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Tales From The Script - Wie stehen wir zum Thema Horrorfilm?

von Constantin Wieckhorst

Was bedeutet dir der Horrorfilm als Genre?

Schon seit meiner frühen Kindheit hat mich das Genre interessiert, auch in literarischer Form. Im Alter von 9 Jahren habe ich meine Mutter gefragt, ob ich den Roman "Friedhof der Kuscheltiere" lesen darf, der mich aus ihrem Bücherregal angelächelt hat, was sie überraschenderweise erlaubte. Später sagte sie dazu, sie hätte eh nicht geglaubt, dass ich da weit komme. Tja, verzockt. Dieser pädagogisch fragwürdige Move hat mir aber nicht nachhaltig geschadet (das sollten Fachkräfte beurteilen), sondern meine Vorliebe nur bestärkt. Obwohl ich mich grundsätzlich mit fast allen Facetten des Films gerne auseinandersetze (zugegeben, ich habe noch nie einen Bollywood-Film länger als eine Minute angesehen), so reizt mich der Horrorfilm doch immer ganz besonders und ich bin dort auch eher bereit, mir auch vermeidliche Vollgrütze anzusehen. Was nicht bedeutet, dass ich diese dann wohlwollender beurteile. Aber irgendwie muss ich es doch immer wieder wissen . Aus diesem Grund konnte ich auch dieses Jahr nicht die Finger von so einem wenig überraschenden Vollschund wie Winnie The Pooh: Blood and Honey lassen. Dahingehend sabotiere ich mich immer mal wieder selbst, aber damit habe ich mich inzwischen ganz gut abgefunden.

Wann waren deine ersten Berührungspunkte mit dem Horrorfilm?

Früh. Sehr früh. Viel, viel zu früh. Irgendwann im Grundschulalter. Meine ersten, aus dem TV selbst auf VHS aufgenommenen Filme waren Halloween - Die Nacht des Grauens und Nightmare - Mörderische Träume (auf RTL Plus damals noch werbefrei und uncut, waren das noch Zeiten), aber ich erinnere mich auch in diesem Alter gemeinsam mit meiner Familie Tanz der Vampire und den ersten Dracula der HAMMER Studios im Fernsehen gesehen zu haben. Alles Filme, zu denen ich heute noch eine ganz besondere Beziehung habe. Wobei die natürlich auch abseits davon einfach zeitlose Klassiker und verdammt gut sind. Naja, und dann wurde dank älterer Geschwister (nicht unbedingt meiner Schwester), pädagogisch noch fragwürdigerer Eltern im Bekanntenkreis (um das zu relativieren: sonst haben mich meine Eltern wirklich gut erzogen, aber von Filmen hatten die nie einen Plan), gleichgültiger Videothekenmitarbeiter*innen und dem zweiten Videorekorder im Haus eh alles gehortet, was irgendwie "schlimm" und "verboten" schien. Tolle Zeit, wirklich.

Was hat das mit dir gemacht und inwieweit haben dich diese (Seh)Erfahrungen geprägt?

Wurde ja mehr oder weniger schon beantwortet. Ich war früh relativ furchtlos was Filme anging und habe mir alles reingezogen, was irgendwie zu bekommen war. Damals natürlich alles noch wesentlich komplizierter als heute, aber gerade das hat den Reiz und das Erfolgserlebnis ja nur verstärkt. Rückwirkend glaube ich, dass ich dadurch schon früh soviel aus dem Bereich gesehen habe, dass es Horrorfilme vielleicht sogar etwas schwerer haben, mich wirklich zu beeindrucken. Umso schöner ist es dann natürlich, wenn es ausgewählten Exemplaren dann doch gelingt.

Gibt es Filmszenen oder bestimmte Momente, die dir bis heute noch lebhaft in Erinnerung geblieben sind?

Die Eröffnungssequenz aus Halloween  - Die Nacht des Grauens. Und diese Musik! Der Reverend aus Poltergeist II - Die andere Seite (auch wenn der Film nicht so viel taugt, aber was fand ich den als Kind spooky). Das Auftreten und Erscheinungsbild von Freddy Krueger in Nightmare - Mörderische Träume (so düster und viehisch war er danach nie wieder). Jack Nicholson in Shining. Die Friedhofsszene am Anfang von Die Nacht der lebenden Toten. Die Klettergerüstszzene und das Finale in Die Vögel. Die Schlittenfahrt am Ende von Tanz der Vampire. Der Showdown von Braindead. Wenn Rutger Hauer mit vorgehaltener Klinge C. Thomas Howell dazu zwingt, vier Worte zusagen: "Ich möchte tot sein"! Die Eröffnungssequenz von Scream - Schrei!, die ich als völlig unvorbereiteter 16jähriger (halt kein Internet) im Kino miterlebt habe und somit live dabei bei der kurzzeitigen Reniassance des guten Horrorfilms. Der Score von Tangerine Dream bei Near Dark - Die Nacht hat ihren Preis. Der Moment, wenn Jessica Harper in Suspiria den Flughafen verlässt...bis zum Abspann! Und der Moment - den ich nicht genau benennen kann, aber er kam erstaunlich früh - als ich zu meinem Erstaunen wie meiner Begeisterung festgestellt habe, dass das von mir am meisten gefürchtete Remake, der Suspiria von 2018, ein Meisterwerk für sich ist. Chistopher Lee  - generell.

