgrund tiefgründigerer Zwischentöne nach charakterlichen Glättungen strebt, verliert der Film deutlich an Schärfe und endet in einem planlosen Durcheinander, in dem die Mischung aus Grusel und Humor nie so recht aufgehen mag und ein völlig miserabler Schluss endgültig für einen bitteren Nachgeschmack sorgt. Fast wirkt es, als sei hier ein potentiell gelungener Film von einem unausgegorenen zweiten Film überrumpelt worden, der sich nach der Hälfte ungestüm in den Mittelpunkt drängt.
5. Alles über Serien:
Die neue Staffel Twin Peaks. Mein absoluter Lieblingsregisseur ist zurück und nach den ersten vier Folgen ist klar: Damit hat wohl niemand gerechnet. Von einem anderen Stern. Purer Wahnsinn und mehr Lynch, als vielen lieb sein dürfte.
6. Was ich im Juni gucken möchte:
7. Filmschaffender des Monats:
David Lynch - Der beste Regisseur aller Zeiten meldet sich nach über 10 Jahren auf der Bildfläche zurück und seine Rückkehr hätte kaum fulminanter ausfallen können.
8. Der Monat in einem Wort:
Fein.