Hast du im Hinblick auf den Horrorfilm spezielle Subgenres, die für dich so etwas wie ein Steckenpferd darstellen?

Nicht zwingend, aber ich habe schon eine Vorliebe für die Filme der HAMMER-Studios, auch wenn sich dort nur sehr wenige Meisterwerke tummeln. Trotzdem empfinde ich viel Sympathie für sie und schaue sie mir immer wieder gerne an. Gleiches gilt für die Edgar Allan Poe-Phase von Roger Corman aus den frühen 60ern. Vor mehr als 10 Jahren habe ich dann den Giallo und generell das italienische Genre-Kino vergangener Tage für mich entdeckt. Und ich liebe die ersten Filme von John Carpenter.

Haben sich deine Vorlieben diesbezüglich im Laufe der Jahre verändert?

Wie gesagt, das italienische Genre-Kino in seiner Gesamtheit habe ich für mich erst relativ spät entdeckt. Als Kind war ein möglichst hoher Gewalt- und Schockfaktor natürlich auch immer ein Reizpunkt, was aber wohl mehr mit einer Art "Mutprobe" zu tun hatte. Das ist mir schon lange gar nicht mehr wichtig und ödet mich oftmals an, wenn ein Film sonst nichts zu bieten hat.

Gibt es Subgenres, die dir noch nie zugesagt haben?

Found Footage. Da gibt es auch wenige Positiv-Ausnahmen (ich vetrete ja die durchaus streitbare These, dass Nackt und zerfleischt der bis heute - mit Abstand - beste Found Footage Film ist), aber selbst ein Blair Witch Project hat mich noch nie wirklich gekickt. Und das ist tatsächlich noch einer der besseren.  Found Footage erscheint mir leider oftmals wie ein Alibi für "wir haben kein Geld, Talent oder Idee, aber wenn wir nur ordentlich rumwackeln merckt das keiner". Filmemachen für jedermann.

Wie sieht deine aktuelle Top Ten in Sachen Horrorfilme aus?

1. Halloween - Die Nacht des Grauens
2. Psycho (1960)
3. Suspiria (1977)
4. Tanz der Vampire
5. Der Weiße Hai
6. Das Ding aus einer anderen Welt (1982)
7. Hitcher, der Highway Killer
8. Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt
9. Midsommar
10. Nosferatu, eine Symphonie des Grauens
Ließe sich aber mühelos zu einer Top 50 ausbauen, bei der munter hin und her geschoben wird, je nach Stimmung.

Welches Jahrzehnt würdest du im Hinblick auf das Horrorgenre als das stärkste bezeichnen?

Die 1970er. Natürlich hat jedes Jahrzehnt so seine Meilensteine, aber flächendeckend würde ich dieses Jahrzehnt wählen. Aber generell würde ich die 70er als mein liebstes Filmjahrzehnt bezeichnen, von daher ist das alles etwas schwierig zu trennen.

Von was würdest du im Horrorbereich zukünftig gerne mehr sehen?

Kreatives Genre-Kino, dass sich auch mal traut, mit Konventionen und Erwartungshaltungen zu brechen. Jordan Peele und besonders Ari Aster haben da Großes geleistet in den letzten Jahren und bewiesen, dass Horrorfilme auch (immer noch) von echten Filmemachern mit eigener Handschrift kommen können. Grundsätzlich ein Hoch auf den bisherigen Weg von A24, die für den modernen Horrofilm so viel Wichtiges geleistet haben, während z.B. Blumhouse immer noch durch die Rummelgeisterbahn fährt.

Hast du abschließend noch ein paar echte Geheimtipps, die selbst bei eingefleischten Horrorfans gerne mal unter dem Rader fliegen?

Immer schwierig, da inzwischen ja fast alles irgendwo verfügbar ist. "Normalen" Menschen empfehle ich an der Stelle gerne Ein Kind zu töten (1976), aber allein an der Anzahl von MB-Bewertungen (immerhin 14 und einem angemessenen Schnitt von 8,1) kann man für so einen einst völlig unbekannten Film nicht mehr richtig von einem Geheimtipp sprechen. Eine faustdicke Überraschung war für mich in den letzten Jahren der koreanische Film The Wailing - Die Besessenen (2016), aber der ist ja auf dieser Seite offenbar sehr gut bekannt. Daher nenne ich an der Stelle mal einfach die meiner Meinung nach besten HAMMER-Filme: War es wirklich Mord? (OT: The Nanny) mit der fantastischen Bette Davis, den außer mir bisher nur 3 User bewertet haben (Schnitt: 7,3), und Haus des Grauens (OT: Paranoiac) aus dem Jahr 1963. Bei gleicher Anzahl von Bewertungen mit 6,8 meiner Meinung nach sogar gnadenlos unterbewertet. Und wer sonst nicht viel Horror guckt: einfach alles von John Carpenter, Mario Bava, David Cronenberg (den tatsächlich komplett, nicht nur Genre-bedingt) und Dario Argento ansehen. Bei Seniore Argento aber besser nach Opera aufhören, allerspätestens nach Das Stendhal Syndrom. Dann wird es sehr finster.

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